Wetter/Herdecke. Fahnen, Tröten, Jubel: Begeisterte Zuschauer feuern die Radrennprofis auf der dritten Teiletappe der Deutschland-Tour lautstark an.
Die dritte Etappe der Deutschlandtour, die auch durch Herdecke und Wetter führte, lockte am Samstag viele Hundert Fans vor ihre Häuser in den beiden Ruhrstädten. Besonders begehrte Plätze befanden sich dabei am Straßenrand der Voßhöfener Straße in Wetter.
„Der Anstieg hier macht es interessant“, sagt ein Fan in Radbekleidung, der gerade selbst noch die Strecke gefahren ist und mit seinen Freunden auf die Profis wartet. Der Anstieg dort sei „unangebracht steil“ scherzt er weiter. Bereits nach der Abbiegung von der Oberwengerner Straße beginnt sich die Straße in Richtung Sprockhövel zu erheben. Der kontinuierliche Anstieg reicht dann gut und gerne bis zur Ortsdurchfahrt Voßhöfen.
Voßhöfen grüßt die Deutschland-Tour
Ganz am Anfang des Berges stehen die Familien Bartelworth und Voswinkel mit ihrem selbstbemalten Banner „Voßhöfen grüßt die Deutschland-Tour“. „Wir sind extra zu Besuch bei der Oma“, sagt Maik Voswinkel. Martin Bartelworth ergänzt: „Wir hatten ein schönes Kaffeetrinken und jetzt freuen wir uns auf die Radfahrer. Ich glaube, das gibt es nur einmal im Leben, dass die so nah hier vorbeifahren.“
Fan-Schilder und Kreide-Bilder
Viele Wetteraner hatten sich zum gemeinsamen Grillen und Radsport gucken verabredet: „Meine Frau hat gesagt, da machen wir ein Dorffest draus“, sagt Peter Küper, der im Dorf in Voßhöfen wohnt und früher selbst sehr guter Amateurfahrer war. Viele Deutschlandfahnen, Fan-Schilder und Fahrräder zieren die kleine Dorfdurchfahrt. Auch Pavillons mit Bierbänken und Tischen sind aufgebaut worden. Die Straße ist mit Kreide bemalt. Ein paar Häuser weiter freut sich die ehemalige Profi-Radfahrerin Rosemarie Schulte-Rhade, dass die Profis gleich vorbeikommen. „Ich bin selbst 15 Jahre bei der Senioren-WM mitgefahren und habe immer irgendeinen Pokal gewonnen“, so die 1936 geborene Wetteranerin, die stolz betont, dass sie bereits fünf Alpenpässe mit dem Rad gefahren sei, darunter auch der Großglockner: „Ich bin Radfahrerin durch und durch“. Auch Harald Krüger steht an der Strecke und wartet vor allem auf Radprofi Rick Zabel: „Ich bin Fan von Rick Zabel und kenne den Vater Erik Zabel“, sagt Krüger, der früher das Radgeschäft Velo-Shop in Wengern hatte und inzwischen in Friesland wohnt. „Ich besuche meine Tochter. Ich bin aber auch für die Deutschlandtour hier“, sagt Krüger.
Angespannte Erwartung
Bereits etwa eine halbe Stunde bevor die Radprofis die Voßhöfener Straße passieren, fahren unzählige Polizeiwagen und Motorräder sowie offizielle Teamfahrzeuge und andere dazugehörige PKW die Strecke ab. All das zur Sicherheit, dass sich nicht doch noch ein falschparkendes Fahrzeug auf der Strecke befindet und nicht zuletzt auch, um die vielen Besucher und Radsportfans darauf aufmerksam zu machen, dass sie die Straßenüberquerungen einstellen.
Gebannte Blicke
Das, was der gemeine Hobbysportler dann als Warten bezeichnen würde, würden die anwesenden Zweiradenthusiasten vermutlich eher Anspannung nennen. Einige verfolgen den Rennverlauf auch live auf ihrem Smartphone. Etwa 15 Minuten bevor die Radprofis den stetigen Anstieg hin zur Ortsdurchfahrt Voßhöfen auf sich nehmen müssen, wird es an der Strecke dann immer ruhiger. Wo vorher noch über den Radsport gefachsimpelt wurde, gehen die Blicke nun gebannt den Berg hinunter. Gegen 15.30 Uhr erreicht die dreiköpfige Spitzengruppe dann den Ort des Geschehens. Darunter auch der in Köln lebende Juri Hollmann. Die Radfahrer werden lautstark unterstützt. Es wird geklatscht, getrötet und auch die für den Radsport bekannten Kuhglocken kommen zum Einsatz. All das, um die sichtlich angestrengten Radprofis die letzten Meter des Anstieges zu tragen, bevor es in den Ort Voßhöfen zumindest kurzzeitig sogar etwas bergab gehen sollte.
In fünf Minuten ist alles vorbei
Dann wird es erst einmal wieder leiser. Es dauert gute zwei Minuten bis das Hauptfeld mit allen anderen Fahrern folgt. So lange, wie die Fans vorher auf ihre Idole gewartet, so schnell ist der Spaß zumindest an diesem Teilabschnitt auch wieder vorbei: Es dauert keine fünf Minuten, bis alle Fahrer und Fahrzeuge vorbeigesaust sind und am Ende die Polizei mit der grünen Flagge die Straße wieder freigibt. Ein ansässiger Bewohner fragte daraufhin erstaunt: „Wie? Das war´s schon?“
Ärger über die Wastezone
Ja, das war es schon, zumindest für Wetter und Herdecke. Die Radfahrer mussten ja noch einige Kilometer bis nach Essen fahren. Am Ende übernahmen die Hobbyfahrer und Trinkflaschensammler wieder die Straße, während das Feld sich vermutlich bereits in Sprockhövel befand. „Ich finde es nicht in Ordnung, dass die hier ihren Müll hinschmeißen“, sagte ein Bewohner, der sich darüber ärgerte, dass auch die Insassen eines offiziellen Teamfahrzeuges den Müll nicht aufsammeln wollten: „Die sagen, sie sind von einem andren Team und sammeln den Müll deswegen nicht ein. Das finde ich frech“, so der Anwohner, der sich ebenfalls darüber beschwerte, dass ihm im Vorhinein keine Informationen zum Rennen zugetragen wurden und dem auch nicht klar gewesen sei, dass der Teilabschnitt an der Voßhöfener Straße eine „Wastezone“ ist, das heißt, dass hier der Müll abgeworfen werden darf.
Überraschungssieger
Am Ende gewinnt überraschend der Este Madis Mihkels die 3. Etappe. Bester Deutscher wurde Phil Bauhaus auf Rang vier. Für die meisten Wetteraner bleibt die Erinnerung an einen großartigen Nachmittag, dessen Vorfreuden, Vorbereitungen und Vorsichtsmaßnahmen am Ende deutlich länger dauerten als die Sekunden, in denen die Radprofis vorbeifuhren. Gefachsimpelt, gegrillt und gefeiert wurde jedoch auch noch lange nach Ende des Rennens.