Attendorn. Es hatte sich abgezeichnet: Aufgrund des Coronavirus ist das gesamte Osterbrauchtum in Attendorn abgesagt. Erstmals seit dem 2. Weltkrieg.
Hans-Josef Gerbe ist wie viele Attendorner mit Leib und Seele Poskebruder. „Das ich so etwas noch erleben muss“, schüttelt der langjährige Poskevatter der Kölner Poorte traurig den Kopf. Was viele traditionsbewusste Hansestädter längst geahnt und befürchtet haben, ist jetzt offiziell. „Es fällt alles aus“, bestätigte Geschäftsführer Dieter Hundt die Entscheidung des Vorstandes des Osterfeuervereins.
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Das betrifft das Semmelsegnen, das Aufstellen und Abbrennen der Osterkreuze und die abendliche Prozession mit den alten Lüchten am Karsonntag. Der Coronavirus und die zahlreichen Einschränkungen sorgen dafür, dass das jahrhundertealte Osterbrauchtum in Attendorn zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg ausfallen muss. Es konnte sich nach den Absagen der letzten Tage aber auch kein Poskebruder mehr vorstellen, dass sich Hunderte von Menschen dicht gedrängt vor dem Sauerländer Dom versammeln würden, um die Ostersemmel am Karsamstag von Pfarrer Andreas Neuser segnen zu lassen.
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In der offiziellen Stellungnahme des Vorstands heißt es: „Die aktuelle Situation fordert unsere gesamte Gesellschaft in einer vorher nicht bekannten Art und Weise. Auch wir als Osterfeuerverein Attendorn werden verantwortungsbewusst damit umgehen, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen bzw. zu verhindern. In knapp 200 Jahren konnten Sturm, Schnee, Regen, Trockenheit und Krieg (Ausnahme 1945) das einzigartige Osterbrauchtum in Attendorn nicht gefährden. Diese Entscheidung ist uns schwer gefallen. Das Semmelsegnen, die Osternacht, das Osterhochamt und die Osterprozession werden auf Anweisung des Erzbistums ebenfalls nicht stattfinden.“
Holzstellen abgesagt
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Das Aus für das Attendorner Osterbrauchtum hatte sich in der letzten Woche angedeutet. „Die Gefahr ist einfach zu groß“, gibt es daher für Hundt, Geschäftsführer des Osterfeuervereins und langjähriger Poskebruder der Kölner Poorte, keine Alternative zu dieser Entscheidung, die für ihn auch „keine Überraschung“ war. Die Kölner Poorte traf sich am Samstag auf dem Osterkopp, um das eine Woche zuvor gestellte Tannenholz auf zu stellen. Gerhard Roll holte dies mit dem Trecker aus dem Berg.
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Bereits Freitag sagte Alexander Tarnow, Poskevatter der Ennester Pote, das zweite Holzstellen ab und schrieb dazu auf der Homepage: „Aus gegebenem Anlass haben wir uns, in Absprache mit dem Gesamt-Vorstand entschieden, das Holzstellen abzusagen. Es wird auch kein Treffen auf dem Osterkopp geben!“
Bedauerlich, aber notwendig
Für Pfarrer Andreas Neuser, von Amts wegen 1. Vorsitzender des Osterfeuervereins Attendorn, ist die Entscheidung alternativlos. „Das ist bedauerlich, aber notwendig. Das tut uns allen in der Seele weh“, sagt der katholische Geistliche über das Aus für die Attendorner Ostertraditionen im Jahr 2020.
Beim katholischen Geistlichen stand das Telefon am Montag nicht still. Was ist mit katholischen Gottesdiensten, Erstkommunionfeiern oder Beerdigungen? Eine Tradition werden sich die Hansestädter aber wohl nicht nehmen lassen: den leckeren Kümmelsemmel, zu dem Attendorner Knochenschinken, ein Osterei und ein kühles Getränk gehören.
Bei der Waterpoote trafen sich die Poskebrüder am Samstag zum Holzstellen zwar wie gewohnt an den weißen Bänken. Dort informierte Poskevatter Daniel Köster über die aktuelle Situation und das vorläufige Aus für die Attendorner Ostertraditionen. An drei Stellen folgten danach Aufräumarbeiten und die dabei entstandenen Bürden lagern jetzt erst einmal auf dem Osterkopp. Die Stimmung war natürlich gedrückt. „Wir sind alle traurig“, berichtet Peter „Pittjes“ Höffer.
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In kleinen Gruppen wurde der Osterkopp, der Standort der Waterpoote, aufgeräumt. Das Wurstessen ließen sich die Poskebrüder aber nicht nehmen. „Wir hatten die Wurst ja bei Thomas Maiworm bestellt und haben sie heiß gemacht“, erzählt Höffer. „Mit diesem Abend ist das Osterbrauchtum bei uns zum Erliegen gekommen“, sagt der Pressewart der Waterpoote traurig.
Im Archivar nachgeschaut
Eines weiß Höffer aber genau. Sollte sich die Lage wider Erwarten kurz vor Ostern entspannt haben, packen alle mit an. „Dann nehmen sich 45 Poskebrüder frei und in zwei Tagen habe wir genug Holz für das Osterfeuer.“ Einen Satz, den wohl auch die anderen Po(or)ten sofort unterschreiben würden. Für unsere Zeitung hat Stadtarchivar Otto Höffer in seinen Unterlagen nachgeschaut. In den letzten Jahren des 2. Weltkriegs war das Abbrennen der Osterfeuer und die Prozession am Karsonntag untersagt.
Wegen drohender Fliegerangriffe galt bei Dunkelheit das Verbot, Kerzen und Lichter anzustecken. Von großen Feuern ganz zu schweigen. Bereits 1946 konnte das Osterbrauchtum in der Hansestadt wieder aufgenommen werden. „Das tut weh“, ist Stadtarchivar Otto Höffer auch als Angehöriger der Niedersten Poorte traurig über die Absage.