Lennestadt/Kirchhundem. Hilfeschrei eines Waldbauern: Karl Heinz Kaiser protestiert gegen die NRW Landespolitik. Windräder im Wald müssten möglich sein.

Karl Heinz Kaisers Stimmungslage an diesem brütend-heißen Nachmittag als besorgt zu bezeichnen, ist untertrieben. In der Stimme klingt eine gehörige Portion Wut durch.

Das Ausmaß des Waldsterbens in Olpe

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    Nicht verwunderlich, dass der Waldbauer aus Kirchhundem-Hofolpe kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um die Problemlage seiner Branche geht: „Das ist eine Katastrophe auf Raten, aber von der Größenordnung noch schlimmer als Kyrill“, sprudelt es aus ihm heraus. „Wir Waldbauern stehen an der Wand, wissen momentan kaum noch, den Problemen Herr zu werden.“ Die meisten seiner Kollegen, so Kaiser, „denken wie ich.“ Das

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    seitens der Landesregierung besänftigt Kaiser nicht: „Das ist lächerlich. Die Waldbauern in NRW brauchen jetzt schnelle unbürokratische Hilfe, Flächenprämien wie in der Landwirtschaft. Mindesten 150 Euro pro Hektar.“ Bei rund 600.000 Hektar Privatwald in NRW wären das rund 90 Millionen Euro. Daran werde deutlich, welche Größenordnung nötig sei.

    Im Stich gelassen

    Karl-Heinz Kaiser vor über 100 Jahre alten Fichten: Der Borkenkäfer macht ihnen den Garaus. 
    Karl-Heinz Kaiser vor über 100 Jahre alten Fichten: Der Borkenkäfer macht ihnen den Garaus.  © WP | Josef Schmidt

    Kaiser spricht nicht nur von der extremen Trockenheit, die den Borkenkäfer im Schlepptau habe. Auch die Rehwild-Population sei spürbar zu stark: „Was neu angepflanzt wird, ist manchmal im nächsten Jahr schon wieder abgefressen. Die Rehe sind teilweise in der Lage, die Drahthülsen anzuheben, und dann kann ich wieder von vorne anfangen.“ Auch vor den Buchen mache die Situation nicht mehr halt.

    Windrad-Pachteinnahmen hilfreich

    „Wenn die Landesregierung uns wenigstens finanziell beim Gatterbau helfen würde, die man um ganze Bestände zieht.“ Viele seiner Kollegen dächten wie er: „Wir fühlen uns im Stich gelassen.“ Zu alledem werde dann von Schwarz-Gelb auch noch ein Landesentwicklungsplan beschlossen, der Windräder im Wald verhindern solle: „Solche Pachteinnahmen wären für den einen oder anderen von uns wenigstens ein Rettungsring. Ein Ausgleich für die riesigen wirtschaftlichen Verluste durch die Katastrophe im Wald.“

    Ostwind AG plant sieben Windräder

    Kaiser, viele Jahre selbst für die CDU unter anderem im Gemeinderat Kirchhundem, ist von der Landesregierung bitter enttäuscht. Ministerpräsident Laschet und sein Koalitionspartner Pinkwart proklamierten, die erneuerbaren Energien stärken zu wollen: „Und dann wird so ein Landesentwicklungsplan beschlossen, der die Windenergie im Wirtschaftswald behindert. Das ist für mich Volksverdummung.“

    Ritter (CDU): „Wald-Konferenz im November“

    Jochen Ritter, CDU-Landtagsabgeordneter für den Kreis Olpe, sagt zur Situation der Waldbauern: „Im Landtag hat die Koalition aus CDU und FDP bereits im Herbst 2018 für eine Million Euro zusätzlich gesorgt sowie für Erleichterungen beim Einschlag, der Lagerung und der Abfuhr von Holz, um den Schwierigkeiten, mit denen die Forstwirtschaft zu kämpfen hat, zu begegnen.

    Gleichzeitig hat Landesumweltministerin Heinen-Esser (CDU) auch ein neues Waldbaukonzept vorgelegt, dessen Umsetzung der Landesbetrieb Wald und Holz mit Rat und Tat unterstützt. In 2019 stehen bisher den Waldbauern in NRW 6,2 Mio. € zur Bewältigung der Kalamität und rund 4 Mio. € zur Aufforstung zur Verfügung.

    In Anbetracht des Ausmaßes der Herausforderungen, von der sich Ministerpräsident Armin Laschet unlängst im Königsforst bei Köln einen Eindruck verschafft hat, wird die Landesregierung die Mittel für die Aufforstung auf 10 Millionen Euro mehr als verdoppeln.

    Wie es weiter geht, soll im November auf einer Wald-Konferenz erörtert werden. Im Übrigen soll die Ökosystemleistung des Waldes in der bundesweiten Debatte über CO2-Bepreisung stärker Berücksichtigung finden als bisher.“

    Dabei verschweigt er nicht, selbst unmittelbar betroffen zu sein. Das Windenergie-Unternehmen Ostwind AG plane sieben Windräder - unter anderem an der Hohen Bracht Richtung Einsiedelei, auch auf seinen Grundstücken. Mit Ostwind habe er einen Gestattungsvertrag geschlossen. Was daraus werde, stehe jetzt wohl in den Sternen. Für Kaiser ein Unding: „Gerade im Sauerland kann man Windräder viel besser verstecken, als im Flachland.“ Ein Beispiel: „Wer durch das Lennetal nach Winterberg fährt, bemerkt die drei Anlagen auf der Stöppel gar nicht.“ Auch sei der Waldverbrauch für Windenergieanlagen vergleichsweise gering.

    Kritik an Forstreform

    Ein weiteres Thema, das die privaten Waldbauern in der derzeitigen Krise hart treffe, nennt Kaisers Kollege Karl Josef Patt, Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Flape-Hofolpe-Würdinghausen: „In dieser Situation auch noch die Forstreform umzusetzen, ist eine zusätzliche Belastung für die Forstbetriebsgemeinschaften.“ Gemeint ist der Wegfall der Betreuung der privaten Waldbauern durch die NRW-Forstämter aus kartellrechtlichen Gründen.

    60 Prozent weniger Ertrag

    Auch Buchen sind von Trockenheit und Rehwildpopulation betroffen.
    Auch Buchen sind von Trockenheit und Rehwildpopulation betroffen. © WP | Josef Schmidt

    Kaiser, selbst im Hauptberuf Förster, hat zu unserem Treffen nicht nur seine Wut im Gepäck, sondern auch jede Menge Fakten. Wir stehen vor sechs gefällten Fichten seines Bestandes unweit der Bergkuppe an der Hohen Bracht. Die Bäume sind zum Teil älter als 100 Jahre. Etwa 35 Meter lang. Kaiser rechnet vor: „ Ein Stamm bringt etwa drei Festmeter Holz. In normalen Zeiten 90 Euro pro Festmeter, also rund 270 Euro.“ Ziehe man die Erntekosten ab, blieben etwa 200 Euro. Momentan sehe die Rechnung aber ganz anders aus: Durch das extreme Überangebot des geschädigten Waldes liege der Ertrag für die gleiche Menge Holz bei gerade einmal 90 Euro pro Festmeter. Kaiser: „Ein Verlust von 60 Prozent. Das können wir nicht verkraften.“

    Aufforstung kostenintensiv

    Wer die Flächen der gefällten Käferfichten anschließend mit Baum-Sorten aufforsten wolle, müsse pro Hektar zwischen 3000 und 5000 Euro kalkulieren. Und dann dauere es gut 30 Jahre, bis mit ersten Erlösen zu rechnen sei. Der erboste Waldbauer zieht die Schultern hoch: „Das geht nur, wenn ich in die Kriegskasse greife. Wir Waldbauern legen derzeit drauf.“ Denn die Fixkosten blieben die gleichen: Grundsteuer, Waldbrandversicherung, Beiträge für die Forstbetriebsgemeinschaften. und so weiter. „Unterm Strich sind das für mich etwa 1200 Euro im Jahr.“ Für einen Bestand von rund 65 Hektar. Und eine Alternative, die befallenen Fichten zu fällen, gebe es nicht: „Ich bin in meinem gesamten Bestand ständig am Holz hauen. Die Holztransporter sind hoffnungslos überlastet, die Sägewerke platzen aus allen Nähten.“

    Wald erfüllt Aufgaben zum Nulltarif

    Dass die Politik unzureichend reagiere, ist für Kaiser völlig unverständlich. Vor allem, da momentan jeder den Klimaschutz vor sich hertrage. Wer Wald bewirtschafte, leiste viel für die Allgemeinheit: „Wir fördern mit unserem Wald den Tourismus und halten die Luft sauber. Ein Hektar Wald bindet pro Jahr 10 bis 12 Tonnen CO 2. Da kriegen wir nix für.“