Kreis Olpe. Stefan Spieren, Hausarzt aus Hünsborn, sieht eine alarmierende Altersstruktur bei den Ärzten im Kreis Olpe. Viele seien über 60 Jahre alt.

Die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung deuten auf eine hervorragende hausärztliche Versorgung im Kreis Olpe hin. In Attendorn liegt der aktuelle Versorgungsgrad bei 97,9 Prozent, in Olpe/Drolshagen/Wenden bei 103 Prozent und in Lennestadt/Kirchhundem/Finnentrop sogar bei 106,5 Prozent. Es scheint alles im grünen Bereich zu sein. Doch der Schein trügt.

„Da denkt man, das sind über 100 Prozent, alles ist super. Doch der Versorgungsgrad ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist die Anzahl der Ärzte über 60 Jahre“, betont Stefan Spieren, Vorsitzender des Vorstandes des Ärzteverbundes Südwestfalen und Hausarzt in Hünsborn, im Gespräch mit dieser Zeitung. Beim Blick auf diese Zahlen schlägt der Mediziner Alarm: „Es ist nicht mehr 5 vor 12, in meinen Augen ist es schon 12 Uhr.“

Situation in Wenden katastrophal

Von den derzeit in Attendorn praktizierenden 14 Hausärzten sind 8 über 60 Jahre alt. Eine Katastrophe sei die Situation in Wenden: „Von den 15 Ärzten sind 10 über 60 Jahre alt. Und zwei davon sind gesundheitlich massiv angeschlagen, so dass sie in naher Zukunft nicht mehr arbeiten können. Das bedeutet, dass es aktuell schon nicht mehr 15, sondern nur noch 13 Hausärzte in Wenden gibt.“

Auch interessant

Auch bei den Fachärzten im Kreis Olpe gebe es eine alarmierende Altersstruktur, so Spieren. Von jeweils vier HNO-Ärzten und Hautärzten sei die Hälfte über 60 Jahre alt. Besonders eklatant sei es bei den Nervenärzten, wo vier der fünf über 60 Jahre alt sind.

Keine Unterstützung der Politik

Stefan Spieren vermisst die Unterstützung aus der Politik: „Da rührt sich keiner. Auch eigene Aktivitäten der Bürgermeister gibt es nicht. Mit der einzigen Ausnahme von Attendorn.“ Die Hansestadt zahlt jedem Arzt, der sich niederlässt, 5.000 Euro. Doch unter dem Strich gehe es nicht um Geld, sondern vor allem um eine Willkommenskultur, unterstreicht der Hünsborner: „Wir müssen den Ärzten vermitteln: Wir brauchen dich, wir helfen dir. Wir müssen den Kollegen zeigen, wie schön es hier ist und welche Vorteile man hier hat. Viele kennen das Sauerland nicht, aber das ist hier die schönste Region neben München und dem Hochtaunuskreis.“

Auch interessant

Der Kreis Olpe müsse sich als attraktive Region präsentieren. Spieren denkt auch an ein Schild an der Autobahn: „Da könnte drauf stehen: Hier beginnt das Land, wo wir Ärzte fördern und Hilfestellung leisten.“ Jetzt auf Ärzte zu bauen, die nach dem Abitur mit Studium und Weiterbildung zum Hausarzt noch zehn Jahre benötigen, bringe bei der derzeit prekären Situation nichts.

Ärzte aufs Land locken

Man müsse jetzt auch versuchen, Ärzte aus Krankenhäusern in Köln oder Dortmund aufs Land zu locken: „Wir müssen sie überzeugen mit der hohen Lebensqualität hier, der Natur und der verkehrsgünstigen Lage.“ Der Mediziner aus Hünsborn weist in diesem Zusammenhang auch auf das Leader-Projekt „UnternehmensWertArzt“ (UWA) im Kreis Olpe hin. „Die Politik zeigt auch hier keine selbstständigen Aktivitäten“, sagt Spieren. Und: „Nur die Ärzte haben sich darum gekümmert, dass es besser wird. Nur die.“

Die Situation mit der ärztlichen Versorgung im Kreis Olpe werde sich zuspitzen, so Stefan Spieren: „Die älteren Kollegen machen noch Teilzeit, aber das kann man nicht mit einplanen. Je älter eine Praxis wird, desto schwieriger ist die Übernahme durch einen jüngeren Kollegen. Das wird jetzt monatlich schlimmer. Die Wartezeiten verlängern sich überall. Es gibt auch keine medizinischen Fachangestellten mehr.“

Weiterbildungsassistenten

Immerhin gebe es derzeit acht Weiterbildungsassistenten in der Allgemeinmedizin im Kreis Olpe, vier davon in Wenden. Nach zwei Jahren in der Praxis sind diese fertige Hausärzte. Zwei würden auf jeden Fall in Wenden bleiben, die anderen beiden im nächsten und übernächsten Jahr wohl auch. „Die Situation ist dann aber immer noch schlecht“, so Stefan Spieren.

Eine Entwicklung steht für den Allgemeinmediziner aus Hünsborn fest: „Das wird in den nächsten Jahren weiter kippen. Wir werden weniger Ärzte haben. Wir brauchen mehr Assistenzpersonal, um vor allem auch Hausbesuche abzudecken.“