Olpe. Matthias Heider, CDU-Abgeordneter für den Kreis Olpe, über den Zustand der Koalition, der SPD – und über Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten.

Sein zehnjähriges Jubiläum als Bundestagsabgeordneter konnte Matthias Heider im vergangenen Jahr feiern – in Zeiten, in denen in der Regierung aber nur selten Partystimmung herrschte. Über den Zustand der Koalition, Probleme bei der Energiewende und eine mögliche Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz sprach er im Interview.

Der Klimawandel hat die politische Debatte zuletzt geprägt. Aktivisten haben jetzt sogar das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet, um wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz zu erzwingen. Verschläft die Bundesregierung dieses Thema?

Matthias Heider: Der Fokus der politischen Debatte hat sich in der Tat verändert. Und Klimaschutz ist wichtig. Der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist ein christliches Prinzip und Ressourcen zu schützen, gehört zwingend mit dazu. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es auch noch andere Themen gibt. Die Maßnahmen zum Klimaschutz dürfen zum Beispiel nicht auf Kosten der sozialen Sicherheit gehen. Deshalb werbe ich für nachhaltiges Wirtschaften. Wir sollten uns um ein Gesamtkonzept bemühen.

Wie soll das gelingen, wenn selbst die Unternehmen in der Region – nach einer Umfrage der IHK Siegen – kein Vertrauen mehr in die Energiepolitik der Bundesregierung haben? Schließlich soll die Energiewende einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Die Energiewende ist eine große Herausforderung, weil wir sie sehr preußisch abarbeiten. Der Anteil erneuerbarer Energien liegt schon fast bei 50 Prozent, aber wir brauchen eine verlässliche Grundlast. Und ich glaube, das hat man unterschätzt, als zum Beispiel der grundlegende Beschluss zum Ausstieg aus der Atomkraft getroffen wurde. Jetzt sind wir mit großem Aufwand dabei, Infrastruktur aufzubauen, was aber oft am Protest von Bürgern scheitert. Den muss man ernst nehmen. Aber es gibt auch Positiv-Beispiele: Für den Bau einer Hochspannungsleitung im Raum Attendorn ist ein Kompromiss gefunden worden, der schmalere Masten vorsieht. So kann es laufen.

Energiewende: Positives Beispiel in Attendorn

Sind Kompromisse auch bei der Windkraft denkbar?

Ich bin sehr für erneuerbare Energien, aber ich kann keine Windräder, die so hoch sind wie der Kölner Dom, 200 Meter vor das nächste Wohnhaus setzen. Die CDU spricht sich da sehr klar für einen Mindestabstand von 1000 Metern aus, aber die SPD trägt das Thema seit Monaten – auch rund um die Vorsitzendenwahl – mit sich herum. Bei solchen Entscheidungen, erwarten die Bürger, dass es schneller geht.

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Die Koalition aus Union und SPD stand insbesondere in der zweiten Jahreshälfte unter Druck. Gab es für Sie einen Moment, in dem Sie dachten, dass die Regierung jetzt endgültig zerbricht?

Die SPD hatte ja einige Bewerber um den Parteivorsitz, die den Stecker ziehen wollten. Diese Stimmen scheinen mir leiser geworden zu sein. Aber dass die neuen SPD-Vorsitzenden jeden Tag mit neuen Forderungen, die noch nicht einmal mit der eigenen Fraktion abgestimmt sind, durchs Land ziehen, ist natürlich nicht hilfreich. Das ist wilder Populismus und wir sollten viel eher zur Sacharbeit zurückkehren.

Wagen Sie eine Prognose, ob die Regierung bis 2021 hält?

Im zweiten Halbjahr 2020 übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Wenn wir die Koalition in dieser Phase beenden, wäre das ein schwerer Schlag für unsere Position in Brüssel. Wir haben uns für diese Zeit wichtige Ziele gesetzt. Diese Anliegen tragen die Sozialdemokraten genau wie wir.

Zufrieden mit Halbzeitbilanz der Koalition

Wie sieht Ihre Halbzeitbilanz nach zwei Jahren schwarz-roter Regierungszeit aus?

Es ist eine Menge zustande gekommen. Wir haben das Erleichterte-Rückkehr-Gesetz beschlossen, das Personal bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Richtern aufgestockt und die Meisterpflicht für zwölf Gewerke wieder eingeführt. Kommunen erhalten Milliarden für die Kindergärten und für digitale Bildung in Schulen. Die Forschungszulage ist gerade für kleine Mittelständler wie hier im Kreis Olpe ein Riesenthema. Und wir sehen einen Riesenbedarf an Fachkräften, weshalb wir den Zuzug von Arbeitnehmern erleichtert haben.

Sie haben viele wirtschaftspolitische Weichenstellungen erwähnt. Trotzdem ist die deutsche Wirtschaft zuletzt fast in die Rezession gerutscht. Warum?

Das ist eine Frage, die nicht allein national, sondern auf den Weltmärkten entschieden wird. Die Wirtschaft benötigt stabile Verhältnisse. Da dürfen wir übrigens nicht nur auf die USA gucken, sondern wir müssen auch mit China einen Weg finden.

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Wie kann dieser Weg aussehen?

Viele staatliche Interventionen in die chinesische Wirtschaft haben mit freiem Wettbewerb nichts zu tun. Das macht uns Kopfschmerzen und das werden wir auf einem Deutschland-China-Gipfel ansprechen. Außerdem respektieren sie geistiges Eigentum nicht – ein Thema, das zunehmend auch Mittelständler betrifft. Und wir müssen schauen, ob wir einem Konzern wie Huawei in den 5G-Ausbau einbeziehen und ihm damit Zugang zu kritischer Infrastruktur verschaffen.

Friedrich Merz als Kanzlerkandidat?

Die Bundeskanzlerin hat diese Entscheidung jetzt noch einmal verschoben. Wie stehen Sie zu der Frage?

Ob sie von vorneherein ausgeschlossen werden oder ob für sie dieselben Anforderungen gestellt werden wie an jedes andere Unternehmen in diesem Bereich, muss geprüft werden. Je nachdem, wie wir da entscheiden, hat das natürlich auch Einfluss auf den Zugang deutscher Unternehmen zum chinesischen Markt – und VW macht inzwischen 40 Prozent des Umsatzes in China. Wir brauchen ein Geben und Nehmen, das ordentlich organisiert ist.

Blicken wir zum Abschluss voraus: Bei der Wahl zum CDU-Vorsitz haben Sie den unterlegenen Bewerber Friedrich Merz unterstützt. In diesen Tagen bringt er sich immer wieder auch als Kanzlerkandidat ins Spiel. Wäre er der Richtige?

Die CDU ist in der guten Lage, dass Sie mehrere geeignete Kandidaten vorweisen kann. Friedrich Merz, den ich gut kenne, hat unterstrichen, dass er einen Beitrag in vorderster Front für die CDU leisten möchte. Ich glaube aber nicht, dass er den alleinigen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben kann. Wir müssen mit der bestmöglichen Aufstellung in den Wahlkampf gehen. Ich wäre sehr froh, wenn Friedrich Merz in diesem Team dabei wäre. Und ich glaube, viele Sauerländer auch.