Wenden/Siegen. . Therapie vor Strafe. Staatsanwalt fordert acht Jahre wegen Mordes. Gutachter sieht Persönlichkeitsstörung bei jungem Angeklagten
Hinter verschlossener Tür plädierten am Dienstag vor dem Siegener Jugendschwurgericht Staatsanwalt, Verteidiger und Nebenklage im Fall des getöteten Schülers von Wenden. Nach Informationen der WESTFALENPOST hat Staatsanwalt Reiner Hoppmann für den 15-Jährigen, der gestanden hatte, Ende Oktober 2018 seinen Mitschüler (16) in Wenden erwürgt zu haben, acht Jahre Jugendstrafe wegen Mordes und eine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie beantragt. Dabei gilt das Prinzip: Therapie vor Strafe. Das bedeutet, dass der 15-Jährige direkt in die Psychiatrie käme. Dabei ist nach Recherchen unserer Zeitung von einem mehrjährigen Aufenthalt in einer Klinik auszugehen. Falls er dann von den Ärzten als geheilt eingestuft würde, könnte der junge Angeklagte in die Freiheit entlassen werden.
Dringender Behandlungsbedarf
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Die Weichen für eine solche Unterbringung in der Jugendpsychiatrie hatte Prof. Dr. Johannes Hebebrand in seinem Gutachten im Prozess gestellt. Der renommierte Ärztliche Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Klinik der Universität Duisburg-Essen nimmt an dem nicht-öffentlichen Prozess ebenso teil wie ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe des Kreises Olpe. Bei dem grauenvollen Verbrechen hatte der Angeklagte gerade die Strafmündigkeit (14 Jahre) überschritten. In der Beweisaufnahme war Prof. Dr. Hebebrand zum Schluss gekommen, dass die Unterbringung in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist. Er hatte bei dem jungen Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Es gebe dringenden und umfangreichen Behandlungsbedarf für den jungen Mann.
Urteil am 13. Juni
Nach diesem Gutachten des erfahrenen Jugendpsychiaters deutet für den 15-Jährigen, der derzeit in der Jugendstrafanstalt Wuppertal-Ronsdorf inhaftiert ist und von dort aus mit dem Gefangenen-Transport zu den Prozesstagen nach Siegen gebracht wird, nun alles auf eine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie hin.
Auch Verteidiger Martin Kretschmer plädierte für die Unterbringung seines Mandanten in der Psychiatrie. Er forderte sechs Jahre Jugendstrafe wegen Totschlags. Die Vertreterin der Nebenklage schloss sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an.
Das grausame Verbrechen, das die Menschen tief erschüttert und für Fassungslosigkeit gesorgt hatte, hatte der bei der Tat noch 14 Jahre alte Angeklagte beim Haftrichter gestanden. Auch im Prozess räumte er in einer von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung ein, dass er der Täter war.
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Der Angeklagte war in den Mitschüler (16) verliebt gewesen. Er wollte mehr als nur Freundschaft, sondern eine Beziehung. Die nicht erwiderte Liebe war wohl das Motiv für die Tat. Einige Tage vor dem 30. Oktober 2018 hatten die beiden verabredet, den Unterricht zu schwänzen und sich bei der Gesamtschule Wenden zu treffen. Dann gingen sie in den Wald, wo es zum Streit kam. Der von der Statur her wie ein 18-Jähriger wirkende Angeklagte soll dann solange mit bloßen Händen gewürgt haben, bis der 16-Jährige tot war und die Leiche etwas weiter im Wald abgelegt haben. Die Anklage habe sich bei der Beweisaufnahme vor Gericht bestätigt, so Staatsanwalt Hoppmann in seinem Plädoyer. Allerdings forderte er im Gegensatz zur Totschlag-Anklage eine Verurteilung wegen Mordes, da sich im Laufe der Beweisaufnahme ein Mordmerkmal herauskristallisiert habe.
Das Urteil wird am Donnerstag, 13. Juni, um 15 Uhr gesprochen.