Hagen. Weil Trauerfeiern derzeit als Veranstaltung gelten, werden sie abgesagt. Ein Fall aus Hagen zeigt, wie schlimm das für die Angehörigen ist.
Die Welt, sagt Christian Kurrat (38), sei aus den Fugen. Seine allemal. Vor wenigen Tagen starb sein Onkel, kurz danach auch sein Großvater. „Und das alles eingebettet in eine gesamtgesellschaftliche Notlage“, sagt er. Das Coronavirus meint er, das jeden Lebensbereich derzeit verändert. Und mittlerweile auch den des Sterbens.
Am Freitag wird sein Onkel in Hagen beerdigt. Ein Jäger war er, einen Tag nach seinem 77. Geburtstag starb er im Krankenhaus. Doch der Tag der Beisetzung wird nun ein völlig anderer werden als gedacht. Denn Trauerfeiern, wie sie die Menschen kennen, zählen derzeit als Veranstaltung. Als eine, die wegendes Virus und seiner Verbreitungabgesagt werden muss. „Das wird einsam“, sagt Christian Kurrat.
Trauerfeiern nur noch unter freiem Himmel - mit den engsten Angehörigen
In der gesamten Stadt Hagen sind die Trauerfeiern in den Kapellen der Friedhöfe seit vergangenen Freitag nicht mehr möglich. Trauerfeiern sind nur noch unter freiem Himmel erlaubt – und dies auch nur unter Beteiligung der engsten Familienmitglieder. Fünf, vielleicht zehn Menschen. Mehr geht eigentlich nicht. Am Montag legten sich die Bestattungshäuser in den Stadtgebieten Arnsberg, Sundern und Meschede gemeinsam auf dieselbe Regelung fest.
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Am Freitag meldete sich das Bestattungsunternehmen bei Christian Kurrat. Es hatte viele Anrufe zu tätigen. Die Trauerfeiern der kommenden zwei, drei Wochen mussten alle abgesagt werden. „Bislang hatten alle Verständnis für die Maßnahme“, sagt Bestatter Udo Voeste in Hagen. Er ist dankbar dafür. Denn die Situation der Menschen ist schlimm genug. Nun müssen sie auch noch auf den Beistand verzichten, den sie sich gewünscht haben. „Die Gäste einer Trauerfeier tragen die Trauer in gewisser Weise mit“, sagt er. Der Schmerz wird geteilt. Er fühlt sich bestenfalls weniger schwer an oder zumindest etwas tröstlicher.
Die Trauergemeinde wird klein: vier Personen
Rund 40 Bekannte und Freunde hatte die Familie von Christian Kurrat angeschrieben und zur Trauerfeier eingeladen. Die Tante, die Frau also, die innerhalb weniger Tage ihren Mann und ihren Vater verloren hat, musste alle Gäste wieder abtelefonieren und ihnen sagen, dass das Coronavirus die Planungen durchkreuzt habe. „Ich hatte es befürchtet nachdem, was ich in Italien gesehen habe“, sagt Dr. Kurrat, der an der Fern-Universität in Hagen arbeitet. „Aber ich hatte gehofft, dass das an uns vorbeigeht.“ Geht es nicht. Zu viert werden sie nun sein am Freitag: Christian Kurrat, seine Eltern, die Tante. „Das ist eine schlimme Nachricht, aber ich halte die Entscheidung gleichwohl für richtig.“
In dieser Woche hätte das Gespräch mit dem Trauerredner sein sollen. Die Familie hätte berichten sollen, was für ein Mensch er war. Und der Trauerredner hätte das alles am Freitag für die Trauergemeinschaft wiedergegeben. Der Blick zurück auf ein Leben, auf einen Menschen. Gemeinsam. „Dem Trauerredner haben wir abgesagt“, erzählt Kurrat. „Was sollen wir vier dem was erzählen, was der uns am Freitag wieder zurückerzählt?“ Sie werden sich nun vor der Kapelle treffen, mit der Urne zum Grab gehen – und hoffen, dass die Kraft reicht.
Beisetzungsfrist nach der Einäscherung: sechs Wochen
Theoretisch wäre es auch eine Möglichkeit, noch zu warten. Die Erdbestattung muss nach zehn Tagen erfolgen. Nach der Einäscherung beträgt die Frist sechs Wochen. Aber das wolle niemand, sagen sie im Bestattungsunternehmen. Die Menschen wollen abschließen.
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„Das war für uns auch keine Option“, sagt Christian Kurrat. „Wir müssen andere Wege finden, mit der Trauer umzugehen. Vielleicht können wir die Trauerfeier irgendwann nachholen.“
Irgendwann, wenn sich die Lage beruhigt hat. Wann auch immer das sein wird. Und wie auch immer es dann sein wird. In der Welt, die aus den Fugen geraten ist. In der Welt von Christian Kurrat und seiner Familie.