Herdecke/Wetter. Eine Etappe der Deutschland-Tour führt durch die Region. Die Strecke birgt Herausforderungen, so Günter Rösler, ehemaliger Deutscher Meister.

Die Deutschland-Tour führt durch Herdecke und Wetter: Am 26. August rollen die Radprofis die Ruhr entlang. Was erwartet die Sportler auf der dritten Etappe zwischen Hengsteysee und Hiddinghausen? Ich fahre die Strecke schon vorab entlang. Mit dem Trekkingbike statt mit dem Rennrad. Mit E-Motor-Unterstützung statt reiner Muskelkraft. Dafür aber mit einem ehemaligen Deutschen Meister und langjährigen Trainer an meiner Seite: Günter Rösler kennt sich aus im Radsport und mit 77 Jahren sitzt der Wetteraner auch heute noch jedes Jahr 8000 Kilometer im Sattel.

Nicht steil, aber stetig

Wir starten bei der Abzweigung zur Ender Talstraße. An diesem Punkt haben die Profis bereits den berüchtigten steilen Anstieg „Eule“ in Fröndenberg und die Serpentinen zur Hohensyburg hinter sich - ebenso wie Abfahrt die Wittbräucker Straße hinunter. „An dieser Stelle sind sie dann wieder frisch“, sagt Günter Rösler, steigt auf sein Rad und tritt in die Pedale. Gleichmäßig und schnell. Wie ein geübter Radsportler eben. Ich bleibe dran und starte irgendwann doch den E-Antrieb. Der Anstieg Richtung Wetter ist nicht steil, aber stetig. „Hier wird durchgezogen“, so Rösler, der mir zwischendurch große Namen des Radsports zuruft. Rudi Aldig war sein Mentor. Zu Erik Zabel hat er noch heute Kontakt. Dessen Sohn Rick Zabel ist bei der Deutschlandtour mit im Teilnehmerfeld. Ebenso wie Max Kanter, Phil Bauhaus oder Georg Zimmermann.

Bis zu 80 Stundenkilometer

In der Zwischenzeit haben wir die Höhe erreicht. Es geht bergab. Günter Rösler lässt rollen - und verschwindet schnell aus meinem Blickfeld. Ich schaue auf meinen Tacho. 45 km/h. Das ist nur knapp über der Durchschnittsgeschwindigkeit, die für die Deutschland-Tour vorgelegt wurden. Nur dass ich diese Geschwindigkeit bergab erreiche - so gerade. „Profis kommen bei dieser Abfahrt locker auf 70 bis 80 Stundenkilometer“ sagt Günter Rösler, der unten auf mich wartet. Und die Kurven? Schließlich wartet kurz vor der Straßenkreuzung, die links Richtung Wetter führt, die ein oder andere schärfere Biegung auf das Teilnehmerfeld. „Na, dann bremst man halt ab.“ Günter Rösler lacht. Während wir Richtung Ruhrbrücke unterwegs sind, gibt er mir weitere Einblicke in das Leben eines Radrennsportlers: „Man ist hellwach, hat alles im Blick“, erklärt er und erzählt, dass er während seiner Rennen auch die Gesichter von Zuschauern in den Kurven erkannt und Freunde oder Familie ausgemacht hat. „Ein geschulter Rennfahrer sieht jeden Kieselstein auf dem Boden.“ Das werde bei dem Etappenstück durch Albringhausen auch nötig sein, verrät er, während wir die Oberwengerner Straße entlang zur Abbiegung in die Voßhöfener Straße fahren. Er hat die Strecke vorab schon einmal getestet und festgestellt: „Die Straße ist dort eine Zumutung.“

An manchen Streckenabschnitten auf Wetteraner Gebiet erwartet die Radprofis ein Flickenteppich aus Asphalt.
An manchen Streckenabschnitten auf Wetteraner Gebiet erwartet die Radprofis ein Flickenteppich aus Asphalt. © Corinna LudwiG

„Da wird es jetzt kritisch“

Doch noch ist davon nichts zu sehen. Vor uns liegt eine kontinuierliche Steigung. „Wer bei der Deutschland-Tour was werden will, der gibt genau hier Gas“, vermutet Günter Rösler. „Die Fahrer, die sich in Essen einen Sprint ins Ziel ausrechnen, die müssen dranbleiben.“ Auch ich bleibe dran. E-Bike sei Dank. So habe ich auch noch Atem und Zeit, die Landschaft in Augenschein zu nehmen. Wiesen, Felder, Wälder. Die Umgebung wird immer ländlicher. Idyllisch. Haben auch Profis während eines solchen Rennens überhaupt einen Blick für die Aussicht. „Klar“, sagt Günter Rösler überzeugt. „Außer man hängt am Hinterrad des Vordermanns.“ Oder man passiert die Ortseinfahrt nach Esborn. „Da wird es jetzt kritisch“, sagt der erfahrene Radsportler und meint die Straßenbedingungen. Da, wo Autofahrer zu Tempo 30 angehalten werden, rollen die Radfahrer mit 60 bis 70 Stundenkilometer entlang, schätzt der Deutsche Meister von 1969. „Und alle, die was draufhaben, fahren dann mit großen Gängen weiter.“

1969 wurde Günter Rösler Deutscher Meister im Rad-Vierer. Auch heute fährt der Wetteraner noch 8000 Kilometer im Jahr.
1969 wurde Günter Rösler Deutscher Meister im Rad-Vierer. Auch heute fährt der Wetteraner noch 8000 Kilometer im Jahr. © Corinna LudwiG

Fahrzeug meldet Gefahrenpunkte

Und das auf einer Strecke, die es - so Rösler - bei anderen großen Radrennen nicht geben würde. „Bei der Tour de France oder Giro d´Italia werden Fahrbahnen vorher erneuert.“ Er zeigt im Vorbeifahren auf einige Schlaglöcher im Asphalt: „Wenn man da mit den dünnen Reifen reinbrettert...“. Der Satz bleibt unvollendet. Unsere Tour geht weiter - auf einem neuen, asphaltierten Streckenabschnitt, der bis zur Kastanie am Hax führt. Kurze Zeit später wird es wieder holprig. Auch in der Mitte der Straße gleicht die Fahrbahn stellenweise eher einem Flickenteppich aus Asphalt. „Die Verantwortlichen der Deutschlandtour haben die Straßensituation bei einer Streckenbefahrung im Mai gesehen und akzeptiert“, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion zu den Straßenverhältnissen. Außerdem fahre bei der jeweiligen Etappe ein Führungsfahrzeug vor dem Peloton und melde örtliche Gefahrenpunkte per Funk an die Fahrer.

Klassiker-Etappe

Für Günter Rösler sind die Straßenverhältnisse nur eine Herausforderung der Strecke durch Herdecke und Wetter. „Das ist eine Klassiker-Etappe nach belgischem Muster“, sagt er und erklärt der Hobbyradlerin, was das bedeutet: hart und ruppig. Hoch und runter. „Wenn dann noch Wind und Regen dazukommen, trennt sich schnell die Spreu vom Weizen“, ist er überzeugt, während wir unsere Etappen-Testfahrt beenden. An der letzten Kreuzung auf Wetteraner Gebiet fahren wir links. Am 26. August werden die Profis dort rechts abbiegen, Richtung Sprockhövel und dem Etappenziel des Tages: Essen.