Herdecke. 50 Stücke hat das Ensemble des Stiftsplatztheaters in 50 Jahren aufgeführt. Das erfolgreichste, „Arsen und Spitzenhäubchen“, sogar 50 Mal.

Es ist eine Erfolgsgeschichte, die vor einem halben Jahrhundert ihren Anfang nahm: 1972 bot die Engländerin Eileen-Anne Plümer († 2017) erstmals einen Theater-Kurs bei der Volkshochschule an. Unter den sechs Kursteilnehmern: Ulla Biermann, die heutige Intendantin des Theaters am Stiftsplatz, das in diesem Jahr sein 50-Jahr-Jubiläum feiert. Gemeinsam mit Vorgängerin und Weggefährtin Rosi Reiß, die nur ein halbes Jahr später zu der Gruppe dazu stieß und das Theater über Jahrzehnte mit geprägt hat, blickt sie zurück – auf die bewegte Geschichte des kleinen Kulturbetriebs, der ebenso wie einige Darsteller längst über die Grenzen Herdeckes hinaus Bekanntheit genießt.

Sketche in Altenheimen

„Hubert Schmoll, der damals Lehrer am Gymnasium war, hatte Anne Plümer dazu angehalten, auch einmal eine deutsche Theatergruppe auf die Beine zu stellen. Denn bis dahin leitete sie nur eine englische Dramagruppe“, erinnert sich Ulla Biermann. Und: „Wir haben Sketche in Altenheimen in Dortmund aufgeführt, im GVS-Heim in der Goethestraße und im Philipp-Nicolai-Haus. Das waren hauptsächlich Stücke von Alan Ayckbourn, die Anne übersetzt hatte.“ Das erste große Stück der VHS-Laienspielgruppe war „Bunbury“ von Oscar Wilde – aufgeführt wurde es 1975. Unterstützung bekam die Gruppe schließlich auch vom heimischen Kulturverein.

Der erste Raum

Es sollte bis zum Ende der 1970er Jahre dauern, bis mit dem Einzug in die 35 Quadratmeter kleine Garage am Stiftsplatz der Grundstein für ein eigenes Domizil gelegt wurde. „Der Raum, eine alte Feuerwehrgarage mit einem großen Tor, gehörte der Stadt und war schwer renovierungsbedürftig“, erinnert sich Rosi Reiß. Sie selbst habe damals noch mit dem Gedanken gespielt, sich mit einer Boutique selbstständig zu machen. Doch die Herdeckerin verwarf die Idee und sprach stattdessen bei der Stadt vor mit der Bitte, die alte Garage als Probenraum nutzen zu dürfen.

Frauen der ersten Stunde: Intendantin Ulla Biermann (links) und ihre Vorgängerin Rosi Reiß erinnern sich an Bemerkenswertes aus fünf Jahrzehnten Theatergeschichte.
Frauen der ersten Stunde: Intendantin Ulla Biermann (links) und ihre Vorgängerin Rosi Reiß erinnern sich an Bemerkenswertes aus fünf Jahrzehnten Theatergeschichte. © Elisabeth Semme

„Der Kulturverein spendete die Tür, die Stadt renovierte, vom Gymnasium haben wir Podeste bekommen, Manfred Kaufhold sanierte die Decke. Letztlich haben ganz viele geholfen, um das alles zu finanzieren. Obwohl das Ensemble nach wie vor keinen eigenen Ort für seine Aufführungen hatte, sondern oft etwa auf dem Stiftsplatz spielte, verschwand Ende der 1980er Jahre die Bezeichnung VHS-Laienspielgruppe: Das Theater am Stiftsplatz war geboren. Die erste Inszenierung unter diesem Namen war Shakespeares Sommernachtstraum: Die Premiere fand am 27. Juni 1981 statt, und es gab für jedes Ensemblemitglied eine Rolle – und sei es nur als „textloser“ Schneider (Helmut Jürgens) oder Kesselflicker (Gerhard E. Sollbach). Ulla Biermann spielte die Elfenkönigin, Rosi Reiß den Puck.

Regen zerstört Eselsmaske

„Das waren ganz bemerkenswerte Aufführungen. Einmal fing es so heftig an zu regnen, dass wir Schauspieler uns alle hier im Probenraum untergestellt haben. Die 100 Zuschauer standen auf, kippten ihre Stühle hoch und verschwanden. Aber sie gingen nicht nach Hause, sondern kamen nach dem Regen zurück. Das war sehr bewegend“, erzählt Ulla Biermann. Unvergesslich blieb aber ebenso die Szene, als der Regen Uli Kans Eselsmaske aus Schaumgummi dermaßen zusetzte, dass die Ohren nur noch schlapp herunter hingen. „Das war so lustig, dass mir auch dieser Anblick immer in Erinnerung bleiben wird“, so die Intendantin.

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Das allererste Stück, das überhaupt in dem kleinen, zum Zimmertheater umgebauten Raum, aufgeführt wurde, war „Gefährliche Kurve“. „Es passten nur 35 Leute rein, der Eingang war direkt am Stiftsplatz. Und es war eigentlich brandgefährlich“, so Rosi Reiß. Vier Jahre später erfolgte der erste Um- und Ausbau, bei dem das Theater um die Fläche eines benachbarten Geschäfts vergrößert wurde.

Top-Erfolgreich: Arsen und Spitzenhäubchen

„Wir haben tatsächlich 50 Stücke in 50 Jahren gespielt“, rechnet Ulla Biermann nach. In den Anfängen seien noch alle berufstätig gewesen, worauf Rücksicht genommen werden musste. „Jetzt sind fast alle Rentner, und einige Ensemblemitglieder der ersten Stunde wie Eileen-Anne Plümer, Emil Witten und Hans-Günter Saure sind bereits verstorben“, so Biermann. Den allergrößten Erfolg feierte das Theater am Stiftsplatz 1998 mit dem Stück „Arsen und Spitzenhäubchen“: „Die Leute standen Schlange bis zum Haus Pfingsten, um Karten zu bekommen. Wir haben es mindestens 50 Mal gespielt.“

„Aber wir haben auch schwierige Stücke sehr erfolgreiche aufgeführt“, so Rosi Reiß und denkt dabei etwa an Thomas Bernhards Werk „Vor dem Ruhestand“: „Christof Schreifels führte erstmals Regie, und Hans-Günter Saure trug eine Nazi-Uniform. Auch „Geschlossene Gesellschaft“ von Sartre gehörte zu den jenen „albtraumhaften Stücken, die unter die Haut gingen“.

Jörg Hartmanns erste Bühnenerfahrung

Und nicht zuletzt ist aus dem kleinen Zimmertheater eine der ganz großen deutschen Schauspieler-Persönlichkeiten hervorgegangen: Jörg Hartmann sammelte am Stiftsplatz in dem Stück „Unsere kleine Stadt“ 1988 im Alter von 18 Jahren erste Bühnenerfahrungen. Ulla Biermann: „Er hat noch in einem zweiten Stück, ,Die Zeit und die Conways’ von Priestley, mitgespielt, und danach ist er auch schon zur Schauspielschule gegangen.“

Neues Stück

Die Feier zum 50-Jährigen findet am 13. August mit Bürgermeisterin Katja Strauß-Köster und Sponsoren im Bootshaus des Ruderclubs statt. Mit Rücksicht auf die derzeitige Situation gibt es kein öffentliches Fest.

Das aktuelle Stück „Tratsch im Treppenhaus“ von Jens Exler wird Anfang Dezember Premiere feiern.