Herdecke. Die Anspannung ist immer da gewesen, sagt Axel Krüger. Warum er dennoch gerne Schwimmmeister in Herdecke gewesen ist

Zehn Jahre war Alex Krüger zuständig für die beiden Bäder am Bleichstein und das Bad am Schraberg. Jetzt sucht der geprüfte Meister für Bäderbetriebe eine neue Wirkungsstätte. Im Gespräch verrät der 44-Jährige, was ihm sein Beruf bedeutet und warum vielleicht nicht nur den Frühschwimmern der Abschied von ihm schwer fällt.

Wo haben Sie Ihr Seepferdchen gemacht?

Alex Krüger Damals noch im Willi-Weyer-Bad in der Hagener Innenstadt. Sieben war ich.

Wie sind die Aufgaben?

Vom Beckenrand springen, eine Wandlänge durch schwimmen und einen Ring hochholen aus brusttiefem Wasser – es soll eben gezeigt werden, ob der Kandidat sicher ist und sich über Wasser halten kann, beispielsweise wenn er mal reingeschubst wird.

Ist Ihnen das schwer gefallen damals?

Ja, ich war ein sehr schlechter Schwimmer.

Wann kam die Idee, aus dem Treiben im Becken und am Becken einen Beruf zu machen?

Der Gedanke war von meinem Hobby geprägt, der DLRG. Bei ihr habe ich das Seepferdchen gemacht und bin dann da geblieben, habe auf Bronze, Silber, Gold den Rettungsschwimmer drauf gesetzt. Schließlich wurde das Hobby zum Beruf.

Wie lernt man, sich gegenüber halbstarken Jugendlichen oder lautstarken Erwachsenen durchzusetzen?

Man wächst da rein. Man hat das Hausrecht, man muss es durchsetzen – aber auch fair bleiben bei der ganzen Sache. Ich hatte Ausbilder und Meister, bei denen ich mir vieles abschauen konnte.

Was heißt das konkret? Ist das der Ton, die Körperhaltung?

Es ist das Auftreten und der respektvolle Umgang. Ich behandele einen Kunden wie einen Kunden, so lange er sich auch so verhält. Nach der dritten Ansage werde ich dann auch schon mal deutlicher und drohe beispielsweise mit Hausverbot. Aber das ist das letzte Mittel. Vorher versuche ich, Verständnis zu wecken für die Regeln, die auch einzuhalten sind.

Haben Sie schon mal die Polizei gerufen?

Ja, leider.

Die zehn Jahre in Herdecke waren stark geprägt von der Diskussion um den Erhalt des Bleichsteinbades. Tut einem der Verfall des Bades weh?

Ich habe das eigentlich nicht als Verfall wahr genommen. Mir ist am Bleichstein ein Bad in die Verantwortung übergeben worden, und ich habe das immer so gesehen wie bei einem Auto auch und eine möglichst kostengünstige Instandsetzung versucht. Bei gewissen Dingen ist die Technik allerdings veraltet. Die Stadt hat aber immer wieder Geld zur Verfügung gestellt für den Fliesenleger oder die Sanierung der geplatzten Filter. Immerhin haben wir damit noch die Saison zu Ende führen können. Vieles passiert allerdings auch durch randalierende Badegäste.

Das klingt nach Verärgerung. Warum sind Sie trotzdem gerne zur Arbeit gegangen?

Bei uns – etwa bei den Frühschwimmern – geht es sehr familiär zu. Aufbauende Worte machen Spaß, und es freut einen selbst, wenn man den Badegästen irgendwas Gutes tun kann. Dann gibt es da diese Anteilnahme: Als ich einen schweren Unfall hatte, haben mir Besucher einen Schutzengel geschenkt und weiterhin gute Fahrt gewünscht.

In welchem „Aggregatzustand“ verbringen Sie einen Arbeitstag am Beckenrand, gechillt oder angespannt?

Die Anspannung ist immer da gewesen. Zu Beginn der Saison geht man vielleicht noch ein bisschen lässiger ran an die ganze Sache. Wenn dann aber drei Monate Hochleistung gefordert werden von morgens bis abends, da wächst dann auch die Anspannung, und die Laune lässt nach. Was die Gefahr von Ertrinkenden angeht, hat mir die Berufserfahrung in die Hände gespielt: Man schätzt das gut ab, sieht schon an der Bewegung einer Person, ob da gerade jemand untergeht, und dann heißt es: Sofort rein!

Sollten Bäder aus sozialen Gründen offen gehalten werden?

Ja, es gibt diesen sozialen Aspekt. Viele Badegäste sind alleine, behalten so aber etwas, worauf sie sich freuen können. Die verabschieden sich zu irgendwelchen Kränzchen oder machen ihr Weihnachtsfrühstück. Gezeigt hat sich das auch, als 2015/16 zum ersten Mal groß die Flüchtlinge rüber kamen, da waren die Bäder auch ein Ort der Begegnung. Kinder haben im Wasser miteinander gespielt, ohne Grenzen der Sprache oder Herkunft. Beim Fußball war es egal, ob’s der Hans ist oder der Mohammed - das war gelebte Integration.

Was war das schrecklichste Erlebnis in all den Berufsjahren?

Im Kirchenbergbad hatte eine Familie ihr Baby in der Hitze im Kinderwagen gelassen. Nach geraumer Zeit erst fiel auf, dass das Kind nicht mehr geatmet hat. Auf einen Kollegen ist damals die Hilfe zugekommen. Da läuft es mir immer noch kalt den Rücken hinunter. Das Baby hat es dann noch so gerade geschafft…

Wo ist Ihre Hilfe am Wichtigsten gewesen?

Das kann ich nicht auf mich alleine münzen. So ein Bad ist immer eine Teamarbeit. Wenn das Team nicht funktioniert hätte, hätten wir sicherlich in einigen Situationen dumm da gestanden. Ein Zuruf oder eine kleine Frage haben viel bewirkt.

Was macht einen Schwimmmeister so liebenswert, dass er von seinen Frühschwimmern so freundlich verabschiedet worden ist wie das bei Ihnen der Fall war?

Ich bin lieb und nett gewesen in meinen Antworten, aber auch direkt. Ich habe nicht lange um den heißen Brei herum geredet, sondern dann auch gesagt: So ist es. Und: Wenn mir was erzählt wurde aus dem privaten Bereich, das hat nicht die Runde gemacht, das ist bei mir geblieben. So habe ich es von Badegästen über mich gehört.