Herdecke. Warum Herdecker nach Dortmund ziehen, auch wenn sie gerne in Herdecke geblieben wären, und was das für Folgen hat
Zwei Jahre haben Kai Reuter und seine Frau intensiv gesucht. In Dortmund, Witten, Hagen und Wetter haben sie sich Häuser für die wachsende Familie angesehen. Nicht eines in Herdecke. „Hier war einfach nichts zu finden“, sagt Reuter – und hat die Konsequenz gezogen. Der Ur-Herdecker wohnt jetzt im eigenen Einfamilienhaus in Dortmund-Kruckel.
In Herdecke ist Kai Reuter groß geworden, zur Schule gegangen, und hier hatte er auch mit seiner Frau eine Eigentumswohnung. Mit einem Kind ging das noch. Für zwei Kinder war das Kinderzimmer aber einfach zu klein, denkt Reuter zurück. Als sich wieder Nachwuchs ankündigte, begann die große Sucherei nach einem eigenen Heim in Herdecke. Mittlerweile hat die Familie drei Kinder und Platz genug für alle in Dortmund.
400 Meter Grundstück drumherum, freistehend, gerade mal fünf Jahre alt – von einem solchen Haus wie dem in Dortmund war in Herdecke nur zu träumen. „Klar, eine Villa am Ahlenberg hätten wir begutachten können“, sagt der 39-Jährige, der in der Druckbranche arbeitet. Ahlenberg passte aber nicht zum Geldbeutel. Ansonsten: „Der Markt war leer gefegt.“
Nur der Frisör ist geblieben
Im Internet waren Kai Reuter und seine Frau unterwegs, bei Immobilienhändlern haben sie auf die Angebote geschaut. Ein Mehrfamilienhaus mit Gewerbe, das hätten sie vielleicht kaufen können. Also eigentlich nur Fehlanzeige. Auch die Verbundenheit im Ort half nicht weiter. Freunde der Eltern, Bekannte, Verwandte – alles Umhören half nichts. Und dann ist es Dortmund geworden.
Anfangs waren die Reuters ihrer Herkunftsstadt noch sehr verbunden. Den Einkauf im Quartier Ruhraue haben sie gerne mit einem Bummel an der Ruhr entlang und einem Kaffee auf dem Boulevard verbunden. Mittlerweile finden aber auch der Kita-Besuch und das Kinderturnen in Dortmund statt. „Das hat sich sehr verlagert“, sagt Kai Reuter, dessen Kinder mittlerweile drei, vier und sechs Jahre alt sind. Nur zum Friseur geht es für die ganze Familie weiter nach Herdecke in die Fußgängerzone.
Reuter hat sich immer sehr wohl gefühlt, will wegen des Umzugs nach Dortmund aber, wie er selbst sagt, „die Kirche im Dorf lassen.“ Kruckel sei schließlich nicht aus der Welt, und kleinstädtische Ruhe ließe sich auch in Dortmunder Vororten finden. Eine Wunde reiße es jedenfalls nicht auf, wenn er weiter zu den Eltern nach Herdecke oder zu alten Freunden fährt. Im neuen Haus in der Nachbar-Großstadt fühle er sich aber „sehr, sehr glücklich.“
Aderlass für die Stadt
Wo also liegt das Problem? Für sich selbst sieht Kai Reuter keines. Aber für die Stadt, in der er groß geworden ist und der er sich weiter verbunden fühlt. „Ich bin ja schließlich kein Einzelfall“, sagt er, und findet „es schade, dass junge Familie und Bürger die Stadt verlassen müssen. So bleibt am Ende nur der harte Kern unter sich“. Und Herdecke tritt auf der Stelle.
Zu wenig Wohnraum
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum gerade für jüngere Familien in Herdecke ist bekannt.
Zuletzt konnte auf der Westfalia-Fläche gebaut werden.
Das Gelände der Grundschule im Dorf wird gerade zu einem Wohngebiet mit rund 100 Wohneinheiten entwickelt.
Aktuell haben CDU, Grüne und FDP gemeinsam einen Vorstoß gemacht, um Baulücken am Semberg zu schließen.