Wetter. Wo Steuerberater Thilo Söhngen aus Wetter die größten Herausforderungen und Hilfsangebote sieht bei der neuen Grundsteuererklärung

Über Unterlagen grübelnde Grundstückseigentümer, Task-Forces in größeren Betrieben und Hochbetrieb beim Steuerberater – die Reform der Grundsteuer in NRW wirft Fragen auf. Einige von ihnen beantwortet hier Steuerberater Thilo Söhngen aus Wetter.

Haben Sie Ihren Mitarbeiterstab verstärkt wegen der Grundsteuer?

Thilo Söhngen: Nein, aber wir haben Kapazitäten umgeschichtet und einen Berater bestimmt, der sich besonders mit dieser Materie auseinandersetzt und das Referat Grundsteuer übernommen hat. Ihm ist eine weitere Mitarbeiterin zugeordnet. Das geht natürlich zu Lasten anderer Aufträge.

Wer sucht beim Thema Grundsteuer Hilfe beim Steuerberater - Privatleute, Firmen?

Die Mandanten, die wir auch sonst vertreten, beauftragen uns auch für die Grundsteuer. Es ist eher die Ausnahme, dass einer unserer Kunden sagt, die Grundsteuer mache ich jetzt selbst. Wir haben daher Fragebögen verschickt, in denen die Mandanten nötige Angaben vereinfacht einfügen können wie für eine „kleine Steuererklärung“. Wir schauen dann, ob die Daten plausibel sind und reichen das ein.

Was ist mit spontanen Hilferufen von Menschen, die noch keine Mandanten sind?

Vereinzelt gibt es solche Anfragen. Aber die lehnen wir ab. Wir haben von vorneherein gesagt, dass wir diesen Service nur unseren Mandanten anbieten. Das ist schon zeitliche Herausforderung genug, deren Umfang wir im Moment noch überhaupt nicht ermessen können. Noch sind wir in der Datenerfassung, manche kommen nur sehr zögerlich. Und die großen Brecher, die uns sicherlich lange beschäftigen werden, sind da noch gar nicht bei.

Sie beschränken sich also auf die vorhandenen Mandanten?

Wir haben ja auch noch andere Aufträge, die alle fristgebunden sind. Deren Erledigung schulden wir unseren Mandanten auch. Auch abgesehen von Corona: Wir arbeiten auch so schon am Limit. Die Grundsteuer hätten wir nicht mehr gebraucht. Das geht aber der ganzen Branche so.

Was ist eigentlich so schwierig an dieser zusätzlichen Steuererklärung?

Das sind die Angaben zur Wohn- oder Nutzfläche. Alle anderen Angaben sind relativ gut nachvollziehbar zu ermitteln – die Eigentumsverhältnisse etwa. Allerdings hat die Verwaltung mit dem Geodatenportal eine gute Arbeit geleistet, die Bodenrichtwerte sind auch einfach zu ermitteln. In dem Moment, wo es in die Fläche geht, wird’s schwierig. Im Privaten ist da auch meine eigene Bauakte dünn bestückt. Das Problem liegt im Faktischen, in der genauen Bestimmung des Wohnraums etwa. Wir fragen dann: Haben wir Mietverträge? Ergeben sich aus den Mietverträgen Wohnflächen? Ist die Summe aller Wohnflächen mit den Angaben in Übereinstimmung zu bringen?

Ist diese Recherchearbeit für Menschen ohne das Vorwissen eines Steuerberaters eine große Hürde?

Unangenehme Dinge schiebt der Mensch immer gerne auf. Hier liegt das Unangenehme sicherlich darin, dass der Sinn des Ganzen dem Bürger weitgehend verschlossen bleibt: Ich gebe eine abstrakte Erklärung ab, und ich weiß nicht, ob meine Grundsteuer steigt oder sinkt oder gleich bleibt. Das werde ich 2025 wissen.

Ginge das nicht alles auch einfacher?

Alle Daten, die abgefragt werden, sind eigentlich öffentlich-rechtlich vorhanden. Verbandsweit geht Kritik in Richtung Politik, warum man die Digitalisierung nicht stärker nach vorne getrieben hat, um letztlich die Daten zu einer Erklärung zusammen zu fügen. Der Bürger hat jetzt die Aufgabe, die eigentlich die Finanzverwaltung machen müsste und auch machen könnte. Die Verwaltung hat zudem in den letzten 60 Jahren eigentlich zehnmal die gesetzliche Verpflichtung gehabt, ihre Datenlage zu verbessern und hat es zehnmal nicht getan – bis das Bundesverfassungsgericht jetzt gesagt hat: Nun muss es aber sein. Und dann wird die Aufgabe an den Bürger übertragen.

Wenn alles ausgefüllt und verschickt ist – ist die Sache dann erledigt?

Ich befürchte, dass alles, was wir jetzt machen, in sechs Jahren wieder als verfassungswidrig erklärt wird, weil beispielsweise keine tatsächliche Miete angesetzt wird, sondern nur eine typisierte Miete. Gleiches gilt für den Bodenrichtwert, der unabhängig von der Nutzbarkeit für das gesamte Grundstück angesetzt wird. Es könnte gut sein, dass einzelne Betroffene die Ungleichheit reklamieren.

Lässt sich für den einzelnen Steuerpflichtigen abschätzen, ob künftig mehr von ihm zu zahlen ist – manche Rechenprogramme bieten das an?

Das ist Glaskugel. Ich habe das für mein Haus zwar auch gemacht. Die Ersparnis, die ich demnach bekäme, werde ich aber mit Sicherheit nicht im Vorgriff ausgeben.

Bei Ihnen geht alles digital raus. Gibt es für den einzelnen Bürger einen Weg, beim Papier zu bleiben?

Im Ausnahmefall geht auch die papiergebundene Erklärung. Nachvollziehbar möchte die Finanzbehörde das nicht so gerne, weil es um eine Massenerhebung geht. Das, was in Papierform ankommt, muss bei der Finanzverwaltung aufwendig nacherfasst werden. Aber: Da wird keiner allein gelassen. Die Finanzämter leisten da einen tollen Job. Die sind ja nicht Schuld an dem Druck, der in diesem Verfahren ist. Die sind wie wir oder die betroffenen Bürger nur ausführendes Organ. Die Finanzämter können nun wirklich gar nichts dafür. Landesweit 500 Leute an der Hotline – das hat ja ein Industrieunternehmen nicht. Diese 500 Leute fehlen natürlich an anderer Stelle auch. Wir bemerken, dass die übliche Bearbeitung sich verlangsamt.

Gibt es eigentlich so etwas wie eine Protestbewegung oder sich abzeichnenden Widerstand?

Davon ist mir nichts bekannt. Ich glaube, das macht jeder mit sich selbst aus.

Hilfestellung

Möglichkeiten der Abgabe sind:

• Vordrucke einfach online ausfüllen und abschicken mit ELSTER: www.elster.de

• Elektronisch abgeben über andere Software-Anbieter, die diesen Service anbieten.

• Nur, wenn die Online-Abgabe nicht möglich ist: Vordrucke handschriftlich ausfüllen und abgeben.

Papier-Vordrucke gibt es im Finanzamt Witten an der Ruhrstraße 43.

Infos

• Check-Listen, Ausfüllanleitungen für ELSTER und Erklär-Videos zum Grundsteuerportal: www.grundsteuer.nrw.de

• Hotline in Witten 02302 921-1959 (Mo. - Fr. 9 - 18 Uhr).

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