Lennestadt. Mit einem Facebook-Beitrag hat Pastor Wollweber aus Lennestadt-Meggen viel Aufmerksamkeit erzielt. Wie erlebt er eine Zeit ohne Gottesdienste?
In einem sehr persönlichen Facebook-Post hat Pfarrer Ludger Wollweber aus Meggen aufgeschrieben, wie er die Vorsichtsmaßnahmen der katholischen Kirche zur Eindämmung des Coronavirus erlebt. Keine Gottesdienste, keine Erstkommunion, ein leeres Pfarrheim – die Einschränkungen sind immens.
„Nichts ist mehr wie es war, nichts ist mehr normal“, schreibt er da. „Ich habe Mühe zu realisieren, was gerade geschieht. Kann mir gar nicht vorstellen, was noch kommen mag.“ Und weiter: „Nein, ich habe keinen Urlaub ,bis auf Weiteres’. Ich möchte ihn auch gar nicht haben. Nicht jetzt. Entschleunigung ok, vielleicht hilft sie, klarer zu denken… Ich möchte präsent sein. Da, wo ich gebraucht werde.“
Innerhalb von 17 Stunden wurde der Beitrag mehr als 200 Mal geteilt, 440 Nutzer klickten auf „Gefällt mir“. Im Interview spricht der Geistliche darüber, wie er das Gemeindeleben dieser Tage erlebt, wie es zu dem Posting kam und warum es sich so stark verbreitete.
Sie haben mit ihrem persönlichen Beitrag viel Aufmerksamkeit erzielt. Haben Sie damit gerechnet?
Nein, ich war ganz überrascht. Wenn ich bei Facebook etwas schreibe, erhalte ich normalerweise 10 bis 20 Reaktionen. Mit so vielen Rückmeldungen habe ich nicht gerechnet.
Emotionale Situation in Kirchengemeinde Meggen
Was war Ihre Motivation für das Posting?
Es gab in den vergangenen Tagen viele Verlautbarungen von Kirchenseite zu den jetzt getroffenen Maßnahmen. Das sind alles notwendige Dinge, aber eine sehr technisch klingende Annäherung an das Thema. Dabei ist die Situation auch für uns Pastöre und Priester eine besondere. Wir erleben Sorgen, aber uns geht es noch gut im Vergleich zu anderen, die Existenzängste haben, die nicht wissen, wie sie die Betreuung ihrer Kinder oder Pflege ihrer Eltern hinbekommen. Diese Gedanken wollte ich aufschreiben.
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Haben Sie eine Erklärung, warum das offenbar so gut ankam?
Ich scheine damit einen Nerv getroffen zu haben. Viele haben mir geschrieben, dass ihnen diese Gedanken gut taten und dass sie ähnlich empfinden.
Die Erstkommunion wird verschoben, Trauungen werden abgesagt, auf Seelenämter wird verzichtet: Wie sehr trifft die Krise das Gemeindeleben?
Als ich am Sonntag zum Abschluss des Gottesdienstes meiner Gemeinde sagte, dass ich nicht wisse, wann wir uns an dieser Stelle wiedersehen würden, gingen die Emotionen hoch. Auch bei mir persönlich. Das ist eben eine ganz merkwürdige Situation. Als Seelsorger möchte ich trotzdem weiter präsent sein, soweit es geht. Eigentlich hätte ich zum Beispiel gerade Zeit für Besuche, die ich mir schon lange vorgenommen habe. Aber ich muss älteren Menschen auch keinen Virus ins Haus schleppen.
Über Medien und Telefon in Gemeinde präsent bleiben
Wie kann ein Priester trotzdem wirken?
Unser Personalchef sagte es: Wir müssen kreativ werden. Das geht über Medien wie Facebook, da erreiche ich ganz andere Gruppen als in den Gottesdiensten. Ich bin auch viel am Telefon, spreche mit Brautpaaren, die nach Ostern heiraten wollten oder mit Angehörigen von Verstorbenen. Ich will ihnen nah sein, auch wenn keine Kondolenzbesuche mehr stattfinden und wir stattdessen am Telefon sprechen.
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Sie bekommen in Ihrem Umfeld viel mit: Bringt diese Krise eher das Gute oder eher das Schlechte im Menschen zum Vorschein?
Ich erlebe viel Solidarität und Zusammenhalt. In Meggen plant der Schützenverein Einkaufsdienste für Senioren, in Halberbracht überlegen die Vereine gemeinsam, wie das Dorf zusammenstehen kann. Wenn ich in Geschäfte gehe, sehe ich aber auch, dass viel Egoismus unterwegs ist. Daher wage ich keine Prognose. Ich glaube aber in jedem Fall, dass diese Situation eine Chance ist, um zu erkennen, wie wichtig Vieles ist, das uns normal erscheint.
Wie kann der Glaube Menschen helfen, die in dieser Krise tatsächlich Existenzängste durchleben?
Zu wissen, dass man im Gebet nicht alleine ist, kann sehr stark helfen. In dieser Situation ist der eigene Glaube gefragt. Aber wir möchten das, so gut es geht, unterstützen.
Ostern ohne Gottesdienste für Wollweber unvorstellbar
Zwischen den Zeilen könnte man aus Ihrem Facebook-Posting herauslesen, dass Sie die Absage der Gottesdienste für falsch halten.
Nein, das ist konsequent und richtig. Manche mögen es als „gottlose Zeit“ kritisieren und sagen, dass wir gerade jetzt Gottesdienste brauchen. Aber zu Zeiten der Pest gab es Gottesdienste. Und dass damals zwei Drittel der Bevölkerung gestorben sind, konnte man auch nicht „wegbeten“. Kurzum: Ich halte die Absagen für einen notwendigen, wenn auch schmerzlichen Schritt.
Können Sie sich Ostern ohne Gottesdienste vorstellen?
Das ist eigentlich unvorstellbar. Wie ich damit umgehen werde, weiß ich noch nicht.