Herdecke. Dennis Prokofiev, Urologe in Herdecke, hat eine Hilfsgüter-Lieferung in eine ukrainische Klinik organisiert. Die kam zwischen Bombenangriffen an.
Längst hat sich bewahrheitet: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist mit einem Marathon und nicht mit einem Sprint vergleichbar. Auch Dr. Dennis Prokofiev braucht einen langen Atem, um Menschen in seinem Heimatland zu unterstützen. In seiner Arztpraxis an der Frühlingsstraße drehen sich viele Gespräche um zerbombte Regionen und Hilfstransporte. Ein solcher kam nun dank der aufwendigen Vorarbeit des Urologen und der weiterhin hohen Spendenbereitschaft vieler Herdecker in der umkämpften Stadt Mykolajiw am Schwarzen Meer an.
Viele Telefonate hat der gebürtige Ukrainer und Oberarzt des städtischen Klinikums Dortmund in den vergangenen Wochen geführt. „Es wird immer komplizierter, Medikamente zu einem guten Preis zu bekommen und diese in Kriegsgebiete zu bringen, zumal ja alles in den richtigen Händen landen soll und meine Ansprechpartner immer schwieriger zu erreichen sind“, erzählt Dennis Prokofiev, der wie auch seine Ehefrau Kontakt zu dortigen Medizinern („Die kennen wir von früher“) in teils zerstörten Krankenhäusern hält. Im März 2022 berichtete diese Zeitung von Hilfsgütern, die in Mykolajiw ankamen. Seither hat sich auf dem Spendenkonto des Herdecker Vereins zur Förderung christlicher Sozialarbeit (VCS) für diesen Zweck ein sechsstelliger Betrag angesammelt, so dass der 42-Jährige einen weiteren Transport organisieren konnte.
Hilfe aus Andernach und Bottrop
Allerdings unter veränderten Vorzeichen. Eine günstige Medikamenten-Bestellung über die Großapotheke des Dortmunder Klinikums klappte nicht mehr, dafür gewann Prokofiev über seine Kontakte das Landeskrankenhaus im rheinland-pfälzischen Andernach. Und den Lkw stellte die Bottroper Firma MC-Bauchemie, die sich aufgrund ihres Werks in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew ebenfalls zur Unterstützung berufen sieht. „Die hat dankenswerterweise viel für uns kostenfrei organisiert und Formalitäten übernommen. Zudem hat sich ein Fahrer bereit erklärt, was aufgrund der gefährlichen Lage auch bemerkenswert ist.“
Mit dem Spendengeld, das auch Dortmunder und viele andere aus der Region überwiesen haben, konnte der hiesige Arzt einiges kaufen. Auf 25 Paletten stapelten sich schließlich unter anderem Instrumente und Materialien für Operationen wie etwa Einwegwäsche oder auch ein gebrauchtes Röntgen-Gerät. Beim Verladen in Bottrop halfen sowohl Prokofiev als auch weitere Ukrainer, die gerade zufällig in der Gegend waren.
Die zweigeteilte Lieferung, die auch Utensilien für eine Geburtsstation enthielt, erreichte nach einigen Zwischenstopps das Unfallkrankenhaus von Mykolajiw Anfang September, und zwar genau zwischen zwei Angriffswellen mit enormer Zerstörungskraft. Diese Raketen haben demnach erneut einige Menschenleben gefordert. „Mein Kollege, der durch den Krieg zu einem emotionslosen Menschen geworden ist, hat lapidar den Einschlag von Bomben, häufigen Evakuierungen und Sirenenalarm aufgezählt.“ Ein anderes Krankenhaus in der besagten Stadt sei mittlerweile ausgebrannt, während Prokofievs Bekannter weiterhin Zivilisten und Soldaten mit viel Improvisationskunst behandeln könne.
Improvisationen für Operationen
„In Mykolajiw müssen einige Menschen seit Monaten ohne Wasser auskommen, das führt natürlich auch zu Problemen in Krankenhäusern, was unter anderem die Themen Waschen und Sterilisieren betrifft. Über Pumpen und Brunnen erarbeiten sich die Leute Lösungen, so dass da auch weiter operiert werden kann“, sagt Prokofiev, der auch Schmuggel-Probleme bei anderen humanitären Lieferungen vermutet.
Umso erleichterter war der 42-Jährige, als er quasi Beweis-Fotos vom erfolgreichen Transport mit dem ihm bekannten Chefarzt Vadym Maksymov und Provinz-Gouverneur Witalij Kim erhielt. Zugeschickte Bilder zeigen auch das Ausmaß der Zerstörung an dem Klinikgebäude und in der Umgebung.
Dadurch fühlt sich der Herdecker Urologe motiviert, sich für sein Geburtsland weiter zu engagieren und Kriegsopfern zu helfen. „Ich will derzeit nicht in die Ukraine fahren, sondern hier mit meinen Möglichkeiten Unterstützung organisieren und auf diesem Weg meinen Beitrag leisten“, sagt Dr. Dennis Prokofiev. Er spüre eine große Verantwortung gegenüber den Spendern in seiner Heimat Deutschland. Und: „Vor allem möchte ich, dass eines Tages nicht hier auf unserem Boden Leopard-2-Kampfpanzer im Einsatz sind.“