Herdecke. Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz: Wie die Feuerwehr in Herdecke versucht, die richtigen Lehren zu ziehen.
Fehler passieren überall. Bei der Feuerwehr können sie besonders schlimme Folgen haben. Das gilt für die Einsatzkräfte, aber auch für die Menschen, die gerettet werden sollen. Deshalb gibt sich die Feuerwehr in Herdecke besonders Mühe, aus unvermeidlichen Fehlern möglichst viel für die Zukunft zu lernen. Wichtig dabei: Es geht nicht um Schelte. Für die Feuerwehr in Herdecke ist immer klar: Bei der Kritik steht der Verbesserungsvorschlag im Fokus, nicht der Fehler. Die Devise: „Wir wollen besser und sicherer werden.“
Zum Beispiel beim verunglückten Fahrzeug auf der Wittener Landstraße. Im Mai letzten Jahres war ein Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr auf dem Weg zum Einsatz verunglückt. Insgesamt saßen sechs Feuerwehrleute in dem Fahrzeug. Alle erlitten bei dem Unfall Verletzungen. Das Fahrzeug war auf die Seite gekippt und am Straßenrand liegen geblieben. Glück im Unglück: Niemand wurde ernsthaft verletzt. Was war falsch gelaufen?
Fahrsicherheitstraining hat in Corona-Zeit gelitten
Veränderungen bei den Reifen geben den technischen Teil der Antwort: Für den allgemeinen Einsatz sollen geländegängige Fahrzeuge mit so genannter Single-Bereifung nicht mehr angeschafft werden. Diese Fahrzeuge hätten ein deutlich schlechteres Fahrverhalten auf Straßen. Auch bei den Menschen hatte der Unfall Folgen: Es gab Schulungen, wie Einsatzfahrzeuge bewegt werden müssen. Externe Fahrlehrer waren im Einsatz, dazu Trainer, die selbst Feuerwehrleute sind. Und dann gab es noch eine Konsequenz: Die praktischen Fahrsicherheitstrainings auf Übungsplätzen wurden wieder aufgenommen. Durch Corona waren sie zum Erliegen gekommen.
Anfang des Jahres krachte ein Feuerwehrfahrzeug bei der Ausfahrt auf die Straße Herdecker Bach noch vor der Feuerwache in eine Bushaltestelle. Ein Fahrgast, der auf den Bus wartete, wurde verletzt. Hier fällt die Antwort der Feuerwehr nach der Selbsterkenntnis entschieden kürzer und allgemeiner aus: „Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, aus denen wir lernen.“ Große Fehler – außer diesen beiden Unfällen – seien in Herdecke zum Glück lange nicht passiert. Grundsätzlich werde jeder Einsatz der Feuerwehr „ernsthaft reflektiert“: Ist eine andere Vorgehensweise womöglich effektiver oder sicherer? Solche Fragen stellen sich die Aktiven nach den Einsätzen. Und es kommen immer neue Fragestellungen hinzu.
Wie überall - und doch anders
Damit die Analyse hilfreich ist, bilden sich die Führungskräfte der Herdecker Feuerwehr regelmäßig fort. Zuletzt ging es um alternative Antriebe und deren mögliche Gefahren. Bei Elektroautos ist das Löschen nicht so einfach wie bei Fahrzeugen mit Verbrennermotor, auch bei Wasserstoff als Antriebsmittel oder Gas gelten andere Regeln. Die Herdecker Feuerwehrleute bleiben dabei nicht auf sich gestellt. Am Institut der Feuerwehr gibt es Seminare mit Einsatznachbesprechungen. Videos von Einsätzen werden ausgewertet, denn lernen lässt sich auch aus den Fehlern, die andernorts bei Einsätzen gemacht wurden. Besonders Unfallberichte zu Atemschutznotfällen finden große Aufmerksamkeit. Das soll helfen, dass der Tod zweier Feuerwehrkameraden wie kürzlich in St. Augustin die große, große Ausnahme bleibt. Bei der Feuerwehr werde aus Fehlern gelernt wie eigentlich überall, heißt es auf Nachfrage. Bis auf einen großen Unterschied: „Die Besonderheit bei der Feuerwehr ist, dass Fehler nur bei Übungen passieren sollten, nicht jedoch im Einsatz.“