Herdecke. Die Corona-Pandemie hat psychisch und körperlich ihre Spuren bei den Kindern hinterlassen. Eine Konferenz hört ihnen jetzt besonders zu
Früher war mehr Andrang auf den Sportplätzen und weniger los in den psychiatrischen Praxen. Aber so lange ist die Pandemie noch nicht vorbei, und in den Köpfen der Kinder spuken die Erlebnisse der verschärften Corona-Zeit weiter herum. „Man merkt schon, dass die Kinder sich verändert haben“, sagt Harald Müller. Der CDU-Ratsherr kommt aus dem Sport und sieht diese Veränderungen auch im Verein. Viele Kinder sind weggeblieben und nicht wieder gekommen. Anderen fällt es weiter schwer, sich motivieren zu lassen. Jetzt steht die seelische und körperliche Belastung von Kindern und Jugendlichen nach Corona einen ganzen Tag im Mittelpunkt: Bei der Herdecker Gesundheitskonferenz am nächsten Samstag sollen die Herdecker sagen, wie hart sie Corona im Miteinander getroffen hat. Und sie sollen erfahren, welche Auswege es gibt.
Lebensgefahr für die Großeltern
Auch Enric Tange hat gespürt, welche Folgen Corona neben gesundheitlichen Beeinträchtigungen gehabt hat und hat. Tange sitzt für die FDP im Rat und ist Handballer. Die Kreisliga ist kleiner geworden, viele Mannschaften sind weggebrochen, sagt er. Und er spricht von den Kindern, die kräftiger geworden sind in der Pandemie und nun mühsam den Speck wieder wegtrainieren müssen. Er weiß aber auch von den psychischen Problemen, mit denen Kinder und Jugendliche kämpfen - und der Wartezeit für professionelle Hilfe. Bei einem Dreivierteljahr liegt sie derzeit.
Martina Riezler ist Ratsmitglied der SPD. Ihr jüngster Sohn ist 15. Seine Sozialkontakte haben in der Corona-Zeit deutlich abgenommen, sagt sie. Vor der Pandemie hat er Fußball gespielt. Das ist vorbei. Nach den vom Lockdown erzwungenen Aussetzern „wieder zu starten ist schwierig“, sagt Riezler. Anknüpfen fällt auch in anderer Beziehung schwer. Irmingard Schewe-Gerigk ist zweifache Großmutter. Im Lockdown haben ihre Enkel gelernt, dass sie eine Lebens-Gefahr sein könnten für ihre Großeltern. „Die persönlichen Kontakte waren ganz unterbrochen“, sagt die frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen. Und noch immer nicht sind Besuche so selbstverständlich wie vor Corona. Auch so hat sie mitbekommen: Ein Enkel hat den Gitarrenunterricht in der Musikschule dran gegeben. Zu viele Stunden auf Distanz. „Ohne Gemeinschaft ging’s nicht“, sagt Schewe-Gerigk.
Vertreter von vier Parteien, ein Ziel: Die Belastungen durch Corona sollen nicht einfach auf den Schultern der Kinder und Jugendlichen liegen bleiben. Als Forum dafür dient die mittlerweile dritte Herdecker Gesundheitskonferenz. Das Format ist nicht neu, aber schon beinahe in Vergessenheit geraten. Vor vielen Jahren ging’s im Ender Gemeinschaftskrankenhaus mal um Ernährung und Bewegung. Dann wurde im damals neuen Ambulantikum konferiert. Jetzt gibt es die Einladung in den Zweibrücker Hof.
Im World Café gibt’s Hilfe
Das Plakat zur Gesundheitskonferenz zeigt unter Ort und Termin drei Schulkinder mit Malblock in der Hand und Maske über dem Mund. Ein bisschen ratlos blicken die Drei in die Kamera und auch wie erschöpft. „Die Kinder haben die meisten Opfer gebracht“, zitiert Irmingard Schewe-Gerigk den amtierenden Gesundheitsminiter. Gerade hat er eine Studie vorgestellt, was Corona beim Nachwuchs alles angerichtet hat: verarmte soziale Kontakte, gestiegener Medienkonsum und eine Zunahme bei Depressionen oder Essstörungen. „Wir wollen dem etwas entgegensetzen“, sagt Martina Riezler.
Das Gegenhalten beginnt mit Zuhören. Alle Herdecker sind eingeladen, zur Gesundheitskonferenz zu kommen. In einem World Café sollen sie von den Erfahrungen berichten, die sie als Eltern oder als Kinder in der Pandemie gemacht haben und die sie womöglich weiter mit sich herumschleppen. Aus drei Tischen besteht das Word Café, jeder steht für eine Themeninsel. Um Belastungen geht es an einem, um Hilfsangebote an einem anderen, um Bildung und Sport am letzten Tisch. „Wir wollen die Erfahrungen hören“, sagt Harald Müller, und erste Lösungsansätze finden. Hoffnung setzt das überparteiliche Vorbereitungsteam dabei auch in die eingeladenen Experten. Nur wenn das Problem erkannt ist, kann es gebannt werden, den Kindern zuliebe.
Themeninseln im Zweibrücker Hof
Die Pandemie hat Kinder unglücklicher gemacht: Prof. Ricarda Steinmayer von der TU Dortmund stellt 11.30h Studie vor.
Physische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Herdecke: Kinder- und Jugendmedizinerin Dr. Dörte Hilgard hält um 12.15 Uhr Impulsvortrag.
Beim World Café ab 13.30 Uhr sind die Besucher um Erfahrungsberichte gebeten: Auf drei Themeninseln finden sie Menschen vom Fach und Aufzeichnungsmöglichkeiten vor.
Es gibt die Themeninseln „Netzwerke und Hilfsangebote“, „Psychische und physische Belastungen“ und „Bildung und Sport“.
Die Herdecker Gesundheitskonferenz findet statt am Samstag, 6. Mai, ab 11 Uhr im Zweibrücker Hof.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse der Veranstaltung beginnt um 15.30 Uhr.