Wetter/Herdecke. Nichts für die Tonne übrig lassen wollen immer mehr Lebensmittelhändler und Kunden in Wetter und Herdecke. Welche Rolle dabei Apps spielen können

Zum Wegschmeißen zu schade – das sind viele Lebensmittel, die in Supermärkten, Restaurants, Bäckereien und anderen Betrieben nicht mehr verkauft werden (können). Die Gründe sind unterschiedlich. Mal entspricht die Gurken-Form nicht der Norm, mal nähern sich Quark und Knödelteig dem Mindesthaltbarkeitsdatum oder sind knapp drüber – wenngleich durchaus genießbar. Damit diese Lebensmittel nicht in die Mülltonne wandern, sondern zum vergünstigten Preis zum Kunden finden, registrieren sich immer mehr Unternehmen bei Apps wie „Too Good To Go“ (was so viel heißt wie „zu gut zum Wegwerfen“) – auch in Wetter und Herdecke.

Die Nudelmanufaktur

Im Herbst letzten Jahres hat sich Sabine Preuten, Inhaberin der Nudelmanufaktur Pasta Passion in Herdecke, der App angeschlossen. Ihr gehe es nicht ums Geld, sondern darum, die Idee zu unterstützen, dass Lebensmittel nicht im Müll landen. Denn tatsächlich bleibt bei Sabine Preuten am Ende des Tages nichts übrig: „Es gibt keine Reste. Ich koche nur das, was ich auch verkaufe.“ Dennoch passiere es, dass sie mal zwei Sorten ihrer frisch zubereiteten und dann schockgefrosteten Ravioli aus Versehen gemischt verpacke. „Die kann ich dann ja nicht mehr öffnen und sortieren. Ein solches gemischtes Paket gebe ich über die App ab. Ebenso gibt es Produkte mit verkürztem Mindesthaltbarkeitsdatum, die aber noch drei Monate haltbar sind. Das sind zum Beispiel Band- oder Kurznudeln oder Gnocchi“, so Sabine Preuten. Auch auslaufende Saisonartikel gibt die Herdeckerin zum vergünstigten Preis ab. In der Regel biete sie von Montag bis Freitag jeweils einen Artikel aus ihren beiden Produktgruppen bei Too Good to Go an.

Geld verdienen könne sie damit nicht, erklärt die Herdeckerin. Es werde erwartet, dass alle Produkte nur ein Drittel des Ursprungspreises kosten. Und davon gehe noch ein (wenn auch kleiner) Teil als Provision an die App-Betreiber. „Ich bekomme drei Monate später den Rest. Es geht hier nicht um monetäre Gründe. Aber es wird immer wichtiger, ökologisch mit Rohstoffen umzugehen und Lebensmittel nicht einfach wegzuschmeißen. Hier gibt es das ökologisch gute Gewissen in Verbindung mit einem Schnäppchen für die Kunden, und am Ende ist es eine Win-Win-Situation für alle“, so die Herdeckerin. Und sie ergänzt: „Die Leute, die hier abends eine Box abholen, freuen sich immer so. Manche kommen dafür sogar aus Dortmund, Hagen und Wetter.“

Der Mint-Markt

Auch Sebastian Stosik, der mit Ehefrau Isabella den Mint-Markt auf dem Herdecker Nacken betreibt, hat vor einem Vierteljahr diese Art der Lebensmittelrettung für sich entdeckt. Er bietet täglich etwa fünf bis acht der sogenannten „Magic Bags“ an. Einige sind mit Konserven, verpackter Wurst, Joghurt und ähnlichem gefüllt. „Darunter ist auch abgelaufene Ware, die noch verzehrbar ist. Ich packe außerdem auch Snack-Tüten mit Süßigkeiten und Chips. Für den Kunden ist es schön, weil er eine dicke Tüte für wenig Geld bekommt“, weiß der Geschäftsführer. „Was dann noch übrig bleibt, geht an Food-Sharing, die drei Mal in der Woche zu uns kommen, so dass wir eigentlich gar nichts mehr wegschmeißen müssen“, sagt Sebastian Stosik. Aktuell überlege er, SB-Waren aus der Fleischtheke am Tag Ablaufdatums abends einzufrieren und diese Produkte dann ebenfalls über die App zum vergünstigten Preis abzugeben. „Die tiefgefrorenen Produkte sind ja noch ganz normal verzehrbar. Ich glaube, das kommt gut an“, so der Geschäftsmann.

Große Snack-Boxen für kleines Geld gibt es bei Sebastian Stosik im Mint-Markt auf dem Nacken.
Große Snack-Boxen für kleines Geld gibt es bei Sebastian Stosik im Mint-Markt auf dem Nacken. © WP | Elisabeth Semme

Der Daily-Supermarkt

Reichlich Erfahrung in Sachen Lebensmittelrettung per App hat Johannes Stüwe, Inhaber des kleinen „Daily“-Supermarktes in Alt-Wetter gesammelt: Er ist schon seit Herbst 2020 dabei und hat allein im letzten Jahr 259 Taschen prall gefüllt mit Lebensmitteln zum vergünstigten Preis abgegeben. „Die App hat das eingesparte CO2-Äquivalent in Kilo ausgerechnet. Da kommen 647 Kilo zusammen“, freut sich Stüwe. Er erklärt: „Es kommt immer mal wieder vor, dass eine Menge zu groß ist oder etwas nicht so gut läuft. In der Vergangenheit gab es dann die Alternative Brotkorb oder wegschmeißen. Aber um den Mülleimer zu füllen, kaufen wir die Sachen nicht. Der Brotkorb holt auch weiterhin bei uns ab, wir teilen das schon auf.“ Zwei verschiedene Tüten packt und verkauft Johannes Stüwe über die App: eine Überraschungstüte mit Waren aus dem Trockensortiment (Brot, Mehl, Marmelade, Süßigkeiten, manchmal auch Gemüse) und eine Kühltüte mit vorwiegend Molkereiprodukten wie Sahne, Pudding, Joghurt. Auch er sieht, dass es bei dieser Art der Lebensmittelrettung nur Gewinner gibt. „Und es gibt noch einen Vorteil für uns Händler; denn es kommen Kunden zum Abholen in den Laden, die sonst nie kommen“, sagt Stüwe und erzählt: „Kürzlich kam ein Pärchen, das aus Hannover nach Wetter gezogen ist, zum Abholen einer Tüte. Die beiden waren in Hannover schon lange bei der App und waren total happy, dass sie den Daily hier in Wetter über die App entdeckt haben. Sie wohnen nämlich ganz in der Nähe.“

Sebastian Stosik, Inhaber des Mint-Marktes in Herdecke (mit Pappkarton und Chipstüten), und Johannes Stüwe vom Daily-Supermarkt in Wetter (mit Mitarbeiter Fabian Braune, links im Bild) geben über die App Too Good To Go Lebensmittel zu stark vergünstigten Preisen an Selbstabholer ab.
Sebastian Stosik, Inhaber des Mint-Marktes in Herdecke (mit Pappkarton und Chipstüten), und Johannes Stüwe vom Daily-Supermarkt in Wetter (mit Mitarbeiter Fabian Braune, links im Bild) geben über die App Too Good To Go Lebensmittel zu stark vergünstigten Preisen an Selbstabholer ab. © WP | Elisabeth Semme
259 Taschen voller Lebensmittel retteten Johannes Stüwe (rechts) und Mitarbeiter Fabian Braune letztes Jahr.
259 Taschen voller Lebensmittel retteten Johannes Stüwe (rechts) und Mitarbeiter Fabian Braune letztes Jahr. © Elisabeth Semme

Gegen Vernichtung und Verschwendung

Too Good To Go ist eine Mobile App, die Kunden mit Restaurants und Geschäften verbindet.

Die Idee dahinter: einmal produziertes Essen nicht wegzuschmeißen, sondern zu einem vergünstigten Preis an Selbstabholer abzugeben.

In Herdecke gibt auch der Rewe-Markt Symalla Gerichte aus der Grilltheke über die App an Selbstabholer ab.

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