Herdecke. Die Abwärtsspirale in der Schuhbranche erreicht die kleinen Geschäfte: Nach Hillebrand folgt Ende Februar das zweite Schuhgeschäft in Herdecke.

Gerade erst hat Maria Hillebrand ihr gleichnamiges Schuhgeschäft an der Hauptstraße 16 geschlossen, da folgt das Aus des nächsten Schuhladens in der Innenstadt. „Ich habe gute Jahre hinter mir. Aber 2022 ist das Geschäft richtig abgestürzt. Da muss man die Reißleine ziehen“, erklärt Bettina Reichel, warum sie ihren Schuhladen an der Hauptstraße 35 schließend wird. „Leider“, fügt sie noch hinzu.

Situation der Branche

„Das hängt mit der allgemeinen Lage in der Schuhbranche zusammen. Man denke nur an große Unternehmen wie Görtz oder Salamander. Beste Beispiele für die Entwicklung liefern die Städte Dortmund und Hattingen. Ich hatte in Hattingen einen Tamaris-Store, den ich vor sieben Jahren verkauft habe. Zu der Zeit gab es noch fünf Schuhgeschäfte in der Innenstadt. Davon ist bis heute nur ein einziger übriggeblieben“, berichtet Bettina Reichel. Zunächst habe sie vermutet, dass Leute vermehrt Schuhe im Internet kaufen, „aber Salamander und die anderen sind ja alle auch im Internet vertreten“. Dieser Grund falle zur Erklärung also schon mal weg.

Keine Probleme mit Modegeschäften

Vor diesem Hintergrund schmerze sie das zurückliegende schlechte Geschäftsjahr nicht; denn „ich habe wohl keinen gravierenden Fehler gemacht. Das ist ganz einfach der Branche geschuldet.“ Wobei, merkt sie doch etwas selbstkritisch an, vielleicht seien die Preise zu hoch gewesen. Aber qualitativ hochwertige und in Deutschland gefertigte Schuhe hätten ihren Preis: „Aber vielleicht sind die Leute nicht mehr bereit, so viel für Schuhe auszugeben.“
Und wäre es nicht eine Möglichkeit, preiswertere Schuhe anzubieten? „Nein, ich hätte nichts anderes gewollt. An einem Billig-Angebot hätte ich keinen Spaß. Da leiste ich es mir lieber, den Laden zu schließen“, so die Inhaberin zweier weiterer Modegeschäfte in der Fußgängerzone. Mit denen gebe es zudem keinerlei Probleme: „Textil läuft bestens. Da gibt es nichts zu meckern. Auch das Jahr 2022 war trotz der Energiekrise super“, blickt Bettina Reichel zurück. Die Befürchtung, dass Kunden beim Klamottenkauf die Bremse anziehen, habe sich als unbegründet erwiesen.

Chance für Herdecke

„Also konzentriere ich mich lieber auf meine beiden anderen Geschäfte und gebe jemand anderem und auch Herdecke eine Chance, etwas zu machen, was mehr Frequenz bringt. Zum Beispiel sehe ich dort eine kleine Gastronomie“, so die Geschäftsfrau. Gute zehn Jahre verkaufte Bettina Reichel in dem rund 70 Quadratmeter großen Ladenlokal Schuhe, Taschen, Gürtel und weitere Mode-Accessoires. Ende Februar soll damit nun Schluss sein. Vielleicht gelinge ihr die Punktlandung nicht ganz, so dass das Geschäft durchaus auch noch ein paar Tage länger geöffnet sein könne – und zwar donnerstags nachmittags, freitags und samstags. „Donnerstags vormittags öffne ich bewusst nicht wegen des Wochenmarktes. Da ist der Laden sowieso zugestellt mit Ständen“, erklärt Bettina Reichel.

Mittagspause bleibt

Übrigens: Nur weil sie ihren Schuhladen schließt, müsse niemand befürchten, dass sie auch ihre Damenmode-Geschäfte aufgebe. „Solange ich gesund bin, mache ich auf jeden Fall weiter“, versichert die erfolgreiche Geschäftsfrau, die in wenigen Wochen 63 wird. Lediglich die in der Pandemie Anfang 2022 eingeführte Mittagspause werde sie beibehalten: „Das lassen wir so. Das ist perfekt.“

Handel im Wandel – Nur noch ein Schuhgeschäft in Herdecke

Im Jahr 2008 eröffnete Bettina Reichel in dem jetzigen „schuhistgut“-Ladenlokal ihr erstes Geschäft für Damenmode „zeitfürgutes“ in Herdecke.Von dort zog sie zwei Jahre später in die Räume der ehemaligen Apotheke an der Treppe, die hinauf zum Rathausplatz führt. Nachdem Metzgerei Dietzel an der Hauptstraße 40 im August 2008 den Betrieb einstellte,wurde das damals bereits über 150 Jahre alte Gebäude saniert.Dort fand Bettina Reichel schließlich ein endgültiges Domizil mit ihrem Geschäft „zeitfürgutes“. Schräg gegenüber, in der Hauptstraße 31, ist „anziehendgut“ beheimatet. Übergangsweise war Bettina Reichel Chefin von vier Geschäften in der Herdecker Innenstadt: 2019 wurde das Babymodengeschäft „Little moments“ an der Hauptstraße 54 eröffnet, das aber 2020 wieder geschlossen wurde.Nach dem Aus der beiden Schuhgeschäfte Hillebrand und Reichel wird in Herdecke als einziges Schuhgeschäft nur noch die Filiale der Kette K+K Schuh-Center an der Mühlenstraße 9 verbleiben.