Herdecke. Wie Schülerinnen und Schüler in Herdecke das Gedenken am Volkstrauertag beleben

Es besteht Handlungsbedarf. Bei welchem Thema? Bei der Gestaltung des alljährlichen Volkstrauertages. Im Ausschuss für Schulen, Kultur und Sport stand nun auf der großen Ratssaal-Leinwand: „In den letzten Jahren ist die Besucherzahl in Herdecke drastisch zurückgegangen.“ Die Erinnerungskultur scheine für die Bürgerschaft an diesem Tag kaum mehr wahrnehmbar.

Diese Aussagen gehörten zum Vortrag von zwei Geschichtslehrern der heimischen Friedrich-Harkort-Schule. Martin Schneider und Marius Wingert gingen zunächst – ihrem Beruf entsprechend – auf die Historie des Volkstrauertags (1922 als stiller Feiertag zum Kriegsgedenken eingeführt) und dann auf Herdecker Umstände ein. Als Hauptveranstalter und Schirmherr organisiert hier der Sozialverband VdK das Erinnern mit Kranzniederlegungen in Ende und an der Goethestraße. Einige VdK-Vorstandsvertreter (Ingrid Mond, Heinz-Willy Barteldrees, Dorothea Wenning und Lothar Umland) saßen ebenso im Besuchertrakt wie auch Pfarrer Karl-Heinz Schanzmann und der einstige FHS-Lehrer Willi Creutzenberg. Sie alle erhielten Applaus von den Lokalpolitikern für ihr langjähriges Engagement.

Die beiden Letztgenannten regten vor einiger Zeit eine Neugestaltung des Volkstrauertags, den die Stadtverwaltung ebenfalls mitorganisiert, in Herdecke an. Über die Einbindung von der Realschule am Bleichstein und dem Gymnasium sollten inhaltlich neue Impulse entstehen. Zugleich sollten die Jugendlichen gewissermaßen ein jüngeres Publikum anlocken. Also den Gedenktag neu beleben. „Ist dieser noch zeitgemäß? Oder altmodisch?“, fragte FHS-Geschichtslehrer Marius Wingert und lieferte selbst die Antwort: „Es handelt sich nicht mehr um einen angestaubten Heldentag, das hat sich gewandelt.“ Sichtbar etwa auch im Bundestag.

Das Friedrich-Harkort-Gymnasium beteilige sich seit zwei Jahren an der Trauertag-Gestaltung, so Martin Schneider. Marius Wingert hob hervor, dass es zuletzt stets einen Themenschwerpunkt gegeben habe, 2021 zum Beispiel den Überfall auf die Sowjetunion vor 80 Jahren und den Vernichtungskrieg im Osten, während Herdecker Beteiligte den Fokus auf die Zwangsarbeit legten. „Auch im Unterricht wollen wir für diese Erinnerungskultur sensibilisieren“, so Wingert. Ein FHS-Leistungskurs Geschichte widme sich derzeit jüdischen Schicksalen.

Gute Voraussetzungen

Der optimistische Ansatz, um sowohl welt- als auch lokalgeschichtliches Gedenken im November sichtbarer zu machen: „In einer Kleinstadt wie Herdecke gibt es beste Bedingungen und Strukturen, um das öffentliche Erinnern in einer Gemeinde mitzugestalten“, hieß es im Lehrer-Vortrag. Weitere Stichworte dazu: kurze Wege, bestehende Kontakte der Beteiligten (auch zur evangelischen Kirchengemeinde). Schülerinnen und Schüler könnten mit ihren „differenzierten Beiträgen“ womöglich in kritischer Distanz dem Anlass eine andere Note verleihen als es zuvor der Fall war.

All dies müsse aber ausgebaut werden, forderten Schneider und Wingert. Wobei der Volkstrauertag am 13. November 2022 wegen des Kriegs in der Ukraine 2022 ohnehin unter einem besonderen Stern stehe. „Wir wollen neues Interesse wecken“, sagte das Duo und appellierte auch an die heimischen Politiker, das traditionsreiche Gedenken zu unterstützen und zu besuchen oder gar selbst Impulse zu geben.

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