Bamenohl. Bwar und Hero Kurdi sind mit ihren beiden Kindern aus dem Irak geflohen. Mittlerweile leben sie in Bamenohl. Doch ihr Asylantrag wurde abgelehnt.
„Heimat ist Heimat und bleibt es auch“. Wenn Bwar Kurdi und seine Frau Hero Kurdi-Arif das sagen, dann denken sie an Sulaimaniyya, eine irakisch-kurdische Universitätsstadt. Doch wenn sie in ihrer Heimat zurückgehen, werden sie und ihre Söhne Artin (8) und Apo (5) das nicht überleben. Da sind sich beide sicher.
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Die Gerichte sehen das anders. Ihr Antrag auf Asyl wurde in letzter Instanz abgelehnt. Bis 2023 haben sie eine Beschäftigungsduldung, da Bwar Kurdi derzeit eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker macht. „Danach ist die Zukunft ungewiss“, beschreibt der Familienvater das Damoklesschwert, das über ihnen schwebt. „Vielleicht kann ich mit den Kindern bleiben, aber meine Frau soll ausgewiesen werden.“
In Sulaimaniyya führte die Familie ein Leben in der Oberschicht. Daher schmerzt es beide umso mehr, wenn sie von den deutschen Gerichten als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft werden. „Ich war Kameramann bei zwei Sendern und hatte ein kleines Unternehmen im Bereich Marketing“, erklärt Bwar Kurdi in fließendem Deutsch. Hero Kurdi-Arif arbeitete ebenfalls im Bereich Marketing. Finanzielle Sorgen waren beiden fremd. Doch dann macht Bwar Kurdi Bilder, die eine Frau in Dessous und einer Abaya zeigen. Er hatte die Gefahr, die ihm durch diese freizügigen Bilder in einer Stadt, die als offizielle Kulturhauptstadt Kurdistans und als ein Zentrum der Intellektuellen und der Kunst gilt, unterschätzt.
Sämtliche Papiere abgenommen
Die Bedrohung kam durch fundamentalistisch, islamische Gruppierungen. „Wir wurden massiv bedroht und wir mussten nicht nur uns beide, sondern auch unsere Kinder schützen“, erzählt der 38-Jährige. Die beiden Söhne waren gerade drei Jahre und elf Monate alt. So beschloss die Familie, nach Großbritannien zu gehen, wo weitere Verwandte lebten. Bwar Kurdi kaufte Flugtickets für sich und seine Familie bis in die Türkei. Von hier aus sollte es auf die Insel gehen. Doch nach der Landung in der Türkei wurden ihnen, den Kurden, sämtliche Papiere abgenommen. „Ich hatte sie zum Glück auf meinem Handy fotografiert, so dass wir uns weiter ausweisen konnten.“
Doch danach wurde die Flucht beschwerlich. Per Auto, Bus und auch zu Fuß war die kleine Familie rund eineinhalb Monate unterwegs und strandete schließlich 2015 in der Heggener Jugendherberge. Von einer Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern in ein beschauliches 2000-Seelen-Dorf. Der Kulturschock war perfekt. In Heggen trafen sie auf Birgit Dommes, die die Familie seitdem ehrenamtlich begleitet. „Ich traf auf einen völlig traumatisierten kleinen dreijährigen Artin, der kein Wort mehr sprach und nur an eine Wand schaute“, beschreibt Birgit Dommes ihren ersten Kontakt mit der Familie. „Aber ich traf auch junge Eltern, die es schaffen wollten und sofort die Sprache lernten.
Bwar lernte schnell und gut, stellte sich als ehrenamtlicher Dolmetscher beim Sozialamt zur Verfügung, machte seinen Führerschein – der aus Kurdistan wurde hier nicht anerkannt – und fand schließlich eine Ausbildungsstelle. Hero konnte wegen der Kinder den Deutschkurs nicht regelmäßig besuchen, aber auch sie spricht deutsch und trägt zum Familieneinkommen bei, indem sie in der Mensa der Grundschule und als Reinigungskraft in der Grundschule in Bamenohl arbeitet.
Großeltern jahrelang nicht gesehen
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Die Kinder sind in Bamenohl, wo die Familie seit Mai 2016 in einer eigenen Wohnung lebt, ebenfalls bestens integriert. Artin und Apo spielen beide Fußball bei den örtlichen Kickern und Artin tanzt in diesem Jahr im Karneval in der Mini-Garde mit. Kontakt zu ihrer Familie in der Heimat haben sie nur noch via Handy und Internet. Die Großeltern dort haben ihr Enkel fünf Jahre nicht gesehen. Bwar und Hero haben sich taufen lassen. Das ist ein neues Problem, wenn sie wirklich nach Sulaimaniyya zurück müssen. „Dann sind wir nicht nur wegen der Fotos, sondern auch wegen unserer Religion im Visier der Fundamentalisten“, weiß Hero, die aus einer gläubigen Muslimfamilie stammt.
Für die Familie und Birgit Dommes ist die endgültige Ablehnung des Asylantrages unbegreiflich. „Wenn eine Familie sich integrieren wollte und dieses konsequent umgesetzt hat, dann die Kurdis“ schüttelt die Helferin den Kopf. Daher wollen sie sich an die Härtefallkommission wenden. Außerdem will Hero jetzt, wo die Kinder betreut sind, einen zertifizierten Deutschkurs (B1 und B2) im benachbarten BZB in Bamenohl belegen, um doch noch Chancen zu haben, im Land bleiben zu dürfen. Doch dazu fehlt ihnen derzeit das Geld, denn mit dem abgelehnten Antrag sind auch alle Förderungen für sie in diesem Bereich gestrichen worden.