Herdecke. Die Grundsteuereinnahmen werden deutlich geringer ausfallen als erwartet. Jetzt zieht der Kämmerer in Herdecke die Reißleine. Das hat Folgen.

Die Einnahmen der Stadt Herdecke sprudeln nicht wie erwartet. Und die laufenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst dürften die Stadtkasse zusätzlich leeren. Kämmerer Dennis Osberg hat die Entwicklung zu einem drastischen Mittel greifen lassen: Er hat eine Haushaltssperre verhängt. In vielen Bereichen werden die Bürger das zu spüren bekommen.

„Es geht um streichen, schieben und verschlanken“, sagt Osberg und nennt Bereiche, die es treffen könnte. Viele Straßen etwa könnten länger Holperstrecken bleiben als bisher in Aussicht gestellt. Auf den Prüfstand kommen wird vermutlich auch der Ergänzungsbau fürs Schulzentrum. Wie viel ist notwendig, wie viel bezahlbar? Es sind „mühsame und undankbare Diskussionen“, die Kämmerer Osberg erwartet. Auch Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-Köster fürchtet Unzufriedenheit, wenn die Stadt auf Leistungen verzichten oder sie zumindest zurück fahren muss.

Schon 2009 und 2014 gab es Haushaltssperre

Mit knapp 13 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen hatte die Stadt für das laufende Jahr kalkuliert. Jetzt zeichnet sich ab, dass es fünf Millionen Euro weniger sein werden. Die Stadt hat nur wenige große Gewerbesteuerzahler. Wer energiereich produziert, ist von der Vervielfachung der Energiepreise besonders betroffen. Entsprechend weniger gibt es zu versteuern. Aber auch bei Gewinnausschüttungen rechnet die Kämmerei mittlerweile mit 500.000 Euro weniger als in die Jahresplanung aufgenommen.

Mit der Haushaltssperre will der Kämmerer gegensteuern. Nicht begonnene Investitionsmaßnahmen sind blockiert. Das heißt nicht, dass deshalb notwendige Investitionen unterbleiben. Dennis Osberg: „Eine Mittelfreigabe kann nur mit Hilfe eines begründeten Antrags im Einzelfall erfolgen.“ Die letzte Haushaltssperre hat es im Jahr 2014 gegeben. Damals war das zusätzliche Haushaltsloch, das sie aufgetan hatte, aber bei weitem nicht so groß wie das augenblickliche. Eine Haushaltssperre gab es auch, als die jetzige Bürgermeisterin 2009 erstmals ihr Amt angetreten hat.

Spardiskussion beginnt

Nicht nur die Prüfung im Einzelfall macht zusätzliche Arbeit. Wenn sich das Jahresergebnis erheblich verschlechtert, muss laut Gemeindeordnung ein Nachtragshaushalt her. Das ist mit einem immensen Aufwand verbunden. Das ganze, für 2023 beschlossene Zahlenpaket muss noch einmal aufgeschnürt werden. Und auch das Haushaltssicherungskonzept ist berührt. Es legt fest, wie Herdecke mittelfristig aus den roten Zahlen heraus kommen will. Dennis Osberg geht folglich von viel zusätzlicher Arbeit über Wochen und Monate aus. Schließlich muss die Politik beraten und entscheiden. Von der Verwaltung werden Sparvorschläge kommen, sichert Dennis Osberg zu. Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster sieht aber auch die Parteien gefordert. Sie sagt: „Das kann man nur gemeinsam machen.“

Für das laufende Jahr hatte Herdecke viel vor an Unterhaltungsmaßnahmen und Investitionen. Dennis Osberg stellt fest: „Das werden wir leider nicht umsetzen können.“ Für ihn ist klar: „Wir werden deutlich reduzieren müssen.“ Zunächst hat er die Mitglieder im Ältestenrat über die von ihm verhängte Haushaltssperre in Kenntnis gesetzt. Unterdessen sind auch alle anderen Ratsmitglieder darüber informiert, welche zusätzlichen Aufgaben auf sie zukommen. In den Fraktionen dürfte nun darüber die Diskussion beginnen, welche politischen Erfolge sie unbedingt verteidigen wollen und wo ihre Sparvorschläge ansetzen sollen.

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Muss es die Herdecker stören, dass jetzt im Rathaus eine Haushaltssperre verhängt worden ist? Und wie! Durch manches Schlagloch werden sie nun länger holpern, Schulanbauten dürften schmaler ausfallen. Auch an anderen Stellen in der Stadt wird sich schmerzhaft zeigen, wie viele einzelne Spar­opfer nötig sind, um ein zusätzliches Haushaltsloch von fünf Millionen Euro zu stopfen.

Ein Berg an zusätzlicher Arbeit liegt vor der Verwaltung, die ohnehin schon unter einer wachsenden Aufgabenvielfalt und einer verschärften Personalnot leidet. Aber auch die Herdecker Politik muss wegen des nötigen Nachtragshaushalts eine aufwendige Extrarunde der Etatberatungen drehen.

Es ist gut und in einer Demokratie notwendig, wenn auch beim Thema Verzicht die Parteien zeigen, wofür sie stehen. Dennoch sollte es nicht zu einem Hauen und Stechen kommen, von dem sich der Bürger nur noch mit Grausen abwenden.