Kreis Olpe/Siegen. Mehrere tausend Busfahrer fehlen in der ganzen Republik. Gerhard Bettermann (VWS) und Jörg Mühlhaus (Wern-Group) erklären die Hintergründe.

„Es gibt keine Maikäfer mehr“ sang Liedermacher Reinhard Mey 1974, als er den Rückzug der Natur bedauerte. Omnibusunternehmer könnten in diesen Zeiten einen ähnlich bedauernden Slogan intonieren: „Es gibt keine Busfahrer mehr.“

Auch interessant

„Wir brauchen dringend Nachwuchs, junge Menschen, die sich für unseren Job interessieren“, sagt Gerhard Bettermann (61), Betriebsleiter der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS), mit dem wir uns beim Kraftverkehr Olpe (KVO) In der Trift in Olpe treffen. Mit dabei der Geschäftsführer des KVO Olpe, Jörg Mühlhaus (35), Enkel des Unternehmens-Chefs Klaus-Dieter Wern (74) und dessen designierter Nachfolger an der Spitze der Wern-Group.

Bald fehlen bundesweit 10.000 Busfahrer

Beide sind selbst gelernte Busfahrer und kennen die aktuelle Misere nur zu gut: „Momentan fehlen bundesweit rund 2.000 Busfahrer, aber in wenigen Jahren, so Berechnungen unseres Branchenverbandes, werden es 10.000 sein“, sagt Bettermann. Die Gründe dafür seien vielfältig. Einer liege aber ganz deutlich auf der Hand: „Sehr viele unserer Fahrer haben ihren Lkw-Führerschein bei der Bundeswehr gemacht. Diese wesentliche Quelle ist weg.“ Denn der Schritt vom Lkw-Fahrer zum Busfahrer sei nur noch ein kleiner. Was Bettermann mit Zahlen unterlegen kann: „Ich habe in den 80-er Jahren meinen Omnibus-Führerschein noch für 430 D-Mark gemacht.“

Was ein Busfahrer-Azubi verdient

Die Wern-Group von Unternehmens-Chef Klaus-Dieter Wern ist das Mutter-Unternehmen, zu der unter anderem die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd gehören, aber auch die Gesellschaften Kraftverkehr Olpe und Kraftverkehr Alchetal.

Busfahrer-Auszubildende erhalten im ersten Lehrjahr eine tarifliche Vergütung von 553 Euro, im zweiten Jahr 610 Euro, im dritten 681 Euro. Ein Busfahrerlohn bewegt sich grob geschätzt um die 3.000 Euro brutto - inklusive der Zuschläge.

Problem: In der Industrie werden höhere Löhne gezahlt. Realistischer Vergleich: Stundenlohn Busfahrer: 14.50 Euro, Staplerfahrer Industrie: 17,50 bis 18,50 Euro.

Und heute? Jörg Mühlhaus grinst: „Da liegen wir bei etwa 10.000 bis 14.000 Euro.“ Für Quereinsteiger nahezu unbezahlbar: „Das geht nur über eine Förderung der Arbeits-Agentur oder der Rentenversicherungsanstalt im Rahmen von Umschulungen.“

Dreijährige Ausbildung

Der direkte Weg auf den „Thron“ hinter dem großen Lenkrad ist die ganz reguläre dreijährige Ausbildung in einem Busunternehmen. Offizielle Berufsbezeichnung: „Fachkraft im Fahrbetrieb“. In den Unternehmen sucht man händeringend Nachwuchs: „Bei der VWS haben wir ein Durchschnittsalter der Busfahrer von 58 Jahren“, hat Bettermann ausgerechnet.“ „,Im Mutter-Unternehmen Wern-Group, das rund 300 Fahrer beschäftigt, liegt es bei etwas über 50 Jahren“, fügt Mühlhaus hinzu. Da seien Engpässe vorprogrammiert. Und der Ausfall von Buslinien, wie es zuletzt mehrfach vorgekommen sei. Und das nicht nur im Siegerland. Der zunehmende Berufs-Stress mache den Fahrern zu schaffen. Massen-Krankmeldungen seien die Folge. Bettermann hat zahlreiche Medienberichte ausgedruckt und mitgebracht - aus Göttingen, Saarbrücken, Bonn, Aachen, Lübeck, Pforzheim oder Regensburg. Über alle das gleiche Bild. Jörg Mühlhaus, der die Wern-Group einmal übernehmen wird, denkt an die Zukunft: „In den nächsten sieben Jahren werden allein bei der VWS etwa 80 Busfahrer in den Ruhestand gehen, in der Wern-Gruppe 140.“ Im Klartext: Irgendwo müssen neue her.

Bleibt die Kardinalfrage: Warum wollen so wenig junge Menschen Busfahrer werden?

Betriebsstelle der Kraftverkehr Olpe GmbH In der Trift: Rund 40 Busse gehören zum Inventar.  
Betriebsstelle der Kraftverkehr Olpe GmbH In der Trift: Rund 40 Busse gehören zum Inventar.   © WP | Josef Schmidt

Bettermann resümiert den gesellschaftlichen Wandel der vergangenen drei Jahrzehnte „Ein Problem wird zunehmend das Benehmen mancher Fahrgäste, der mangelnde Respekt. Das erhöht den Stress.“ Beleidigung, Bedrohung, handfeste Übergriffe - und Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr anderer Autofahrer. „In den 80-ern war ein Omnibusfahrer eine Respektsperson. Das ist leider vorbei.“ Hinzu komme ein wirtschaftlich bedingter Zeitdruck, kürzere Pausen und so weiter.

Dennoch gebe es gerade jetzt einen Silberstreif am Horizont: „Wir haben zum 1. August 10 neue Auszubildende bei uns an Bord.“ Ein erheblicher Zuwachs und sicherlich ein Erfolg der Werbebemühungen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund seien dabei. Was aber in der Branche ohnehin an der Tagesordnung sei: „Von den etwa 300 unserer Fahrer hat die Hälfte einen Migrationshintergrund“, sagt Mühlhaus.

Auch die Chefs fahren noch

Was sind die positiven Seiten des Jobs, was muss ein Busfahrer-Azubi mitbringen, welche Fähigkeiten sind wünschenswert, fragen wir Bettermann?

„Omnibusfahrer haben einen krisensicheren Job. Mit geregelten Arbeitszeiten. Bei der Wern-Gruppe bedienen sie Fahrzeuge auf hohem Qualitäts-Niveau. Kein Tag ist wie der andere, man hat mit Menschen zu tun. Es ist eigentlich ein sehr schöner Beruf.“ Wer Busfahrer werden wolle, „muss das auch wollen. Spaß am Fahren haben, an der Technik. Ein Überzeugungstäter.“ Bettermann, Mühlhaus, aber selbst Unternehmens-Chef Klaus-Dieter Wern setzen sich immer noch dann und wann hinters Lenkrad: „Damit wir nicht aus der Übung kommen“, grinst Bettermann.