Herdecke. Vom Hörsaal in die Backstube: Hanna Badr hat ihr Studium aufgegeben. Sie will Konditorin werden. Ausbildung im Herdecker Café Wenning.
Fein säuberlich zerteilt Hannah Badr die Birnen in Stücke. Vor dem Schneidebrett liegen die Tortenringe in Blütenform, akkurat gefüllt mit Bananen-, Kiwi- oder auch Ananasstückchen. Noch vor einigen Monaten hat die 26-Jährige in einem Hörsaal gesessen und einer Geschichtsvorlesung gelauscht. Doch die Duisburgerin hat Theorie gegen Praxis getauscht, die Uni gegen die Backstube: Seit August absolviert Hanna Badr im Herdecker Traditionscafé Wenning eine Ausbildung zur Konditorin.
Etwas Handfestes
„Ich wollte etwas Handfestes machen“, erzählt die junge Frau, die mit vollem Namen Hanna Abd El Moety Aly Badr heißt. Ihre lockigen Haare hat sie unter einem bunten Tuch zurückgebunden, in ihrer Nase steckt ein Piercing. Philosophie und Geschichte hat sie studiert, beides Fächer, die sie „richtig gut fand“. Aber noch mehr Spaß habe ihr der Nebenjob in einem Café gemacht. „Backen fand ich schon immer klasse“, erzählt Hanna Badr. Mit der Oma habe sie immer gebacken, der Vater sei Koch. „Meine Entscheidung, auch beruflich in diese Richtung zu gehen, hat keinen überrascht“, sagt sie.
Start am Obstposten
Eine Umstellung war der Wechsel vom Uni-Leben ins Handwerk aber schon: „Mit dem Job im Café ist das natürlich nicht zu vergleichen.“ Hanna Badr muss schmunzeln. Die Flexibilität des Studentenlebens vermisst sie schon manchmal. Und auch an das frühe Aufstehen musste sie sich gewöhnen. „Zum Glück wohne ich ganz in der Nähe“, erzählt die junge Frau, die ihren Wohnort mit der Ausbildungsstelle von Duisburg nach Herdecke verlegt hat. „Das macht es leichter.“ Gegen 6.45 Uhr beginnt ihr Arbeitstag in Herdeckes bekanntester Konditorei. Dann zieht sie sich um und geht an den Obstposten zum Schälen und Schnibbeln. „Da bin ich noch nicht so fix, wie ich gerne wäre“, erzählt Hanna Badr, während sie zu einer Kaki greift, um die Obsttorten für den Tag „auszudekorieren“, wie es heißt.
„Bei der Ausbildung fangen wir bei den Basics an“, erklärt Konditormeister Guido Behrens, Inhaber des Café Wenning. Wie verarbeitet man Früchte? Welches Obst hat Saison? Wie „arbeiten“ Zutaten miteinander? „Wissen ist Macht“, betont Behrens. Erst, wenn man die Grundlagen kennt und versteht, „kann man den Beruf gestalten“, ist er überzeugt. „Sonst ist man nur Anwender.“
Mit wenigen Zutaten viel kreieren
Gestalten, mit Lebensmitteln arbeiten und verstehen, wie sie aufeinander reagieren – das möchte auch Hanna Badr. „Ich finde es toll, mit nur wenigen Zutaten so viel kreieren zu können“, erzählt sie und lacht. Sie weiß aber auch, dass die Tätigkeit in der Backstube kein Zuckerschlecken ist. „Es ist harte körperliche Arbeit: Man trägt und steht viel, ist den ganzen Tag auf den Beinen.“ Ganz anders als es zurzeit in den sozialen Medien gezeigt wird und „trendet“, wie die 26-Jährige erzählt. „Da wird eine Traumwelt kreiert und Backen sehr romantisiert.“
Unternehmenspass Café und Konditorei Wenning
Mitarbeiter: 11 (zzgl. Aushilfen)
Standort: Herdecke
Arbeitszeit: 7 bis 15.30 Uhr
Arbeitsplatz: Backstube
Tarif: nein
Kooperationen: keine Angaben
Benefits: keine Angaben
Weiterbildungen: keine Angaben
Die angehende Konditorin schüttelt den Kopf. Wer mit falschen Vorstellungen in den Beruf einsteigt, könnte schnell abgeschreckt werden. „Auch in meinem Umfeld gehen einige, sie brechen die Ausbildung ab“, weiß Hanna Badr, die in der Berufsschule in Bochum mit anderen zukünftigen Bäckern und Konditoren lernt. „Die körperliche Arbeit ist für viele nichts“, vermutet die 26-Jährige. Und von den Geisteswissenschaften ins Handwerk zu wechseln, könne sie auch nicht jedem empfehlen. „Dieser Wechsel ist schon wild“, findet die Auszubildende. „Es ist wichtig, ein Grundinteresse zu haben und sich wirklich dahinterzuklemmen.“
Der Traum vom eigenen Café
„Man braucht viel Leidenschaft, Ausdauer und im wahrsten Sinne des Wortes Stehvermögen“, bestätigt auch Guido Behrens, der mit Hanna Badr nach der Corona-Zeit wieder eine Auszubildende angestellt hat. Zweieinhalb Jahre lang wird sie noch in Herdecke lernen, mit dem Chef und drei weiteren Kollegen in der Backstube stehen. Und danach? „Ich weiß noch nicht, wohin es mich dann führt“, sagt sie. Ein kleines „Luftschloss“, das sie in Gedanken immer wieder mal baut, ist ein eigenes Café. Dafür möchte sie dann gerne „präzise und schöne Torten herstellen“.
Lecker und schmackhaft
Schon jetzt macht ihr das sogenannte Torteneinsetzen viel Spaß. „Bei diesem Anbringen der Tortenschicht muss man sehr akkurat arbeiten“, betont die 26-Jährige. Dabei mag sie es, wenn es ohne viel Firlefanz und Schnörkel gehe. Hanna Badr lächelt. Sie setzt eher auf bodenständige Sachen, „die nach was schmecken und nicht nur gut aussehen.“ Auf Möhrenkuchen zum Beispiel. „Es geht einfach nichts über einen guten Möhrenkuchen“, sagt sie, strahlt bei dem Gedanken – und greift zum nächsten Stück Obst.