Herdecke. Künstler Knut Waschkau will Bedürftige unterstützen und hofft, dass Herdecker die Energiepauschale spenden. Zwei hiesige Vereine unterstützen ihn
Das traurige Top-Thema im Herbst 2023: die Energiekrise. Wie die hohe Stromrechnung bezahlen, woher Geld für den Aufschlag bei der Gasversorgung nehmen? Diese Fragen treiben viele um. Manche mehr, manche weniger. Zumal in Herdecke bekanntlich viele Bürgerinnen und Bürger wohnen, denen es finanziell gut geht. Das statistische Landesamt verkündete kürzlich, dass die Menschen hier in der Stadt an den Ruhrseen 2020 ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 31.778 Euro hatten und in Nordrhein-Westfalen damit auf Rang drei lagen.
Zwischen diesen beiden Themen hat Knut Waschkau einen Zusammenhang hergestellt. Der Herdecker ist beruflich als Paartherapeut aktiv und als Künstler bekannt. „In Krisenzeiten sind viele Menschen bereit, sich in Deutschland sozial und finanziell zu engagieren“, sagt der Mittsiebziger, der dabei unter anderem an die Flutkatastrophen oder aktuell an den Ukraine-Krieg denkt. Dessen Folgen wiederum ja auch Menschen oder Betriebe hierzulande in Not bringen.
Der Staat bleibt in Verantwortung
Waschkaus Idee: Wohlhabendere können an Bedürftige die Energiepauschale spenden. Was war das noch mal? Die Bundesregierung zahlt wegen der explodierenden Preise in diesen Tagen und demnächst zur Entlastung 300 Euro (zu versteuern) an Erwerbstätige aus. Während manche momentan und demnächst jeden Cent benötigen, könnten andere dank ihres Einkommens oder Vermögens darauf verzichten. Ein Ansatz, um laut Waschkau Solidarität zu zeigen und zu leben. „Es geht um den empathischen Blick über den eigenen gefüllten Tellerrand hinaus. Wohlgemerkt aber nicht darum, den Staat und seine Organe aus der politischen Verantwortung zu entlassen.“
Ähnliche Idee in Bielefeld
In Bielefeld entstand nun eine ähnliche Idee für einen Energiefonds. Und zwar in einem Friseursalon. Auch dort kam der Gedanke auf, die Energiepauschale zu spenden, um andere Menschen, die in diesem Winter ihre Stromrechnung vielleicht nicht bezahlen können, zu unterstützen.
„Ein gemeinsames Miteinander und füreinander da sein, wenn es darauf ankommt – das macht Solidarität aus“, heißt es.
Daher habe eine Stiftung einen neuen Unterstützungsfonds für Menschen mit geringem Einkommen ins Leben gerufen. Der Bielefelder Energiefonds möchte im bevorstehenden Winter jenen, die Grundsicherung oder Transferleistungen beziehen, einmalig mit einem Energie-Gutschein unter die Arme greifen. Die Empfehlung dafür komme von Beratungsstellen. Das soll direkt und ganz unbürokratisch erfolgen.
Der Herdecker habe den Betrag bereits erhalten. Zuvor hatte Waschkau seiner Familie und im Freundeskreis seinen Verteilungs-Vorschlag erläutert. Sie alle ermutigten ihn, etwas zu unternehmen. Etwa eine Spendenaktion zu organisieren. Also informierte er Barbara Degenhardt-Schumacher als Hauptamtliche im Verein zur Förderung christlicher Sozialarbeit (VCS) und den hiesigen Kinderschutzbund-Vorsitzenden Peter Stachorra. „Die sind beide in Herdecke sehr gut vernetzt und kennen Familien oder Einzelpersonen in Notlagen“, dachte Waschkau, der sich auch in anderen Einrichtungen erkundigt habe.
„Ich hatte erst kürzlich ein Gespräch mit jemandem, der sich wegen seiner Stromrechnung große Sorgen macht. Der könnte zusätzliches Geld gut gebrauchen, das können zum Beispiel sicherlich auch Mitglieder des Herdecker Brotkorbs bestätigen“, erklärte nun Barbara Degenhardt-Schumacher vom VCS bei einem Pressegespräch. Bei ihr und Peter Stachorra kam Waschkaus Idee gut an, so dass sich das Trio nun an die Öffentlichkeit wenden möchte. Also konkret: Wer ab sofort unter dem unbedingt anzugebenden Stichwort „Energiespende“ einen frei wählbaren Betrag für sozial Bedürftige zur Verfügung stellen möchte, überweist Geld auf das VCS-Konto (Sparkasse an Volme und Ruhr, DE33 4505 0001 0009 2693 74). Passenderweise müssen Empfänger bis zu einem Betrag von 300 Euro keine Spendenbescheinigung ausstellen. Der VCS biete das aber an, sofern eine Adresse vorliege. „Sollten wir hohe Summen erhalten, wollen wir für diese Aktion weitere Partner ins Boot holen“, so Peter Stachorra.
Nachweis vorlegen
Wenn in den nächsten Wochen Gelder eingehen, wollen Waschkau, Stachorra und Degenhardt-Schumacher dann die genaue Verteilung überlegen. Klar ist: Finanzspritzen über die Energiepauschal-Weitergaben sollen nur Leute mit Wohnsitz Herdecke erhalten. Bedürftige müssen vor einer Auszahlung neben persönlichen Angaben Nachweise vorlegen, etwa zum Einkommen, zur Kaltmiete, Rente, zu Sozialleistungen, Schulden, Heiz- und Nebenkosten, Wohn- oder Kindergeld. Auch ein Berechtigungsschein für den Brotkorb reiche als Beleg. Schwieriger sei die Frage bei Leistungsempfängern, die Heizkosten erstattet bekommen. Eine Vermögensaufstellung fordere das Trio nicht ein, gleichwohl aber das Vorlegen einer Energiekostenabrechnung. Wie viel können denn Einzelne aus dem neuen Spenden-Topf erhalten? „Das werden wir sehen, natürlich bemühen wir uns um eine gerechte Aufteilung und prüfen die soziale Bedürftigkeit. Wir wollen uns sehr konkret einen Eindruck verschaffen können, wer es wirklich braucht.“
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Ein Vorteil: Im überschaubaren Herdecke kennen sich die sozial engagierten Akteure und Ehrenamtler. Sie wissen nicht nur von der eigenen Klientel, wo der Schuh drückt und wer in Notlagen steckt. Wobei das besagte Organisations-Trio jetzt hofft, dass Interessierte den Spendenaufruf auch in deren Umkreis (also auch über Stadtgrenzen hinweg) weiter erzählen. Waschkau will noch hiesige Parteien und Stiftungen anschreiben. Er plant die Aktion zunächst bis Mitte Dezember, da dann die Energiepauschale auch an die Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt sein soll. „Vielleicht bringt die Weihnachtszeit ja auch noch mal einen Schub.“
Zunächst sei er froh, mit dem VCS und dem Herdecker Kinderschutzbund zwei passende Partner für seinen Solidar-Ansatz gefunden zu haben. Er sei nicht naiv, was Hilfe bei Themen wie Alters- und Kinderarmut oder Rezession angehe. Er betrachtet den Appell zur Energiepauschalen-Spende als punktuelles Projekt für eine aktuelle Krise mit dem Fokus auf Herdecke. Dafür wollen Waschkau, Degenhardt-Schumacher und Stachorra werben. „Wir sind gespannt, wie die Idee ankommt“, sagen die Drei, die viel Energie ausstrahlen.