Wetter. Barriere aus Beton und in den Köpfen der Bürger abzubauen, das war ein Berufsleben lang die Aufgabe von Axel Fiedler. Der hat noch viele Pläne.

Er hat die Arbeit mit Senioren ebenso wie mit behinderten Menschen in Wetter über zwei Jahrzehnte geprägt. Dass die Harkort­stadt heute so viel weniger bauliche Barrieren und ihre Bürger auch so viele weniger in den Köpfen haben als viele andere Städte im Umkreis, ist nicht zuletzt sein Verdienst. Nun geht der Senioren- und Behindertenbeauftragte der Stadt Wetter, Axel Fiedler, in den Ruhestand. Über Stationen seines Berufs, der für ihn immer auch Berufung war, hat die Lokalredaktion mit dem noch 64-Jährigen gesprochen.

Sie sind 1995 als Stadtjugendpfleger nach Wetter gekommen, wechselten aber bereits drei Jahre später in die Seniorenarbeit. Warum?

Axel Fiedler: Das hatte mehrere Gründe. Erstens bekam ich dort einen festen Arbeitsvertrag, zweitens wollte ich nicht mein Leben lang auf Bauspielplätzen arbeiten und Amateurrockfestivals organisieren, und drittens sprach man damals schon über den demografischen Wandel, darüber dass es immer mehr ältere Menschen geben würde, was mich motivierte, in diesen Bereich zu gehen und da etwas zu bewegen. Zudem bot sich für mich ein nebenberuflicher Studiengang Sozialgerontologie an, in dem ich das wissenschaftlich verfestigen konnte.

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Aber gibt es nicht auch Parallelen in der Jugend- und Seniorenarbeit?

Also der Kinder- und Jugendbereich umfasst einen ähnlich großen Lebensabschnitt wie der Seniorenbereich. Aber die Arbeit mit jungen Menschen ist viel anstrengender, lauter, rauer, während die Arbeit mit älteren Menschen konstanter, verlässlicher ist. Sie umfasst allerdings ein riesiges Themenspektrum, angefangen bei der Frage, wie gestalte ich meinen neuen Lebensabschnitt bis hin zum Umgang mit Krankheit oder Pflegebedürftigkeit.

Wobei Sie ja nicht nur Senioren-, sondern auch Behindertenbeauftragter waren bzw. noch sind...

Genau. Wir haben in Wetter ja schon seit über 25 Jahren einen Behindertenbeirat, weil wir mit der Evangelischen Stiftung Volmarstein und dem Frauenheim auch große Einrichtungen am Ort haben. 2005 trat das Behinderten-Gleichstellungsgesetz in Kraft, das für den Beirat ein Fundament war. Wir waren eine der ersten Städte, die sich auf den Weg gemacht hat, das umzusetzen.

Können Sie mal ein paar Beispiel geben?

Wir haben für alle städtischen Einrichtungen, das sind über 90 Gebäude, eine Priorisierung erstellt nach Wichtigkeit für die Bürger und eine Checkliste zur Begehung. Es wurden 25 Gebäude besichtigt, anschließend haben wir einen Maßnahmen-Katalog zum Abbau von Barrieren erstellt. Große Maßnahmen waren etwa der Bau einer behindertengerechten Toilette in der Sporthalle des Gymnasiums sowie ein Lifter im Hallenbad Oberwengern, mit dem etwa Rollstuhlfahrer ins Wasser gehoben werden können. Der Aufzug am alten Rathaus, der barrierefreie Bürgerbus sind weitere Beispiele. Wir haben viele Treppen mit Kontraststreifen versehen oder mit beidseitigen Haltegriffen ausgestattet.

Dann trat im Jahr 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Was bedeutete die für Ihre Arbeit hier vor Ort?

In Wetter ist daraus 2012 der Aktionsplan Menschengerechte Stadt Wetter entstanden, dessen kurzfristige Ziele wie etwa Hörschleifen im Bürgerbüro schon abgearbeitet sind. Es haben sich Fachforen gebildet, die die Inklusion und Barrierefreiheit immer weiter vorangetrieben haben, so dass sich beides verselbstständigt hat. Alle Projekte werden nun daraufhin überprüft, und ich würde mir wünschen, dass das Thema auch in der gesamten Bevölkerung ankommt. Eines der langfristigen Ziele war übrigens ein zentrales, barrierefreies Rathaus. Jetzt haben wir es. Denn das Verwaltungsgebäude in der Bornstraße war ja überhaupt nicht barrierefrei. Da stand an der Tür zu meinem ehemaligen Büro „Vorsicht Stufe!“ Die Arbeit am Aktionsplan hat mich lange Zeit gebunden, so dass die Senioren ein bisschen zu kurz gekommen sind.

Aber die Senioren haben sich doch auch selbstständig gemacht, oder?

Genau. Vor allem der Seniorenbeirat. Verschiedene AGs wurden eingerichtet. Die Veranstaltungsgruppe etwa hat Tagesfahrten geplant und auch durchgeführt, es hat Computer- und Handyfortbildungen mit Günter Lehn im FTB gegeben. Auch die fröhlichen Seniorennachmittage in der Elbschehalle, bei der die Unterhaltung im Vordergrund stand, haben sie selbst geplant und durchgeführt. Da waren alle Seniorenclubs, die Kirchengemeinden, der VdK und die AWO an Bord. Dann kam Corona, Das war ein ganz großer Einschnitt, der eineinhalb Jahre fast alles zum Erliegen brachte. Das war unheimlich tragisch. Jetzt fängt alles langsam wieder an.

Konnten Sie den Senioren in der Pandemie helfen?

Ich war von Anfang des Jahres bis Mai Ansprechpartner für alle Senioren zum Thema Impfung. Gemeinsam mit dem Bürgerbus haben wir über 100 Senioren zum Impfzentrum nach Ennepetal gebracht. Über Wochen haben mich täglich mehr als 100 Anrufe von älteren Menschen erreicht, die Probleme hatten, einen Kontakt herzustellen bzw. einen Impftermin zu bekommen. Wir haben die Bürger zuvor angeschrieben, dass wir ihnen helfen. In der Zeit war ich sozusagen Impfberater.

Dabei sind Sie ja eigentlich auch Pflegeberater...

Ja, das ist tatsächlich mein dritter großer Arbeitsbereich. Die Pflegeberatung ist in der Pandemie aber noch mehr zu einer telefonischen Beratung geworden und muss neu aufgebaut werden. Dabei geht es in erster Linie um die persönliche Beratung vor Ort. Wir helfen u.a. bei der Antragstellung auf Pflegegrade, Hilfsmittel oder Wohnungsumbauten sowie bei der Vorbereitung auf den Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, damit die Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Da sehe ich schon Fortschritte gegenüber früher, einiges ist schon selbstverständlicher geworden. Ich hoffe, dass auch in der kommenden Generation Barrierefreiheit weiterhin eine große Rolle spielen wird.

In welchen Bereichen klaffen Ihrer Ansicht nach die größten Lücken für alte Menschen?

Das sind ganz klar die Bereiche Wohnen bzw. Leben und Digitalisierung. Immer mehr ältere Menschen leben ja alleine, und es gibt viel zu wenig Konzepte wie Mehrgenerationen-WGs, um älter Werdende aus ihrer Einsamkeit zu holen. So etwas wie Nachbarschaftshilfe ist toll, wo sich auch ältere Menschen, die noch fit sind, um andere ältere kümmern. Der Bereich der Ehrenamtlichkeit muss weiter unterstützt werden. Der zweite Bereich ist die Digitalisierung: Da müssen Ältere noch besser mitgenommen werden. Das steht und fällt aber natürlich mit den Personen, die so etwas wie Computer- oder Handykurse ehrenamtlich leisten können. Vielleicht können da aber in Zukunft auch mal Kooperationen mit Schulen geknüpft werden.

Was haben Sie an ihrem Beruf am meisten geschätzt?

Ich hatte immer mit sehr vielen Menschen zu tun, und ich habe diesen Beruf wirklich geliebt. Aber Corona hat das von einem Tag auf den anderen zunichte gemacht. Das war eine Zäsur. Und den Neuanfang, den überlasse ich nun, zehn Monate früher als ursprünglich einmal geplant, meiner Nachfolgerin Anna-Lena Fröhlking.

Zur Person

Axel Fiedler, geb. am 28. September 1956, ist in Dortmund geboren und aufgewachsen.

An der Fachhochschule studierte er erst Wirtschaft, dann Sozialarbeit. Nach Tätigkeiten in Jugendzentren in Waltrop und Lünen (dort als Einrichtungsleiter) absolvierte Axel Fiedler eine Weiterbildung im Social Management und wurde 1995 Stadtjugendpfleger in Wetter. 1998 wechselte er ins Seniorenbüro der Stadt Wetter.

Von 2003 bis 2006 absolvierte Fiedler den nebenberuflichen Studiengang Sozialgerontologie. Der Diplo-Sozialgerontologe arbeitete fortan als Senioren- und Behindertenbeauftragter sowie als Pflegeberater der Stadt Wetter.