Siegen/Olpe/Lennestadt. . Ein 69-Jähriger aus dem Kreis Olpe sitzt auf der Anklagebank. Verteidiger Klaus Söbke lässt psychiatrisches Gutachten erstellen.

Geduckt wie ein Unschuldslamm sitzt der Angeklagte vor der Ersten Großen Strafkammer im Siegener Landgericht und versichert Richterin Elvira Dreisbach: „Ich habe mich wirklich gebessert.“ Wenn er das schon vor längerer Zeit getan hätte, kontert die Richterin, „säßen wir wohl jetzt nicht hier.“

Momentaufnahme aus einem Prozess, der in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche, ja seltene Begleitumstände für die Prozessbeobachter bereithält. Denn der kleine Mann mit breitem Scheitel und dicken Brillengläsern, der sich wegen schwerem Drogenhandel mit Waffenbesitz verantworten muss, ist bereits im Opa-Alter von stattlichen 69 Jahren. Ebenso nicht alltäglich ist die Forderung von Staatsanwalt Moritz Faßbender, der nach der vorerst abgeschlossenen Beweisaufnahme in seinem Plädoyer eine Haftstrafe von acht Jahren gefordert hatte. Eigentlich eine Schublade, in die die Justiz nur bei ganz schweren Jungs greift.

Psychiatrisches Gutachten im Blickpunkt am 7. Juni

Klarheit über die seelische Verfassung des Angeklagten während seiner Drogengeschäfte soll jetzt ein psychiatrisches Gutachten von Dr. Thomas Schlömer (Schmallenberg) bringen. Im Blickpunkt steht u. a., wie sehr der Angeklagte vom eigenen Drogenkonsum beeinflusst war. Nächster Verhandlungstag: 7. Juni, 9.30 Uhr.

Wer den stadtbekannten Angeklagten kennt, und das sind nicht wenige Beamte von Polizei und Justiz, dürfte ihn eher als kriminelle Nervensäge einstufen. Weniger als Schwerverbrecher.

Kleines Waffen-Arsenal

Dass die Anklage ihn jetzt als solchen einstuft, hat jedoch einen Grund: Der vermeintliche Drogen-Dealer hatte ein kleines persönliches Waffen-Arsenal in seiner Wohnung gebunkert, als die Polizei für die Hausdurchsuchung Mitte November 2018 anklopfte. Gefunden wurden unter anderem eine Gaspistole, allerdings ohne Munition, ein Baseballschläger, Reiz-Gas und ein aus Kabeln selbst gebasteltes Schlagwerkzeug. Darüber hinaus stattliche 180 Gramm Amphetamine, 100 Gramm Marihuana und 20 Gramm Kokain. Vor dem Gesetz also keine „geringe Menge“. Werden Waffen als Instrumente gewertet, mit deren Hilfe der Täter seinen Drogenhandel schützt, schnellen die „Preise“ im Strafrecht in die Höhe: Mindeststrafe 5 Jahre.

Verteidiger Söbke ist allerdings sicher: „Diese Waffen haben lediglich der Selbstverteidigung gedient.“ Polizeibeamte hätten einige dieser Gegenstände bei früheren Durchsuchungen schon entdeckt und sie nicht mal einkassiert.

Seit 1969 auf der schiefen Bahn

Dennoch: Der in Heggen geborene fast 70-Jährige ist mehr als sein halbes Leben auf der schiefen Bahn unterwegs. Seine Karriere jenseits der Legalität begann bereits Ende der 60-er Jahre, und die Straftaten, die bislang 38 Einträge im Bundeszentral-Register hinterlassen haben, sorgten bei Polizisten, Staatsanwälten und Richtern für so manche Überstunde. Als da wären: Einbrüche, Betrügereien, Diebstahl, schwere Körperverletzung, Urkundenfälschung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Trunkenheitsdelikte. Summa Summarum waren dafür mehrere Jahre hinter Gittern fällig, in U-Haft sitzt der Mann aktuell seit November 2018.

Interessant: Ins Drogen-Milieu war der Angeklagte erst auf seine alten Tage abgerutscht, im Jahr 2012. Verteidiger Söbke hebt hervor: „Er ist erst zweimal einschlägig vorbestraft.“ Zudem gehe es stets um „weiche Drogen“ und auch darum, den offenbar erheblichen Eigenkonsum zu befriedigen.

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Im Zeugenstand hatte der Angeklagte zum Besten gegeben, dass er seine chronischen und starken Rückenschmerzen mit Marihuana und Co. habe erträglich gestalten wollen. Die Drogen gebe er zum Selbstkostenpreis weiter, um auch anderen seine quasi therapeutische Rezeptur zuteil werden zu lassen.

Von wem er mit Drogen versorgt werde, war die logische Frage der Strafverfolgungsbehörden? Eine Antwort, die dem 69-Jährigen sicherlich strafmildernd angerechnet worden wäre, blieb er schuldig.