Wetter/Herdecke. Viele Stellen sind zum Start der Ausbildung noch unbesetzt. Woran das liegt? Redaktionsleiterin Yvonne Held hat eine klare Meinung dazu.
Der Ausbildungsmarkt wird zum Bewerbermarkt. Die Jugendlichen können quasi frei wählen – und dennoch gibt es fast 19 Prozent mehr unbesetzte Stellen als noch im Vorjahr. Das ist doch Wahnsinn.
Während die Unternehmen stöhnen und ächzen, weil sie keine Fachkräfte haben, entscheiden sich junge Menschen heute nicht mehr so einfach für eine Ausbildung. Und das mag jetzt böse klingen, aber wenn mir ein Jugendlicher erzählt, dass eine Ausbildungsstelle nicht mit seiner Work-Life-Balance vereinbar ist, muss ich persönlich schwer an mich halten. Eigentlich möchte ich ihnen zurufen: „Geh erstmal arbeiten, bevor du irgendwas in Balance bringen musst.“ Aber genau das wäre wahrscheinlich der falsche Weg.
Ich glaube gar nicht, dass die Jugendlichen Schuld an der Misere sind. Das Verdienen des ersten Geldes, um den Führerschein und die erste eigene Wohnung zu bezahlen, steht heute bei vielen nicht mehr an erster Stelle. Warum auch? Das Geld für den Führerschein kommt meist von Mama, Papa, Oma und Opa. Und wieso ausziehen, wenn es doch zuhause alle Annehmlichkeiten gibt, die man braucht?
Kein finanzieller Druck
Obendrein wird das trendige Jahr Auszeit, um in der großen weiten Welt herum zu reisen, schließlich auch von der Familie gesponsert. Danach kann man ja mal ein Studium beginnen, obwohl das nicht zwangsweise für jeden jungen Erwachsenen geeignet ist. Eigenes Geld verdienen? Irgendwann. Ist ja nicht so dringend. Die Jugend ist schließlich gut gebettet.
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Ist das die Schuld der Jugendlichen? Jein. Sie nehmen das, was sie bekommen. Daraus kann man ihnen nicht unbedingt einen Vorwurf machen. Ich glaube eher, dass das ein Problem der Gesellschaft ist, die den jungen Menschen das Leben so lange so angenehm wie möglich machen will. Sie sollen es besser haben – und wenn das bedeutet, dass Eltern längern in die Tasche greifen müssen, nehmen die meisten das gerne in Kauf. Dabei nehme ich das böse Wort von Helikoptereltern nicht einmal in den Mund. Schließlich wollen alle Eltern für ihre Kinder nur das Beste.
Ob das allerdings auf Dauer wirklich das Beste für alle Beteiligten ist, wird sich zeigen. Spätestens dann, wenn die Kinder anfangen, ihre Häuser zu bauen und keine Handwerker mehr finden, weil ja früher niemand mehr eine Ausbildung machen wollte.