Winterberg. Die Deutschland Tour gastiert am Freitag und Samstag in Südwestfalen. 10 Tipps, wo Sie das Spektakel als Zuschauern am besten verfolgen können.

Ruhrtal-Radweg? Kennen Sie. Aber die Jungs, die diese Woche den Weg durch Deutschland – und dabei vom Sauerland ins Ruhrgebiet – antreten, interessieren sich weniger für die landschaftlichen Reize der Region: mit bis zu 100 Stundenkilometern begeben sie sich auf die Jagd nach Sekunden und Siegen. Die Deutschland Tour macht mit der Elite des Radsports am Freitag und Samstag Halt vor der heimischen Haustür. Bisschen Smalltalk-Wissen in Zahlen. Dazu: die 10 besten Orte zum Zuschauen.

766 Meter: Das Dach der diesjährigen Tour wird am Freitag erreicht, wenn das Ende der längsten Etappe naht: von Kassel nach Winterberg. Bevor es aber über die Ziellinie geht, müssen die Fahrer nach Altastenberg hochfahren: das höchstgelegene Dorf des Sauerlands auf 766 Metern, Luftkurort zudem. Gute Luft können die Jungs da oben sicher gebrauchen. Tipp: Dort am Berg kann man sicher gut zuschauen.

2 Lokalmatadoren: Nur unweit vom früheren Kinderzimmer entfernt will Rad-Profi Lennart Voege sich in Bestform präsentieren. Die Strecke führt an seiner Heimat Nordenau vorbei, in der er tief verwurzelt ist. „Wenn er mit der Deutschland Tour nach Hause kommt, wird das ganze Dorf nach Altastenberg an die Strecke kommen“, ahnt der Rad-Manager Jörg Scherf. Die Kapelle aus dem Dorf hat sich auf jeden Fall schon angemeldet. Weiterer Lokalmatador: Jonathan Rottmann aus Plettenberg.

5000 Zuschauer: So viele Besucher werden am Freitag - zumindest bei gutem Wetter - rund um den Zieleinlauf in Winterberg erwartet. Das Rennen endet direkt vor der Haustür des Hotels „Der Brabander“, wo die Vorbereitungen schon seit Wochen laufen.

„Wir freuen uns riesig auf den Tag“, sagt Juniorchef Danny Meurs. Freitags ist An- und Abreisetag - die Straße vor der Tür ist aber den ganzen Tag gesperrt. „Die Gäste wissen aber Bescheid, wie sie zu uns kommen“, sagt Meurs, der die sonst nur im Winter geöffnete Après-Ski-Hütte aufmacht, um dort Essen und Getränke zu verkaufen. Zudem kommt ein Streetfood-Container zum Einsatz. Die Speisekarte im Hotel selbst wird angepasst, damit möglichst viele Menschen möglichst schnell satt werden können, wenn gefordert. Den Schirmchendrink „Deutschland-Tour“ wird es aber nicht geben. Der Junior-Chef bekennt: „Wir Holländer fahren zwar gerne Fahrrad, aber nach der Corona-Zeit habe ich mit Fahrradfahren nicht mehr viel zu tun.“

1-malig: Besonderes tut sich in Neheim, dem Start-Ort der dritten Etappe. Denn dort wird es ein in dieser Form einmaliges begehbares Fahrerlager geben. Ab 10 Uhr wird die Möhnestraße von den Teams bevölkert, so dass Besucher die Sportler und deren Equipment aus nächster Nähe bestaunen können. Zudem ist Wochenmarkt. „Eigentlich ist am Startort meistens wenig los. Aber samstags sind eh schon immer Tausende Menschen in der Stadt. Dieses Mal wird es richtig voll“, freut sich Jörg Scherf, Manager des Teams Saris Rouvy Sauerland.

100 Fahrradklingeln: In Neheim auf der Domplatte begeben sich die Fahrer am Samstag auf die dritte Etappe, der sogenannte scharfe Start, also der tatsächliche Beginn des Wertungsrennens, ist in Arnsberg-Voßwinkel vorgesehen. Das Örtchen mit seinen etwas mehr als 2000 Einwohnern macht sich schon bereit. „Das Licht der Radsportwelt fällt für einige Minuten auf unser schönes, behütetes Dorf. Da wollen wir uns von der besten Seite zeigen“, sagt Franziskus von Ketteler, Reporter der ehrenamtlich arbeitenden Ortszeitung „Dorfpost“, die eine besondere Aktion ins Leben rief: Die Fahrer sollen mit dem Geläut von Fahrradklingeln empfangen werden. „Das soll die Brücke zwischen Profis und normalen Fahrradfahrern schlagen.“

Die besten Punkte für Zuschauer am Freitag.
Die besten Punkte für Zuschauer am Freitag. © WP | Stais

Von Ketteler ist sicher, dass es voll werden wird in Voßwinkel. „Die Leute sind aufgeregt.“ Die Zahl der Fahrradklingler soll mindestens dreistellig sein: Schule und Kindergarten sind schon mobilisiert. Und auch denen, die kein Fahrrad und auch keine Klingel haben, kann geholfen werden: „Wir haben vorsichtshalber nochmal 100 Klingeln angeschafft.“

13 Prozent: Der Eulenberg - im Fachjargon auch kurz: die Eule – in Fröndenberg gilt als der Radsport-Berg Westfalens. „Früher haben alle großen Rennen ihre Bergwertung hier ausgetragen“, sagt Hans Kuhn, früherer Rad-Profi, der vor einem Jahr in Fröndenberg ein Rennrad-Museum eröffnet hat: Hunderte Exemplare, Trikots von deutschen Ex-Fahrern, sogar ein Stück der Bahn des früheren Sechstagerennens in Dortmund. 2000 bis 3000 Zuschauer werden an der Eule erwartet (heißt so, weil in der letzten Kurve eine Eulenstatue aus Holz steht). Kuhn kommentiert dort das Renngeschehen über eine Lautsprecher-Anlage. Die zwischenzeitlichen 13 Prozent Steigung sind schon ein Wort.

90 Jahre: Ein bisschen verrückt sei er, sagt Friedhelm Fälker - und untertreibt nun wirklich. Der Anruf am Nachmittag hat ihn geweckt, weil er vorher Radfahren war. „Danach muss der Oppa sich eben mal hinlegen“, sagt er lachend. Noch immer hat er ein Rennrad, noch immer fährt er so oft es geht 35 Kilometer am Rad am Tag. Und sogar Tour-de-France-Erfahrung hat der Mann. Wie es dazu kam?

Die besten Punkte für Zuschauer am Samstag.
Die besten Punkte für Zuschauer am Samstag. © WP | Stais

„Als ich mit 60 in den Vorruhestand gegangen bin, hab ich gedacht: Du musst was machen“, sagt Fälker, der sein Leben lang Sport gemacht hat: Leichtathletik, Skilanglauf, Radfahren, ach, alles irgendwie. Mit dem Fahrrad fing er dann an, die Nachbarländer zu bereisen: Schweiz, Österreich, Belgien, Luxemburg, Frankreich, die Niederlande – alles von seiner Heimat Fröndenberg aus.

Mit einer Gruppe Fahrradbegeisterter fuhr er Ende der 1990er Jahre in fünf mal 14 Tagen eine gesamte Tour de France nach – über 4000 Kilometer. Natürlich auch die legendären Berge wie Alpe d’Huez und Tourmalet hoch. „Eins-sechszehn-zweiundzwanzig“, nennt er auswendig die Zeit, die er brauchte, um Alpe d’Huez hochzufahren. „Der dulle Armstrong hat 38 Minuten gebraucht“, sagt er. Er meint: Lance Armstrong, den siebenmaligen Tour-Sieger, der kein siebenmaliger Toursieger mehr ist, weil er überführter Dopingsünder ist. Den findet Fälker deswegen auch nicht mehr gut.

Am Samstag aber wird er an der Strecke stehen. Er wohnt unweit der Eule. „Die kommen hier den Berg raufgeknallt...“, sagt er, ohne den Satz zu vollenden. „Ich habe Hochachtung vor der Leistung dieser Sportler.“ Das kommt aus berufenem Munde.

<<< HINTERGRUND >>>

ARD und ZDF übertragen nicht das gesamte Rennen, sondern schalten sich jeweils zum spannenden Etappenfinale live ein. Vorweg gibt’s dann eine Zusammenfassung des bisherigen Rennverlaufs. Insgesamt aber wird das Rennen in 180 Länder übertragen.