Attendorn. Kein Bäumchensetzen, kein Abiball und zuletzt auch kein Unterricht – Julian Schmidt hat sich das Abitur am Ursula-Gymnasium anders vorgestellt.
Mit der Schule geht ein wichtiger Lebensabschnitt zu Ende. Die Abschlussprüfungen sind die erste Bewährungsprobe für Studium, Ausbildung und Co. und nicht selten mit Lernstress verbunden. Eine nervenaufreibende Ausnahmesituation. In der Corona-Krise scheint diese Phase nochmal emotional aufgeladener zu sein. Der Ruf nach Abschluss ohne Prüfungen wurde laut – und vom NRW-Schulministerium zum Schweigen gebracht. Die richtige Entscheidung? Wir haben mit Julian Schmidt (18) gesprochen, der im Sommer sein Abitur am St.-Ursula-Gymnasium in Attendorn ablegen wird.
Unter dem Hashtag #SchulboykottNRW machen Schüler bei Twitter und Co. ihrem Ärger über die Schulöffnungen Luft. Wie siehst Du das?
Julian Schmidt: Ich kann die Diskussion schon nachvollziehen. Viele Schüler machen sich wegen ihrer Eltern und Großeltern Sorgen, die zur Risikogruppe gehören. Manche gehören wegen bestimmter Vorerkrankungen vielleicht selbst zur Risikogruppe. Für die wirkt es natürlich schon so, als ob sie für den Abschluss die Gesundheit aufs Spiel setzen sollen. Zumal in anderen Ländern in Europa die Schulen weiter geschlossen bleiben.
Hättest Du es befürwortet, wenn euch die Abiturprüfungen erlassen worden wären und ihr euren Abschluss auf Basis eures bisherigen Notendurchschnitts bekommen hättet?
Das ist schwer pauschal zu beantworten. Einerseits kann man mit den Abiklausuren seinen Schnitt nochmal verbessern, was für manche Studiengänge durchaus wichtig sein kann. Andererseits war es in den vergangenen Wochen wirklich schwer, sich voll und ganz aufs Abi zu konzentrieren. Die Nachrichten haben sich ja immer wieder überschlagen. Erst hat man darüber diskutiert, ob das Abitur verschoben werden oder komplett ausfallen soll, dann hieß es, dass doch wieder alles nach Plan stattfinden soll. Da ist man teilweise schon aus dem Rhythmus gekommen. Es war schwierig, die Motivation fürs Lernen über den ganzen Zeitraum zu halten.
Seit vergangener Woche haben die Schulen wieder für die Abschlussklassen geöffnet. Wie war der erste Tag für dich?
Es war natürlich schön, die ganzen Leute nach den paar Wochen wiederzusehen – auch, wenn man sich nicht näher kommen konnte und wir alle Mundschutze getragen haben. Bei uns gilt auf dem gesamten Schulgelände nämlich Mundschutzpflicht.
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Würdest du sagen, dass deine Schule die Hygieneregeln und Sicherheitsmaßnahmen gut umgesetzt hat?
Weil wir uns den Schulhof mit der Realschule normalerweise teilen und die Zehntklässler gleichzeitig mit uns wieder angefangen haben, wurde der Schulhof jetzt in zwei Bereiche aufgeteilt. Alle Wege im Schulgebäude sind mit Markierungen auf dem Boden vorgegeben, in den Gängen hat man zum Beispiel auch Einbahnstraßen gebildet, damit wir nicht ineinander laufen. Bevor der Unterricht losgeht, werden wir angewiesen, uns gründlich die Hände zu waschen. Die Tische in den Klassenräumen wurden weit genug auseinander geschoben, so dass zwischen uns genügend Abstand ist. Bis jetzt hat das alles ganz gut funktioniert.
Abi ohne Mottowoche oder Abiball: Wie schlimm ist das für dich?
Darauf hat man sich natürlich schon länger gefreut. Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, welchen Anzug und welche Schuhe ich zum Abiball anziehen könnte und wollte dafür nach den Osterferien einkaufen. Aber das hat sich jetzt ja erledigt. Vor allem haben wir uns auch auf das Bäumchensetzen gefreut, das ja leider auch ausfallen muss.
Bäumchensetzen?
Ja. Traditionell ist es so, dass jeder, der sein Abi bestanden hat und möchte, ein Bäumchen bei sich zuhause in den Garten gepflanzt bekommt. Da ist die ganze Stufe unterwegs und fährt Kolonne. Dafür kaufen sich die Abiturienten und Schüler der Q1 vorher extra „Gauwagen“, also quasi wertlose Autos, die kurz vor Ablauf des TÜV stehen. Damit werden die Bäumchen transportiert. Außerdem malt man die Autos bunt an und schreibt irgendwelche Sprüche drauf – meistens, um den Rivius-Schülern nochmal eins mitzugeben (lacht). Ich habe von einigen schon mitbekommen, dass sie sich Autos gekauft haben. Das ist natürlich echt doof, weil sie jetzt auf den Kosten sitzen bleiben.
Abgesehen von den ganzen Feierlichkeiten, die jetzt ausfallen müssen: Fühlst Du dich gut auf dein Abitur vorbereitet?
Ich hatte das Glück, dass wir mit den Kursen in meinen Abifächern – Englisch, Geschichte, Mathe und Deutsch – mit dem Stoff durch waren. Für mich ist es also kein Problem, weil es nur noch Wiederholen ist. Ich weiß aber auch von anderen, dass die in ihren Kursen noch nicht alle Themen behandelt hatten, als die Schulen dann schließen mussten. Für die war es natürlich viel schwieriger, sich Zuhause neue Sachen anzueignen. Deswegen nutzen jetzt auch einige die Möglichkeit, nochmal bei den Lehrern nachzufragen, obwohl für uns der Unterricht ja eigentlich freiwillig ist.
Findest Du, dass die Schulöffnung zu früh kam?
Schwer zu sagen. Ich denke, das werden wir in ein bis zwei Wochen wissen.