Hagen/Siegen. Die Unternehmen in Südwestfalen sehen die deutsche Energiepolitik kritisch. In der Debatte um eine CO2-Steuer positionieren sie sich eindeutig.

Eine Steuer auf den Verbrauch von Kohlendioxid oder eine Ausweitung des Emissionshandels? Das wird derzeit in der Politik kontrovers diskutiert. Einig sind sich die Parteien aber darin, dass die Einnahmen komplett an die Privathaushalte und Unternehmen zurückfließen sollen. Nur: Diesem Versprechen trauen 91 Prozent der heimischen Unternehmen nicht.

„Wenn 9 von 10 Unternehmen nicht an eine kostenneutrale CO2-Bepreisung glauben, ist das mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der deutschen Energie- und Umweltpolitik ein niederschmetterndes Ergebnis. Weite Teile der Wirtschaft können offenbar mit dem in den letzten Jahren praktizierten Wackelkurs der Bundesregierung nichts anfangen“, kommentiert der Siegener IHK-Präsident Felix G. Hensel die zentralen Ergebnisse der Umfrage.

Erheblicher Widerstand gegen CO2-Steuer

85 Prozent der Unternehmen sprechen sich gegen weitere finanzielle Belastungen durch eine CO2-Bepreisung aus. Drei Viertel der befragten Firmen lehnen zudem nationale Alleingänge in der Klimapolitik ab. Das sind die wesentlichen Ergebnisse einer aktuellen Unternehmensumfrage der Industrie- und Handelskammer Siegen, an der sich insgesamt 444 Unternehmen beteiligten.

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Die SIHK in Hagen und die IHK Hellweg-Sauerland in Arnsberg haben parallel ähnliche Umfragen gestartet, aber die Ergebnisse noch nicht komplett ausgewertet. In der Tendenz sind die Sorgen der Unternehmen jedoch ähnliche. „Unsere Mitglieder erwarten einen Dreiklang von der Politik“, sagt Andreas Lux, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der SIHK: „eine sichere und bezahlbare Energieversorgung und ein gebündeltes Vorgehen beim Klimaschutz, nicht das dauernde Klein-Klein“. Die überraschend hohe Rücklaufquote von 27 Prozent bei der Umfrage zeige, dass es sich um ein äußerst drängendes Thema handele, so Lux.

Undurchschaubares Geflecht an Steuern und Abgaben

Die Antworten der Siegener IHK-Umfrage verdeutlichen, dass sich die regionale Wirtschaft mehrheitlich gegen eine CO 2 -Bepreisung ausspricht. Felix G. Hensel: „Zwei Drittel der Unternehmen geben an, dass eine CO2-Bepreisung nicht zielführend sei, den Ausstoß von CO2 nachhaltig zu reduzieren. Ebenfalls zwei Drittel der Betriebe sehen in ihr ein großes oder sogar sehr großes Risiko für den Wirtschaftsstandort.“

Da die regionale Wirtschaft den energiepolitischen Bekundungen aus Berlin offensichtlich nur noch sehr wenig Glauben schenkt, verwundern die Befragungsergebnisse die Kammer nicht. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Wir stecken als Staat seit Jahren unzählige Milliarden Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien, verfehlen gleichzeitig unsere klimapolitischen Ziele jedoch immer eklatanter. Mit Vernunft hat das wenig zu tun. Die Energiewende hat uns ein nahezu undurchschaubares Geflecht an Steuern und Abgaben beschert. Dieses Geflecht wird nicht dadurch besser, dass man es noch komplizierter ausgestaltet, um noch mehr Finanzmittel umverteilen zu können.“

Höhere Stromkosten gefährden Wettbewerbsfähigkeit

Es sei für die IHK daher auch nicht überraschend gewesen, dass sich fast die Hälfte (46 %) der Firmen weder für die CO 2 -Steuer noch für die Erweiterung des Emissionshandels begeistern könne. Schließlich zahle die deutsche Wirtschaft schon heute die höchsten Strompreise in Europa. Weiter steigende Stromkosten würden die Wettbewerbsfähigkeit unserer zu großen Teilen exportorientierten Unternehmen schmälern.

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Klaus Gräbener: „Wir sind dabei, den Bogen zu überspannen. Kernenergie und Kohle sind verpönt, Gas aus Russland will man auch nicht, und der Ausbau von Stromtrassen wird kraftvoll blockiert. Das alles verwirrt. Eine Klima- und Energiepolitik aus einem Guss jedenfalls ist nicht erkennbar. Effizientes und verlässliches staatliches Handeln fühlt sich anders an.“

Gefragt nach den wesentlichen Risiken, befürchtet fast jedes zweite Unternehmen (47 %), dass ein nationales Vorgehen die Wettbewerbsfähigkeit gefährden wird. Ein Drittel der Unternehmen sieht die Gefahr, dass bei einem rein nationalen Vorgehen Branchen oder Produktionszweige in Länder mit weniger strengen Auflagen verlagert werden.

Unternehmen fordern europäische und globale Lösungen

Felix G. Hensel: „Das ist eine deutliche Botschaft. Der Klimawandel ist nicht im staatlichen Klein-Klein zu bewältigen. Wir müssen hier europäische und globale Lösungen finden und auch mitfinanzieren. Notwendig sind weltweite Aufforstungsprogramme, der Ausbau der Forschungsmittel und vor allem ein international konzertiertes Vorgehen. Das bringt deutlich mehr als nationale Alleingänge, die allenfalls dazu führen, dass wir demnächst unseren Energiebedarf verstärkt aus französischen Atomkraftwerken sowie polnischer und tschechischer Kohleverstromung beziehen.“

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Von Theresa Martus und Philipp Neumann

Klaus Gräbener: „In die phasenweise beinahe hysterisch geführte Debatte muss mehr Sachlichkeit einziehen. Die jährlich allein in Brasilien vernichtete Waldfläche ist 1500 mal größer als der Hambacher Forst. Dies verdeutlicht, in welchen Themenfeldern die größten Effekte für eine verbesserte Klimapolitik zu erblicken sind.“ Der Klimawandel mache jedenfalls nicht an der Landesgrenze halt. Man benötige in der Klima-, Energie- und Umweltpolitik mehr Zeit für die Umstellung und ein besser koordiniertes staatliches Handeln.