Herdecke. Fünf Bewerberinnen und Bewerber für den nächsten deutschen Bundestag hatten in der Wahlarena nur 90 Sekunden Zeit, um eine Frage zu beantworten.
Fünf Bewerberinnen und Bewerber für den nächsten deutschen Bundestag trafen in der Wahlarena der Lokalredaktion aufeinander. Redaktionsleiterin Yvonne Held und Dr. Ralf Geruschkat von der SIHK stellten die Fragen – und dann zählte die Uhr rückwärts jeweils 90 Sekunden für die Antwort. Ein schneller Wechsel und manchmal auch flotter Schlagabtausch war die Folge. Viel Konsens war feststellbar, auch wenn der Vertreter der AfD dabei meist ausgeschlossen blieb. Insgesamt aber ging es fair zu, stellte Ralf Geruschkat fest. Die SIHK war wie der Märkische Arbeitgeberverband Mitveranstalter. Hier eine Auswahl der insgesamt zwölf Fragerunden:
Wie kommen Klimaschutz und Wettbewerb in Einklang?
Ina Gießwein:Indem wir eine Politik machen, die Klimaschutz nach vorne bringt, durch Investitionen, durch Anreize, aber vor allem durch Planbarkeit - damit die Wirtschaft Sicherheit hat und weiß, sie kann sich Klimaschutz leisten.
Carl-Dietrich Korte: Dadurch, dass man sich vor Augen führt: Das Problem Klimaschutz kann sowieso nur international gelöst werden. Wenn das Klima gerettet werden soll, geht das nur durch internationale Abkommen.
Anna Neumann: Marktwirtschaft ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Deutschland kann sich da nicht aus der Verantwortung nehmen. Man kann nicht rein national denken, da müssen wir global und innovativ denken. Wir werden aber nicht Wohlstandsreduktion betreiben können, um Klimareduktion zu betreiben.
Hartmut Ziebs:Ich bin fest davon überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft so stark ist, dass sie den Klimawandel bewältigen wird. Ich bin auch überzeugt, dass wir so viel Innovation an den Tag legen werden, dass wir sogar mit neuen Technologien zur Veränderung des Klimas Weltmarktführerschaft erreichen können. Selbst wenn der Klimawandel ein internationales Problem ist, heißt das ja nicht, dass wir nichts tun müssen.
Axel Echeverria: Wir brauchen eine neue industrielle Revolution. Wir müssen zusammen mit Wissenschaft, mit der Bevölkerung, aber auch zusammen mit der Wirtschaft daran arbeiten, dass wir bis spätestens 2045 wirklich klimaneutral sind. So lange es teurer ist, Klimaneutral zu produzieren, müssen wir die Wirtschaft dabei auch unterstützen.
Schwerpunkte im heimischen Wahlkreis?
Hartmut Ziebs: Für mich ist das die Frage: Wie kann man in Würde alt werden? Was können wir tun gegen Altersarmut, gegen Vereinsamung? Wie können wir den Gesundheitsstandort Ennepe-Ruhr-Kreis stärken? Wir haben wahnsinnig viele Einrichtungen in diesem Bereich. Außerdem stellt sich für mich die Frage: Wie können wir Handwerk und Mittelstand fördern? Wie kommen wir dahin, dass es wieder normal ist, mit der Hand zu arbeiten?
Axel Echeveria: Wir brauchen ganz dringend eine Entlastung der kommunalen Haushalte. Das ist das A und O. Da hängt der Öffentliche Nahverkehr von ab, die Straßen, der Ausbau von Digitalisierung, die Schulen. Wir brauchen dafür dringend eine Lösung bei den Altschulden. Städte müssen so ausgestattet sein, dass sie die Daseinsfürsorge vor Ort leisten können.
Ina Gießwein: Wir brauchen in allen Städten eine gute Innenstadtentwicklung. Dabei steht das Verkehrswegenetz im Mittelpunkt. Wir brauchen einen guten Ausbau für Fahrradwege und die nötige Planung. Wir brauchen gute Bildungsangebote, offene Freibäder und die Weiterentwicklung von Quartierskonzepten, damit die Menschen zuhause alt werden können.
Carl-Dietrich Korte: Wir brauchen sehr, sehr viel – woher kommt denn das Geld für all diese Dinge? Das muss alles erst einmal erwirtschaftet werden. Daher müsste Wirtschaftsförderung einen ganz zentralen Stellenwert einnehmen. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass manches immer weniger auf einer soliden Basis steht.
Anna Neumann: Bildung ist super wichtig. Ich bin es leid, dass sich der Bund aus diesen Finanzierungsfragen raus zieht. Ich finde das System des Föderalismus an diesem Punkt völlig veraltet, da brauchen wir eine Neudefinition. In Bildung zahlt sich jeder Cent doppelt und dreifach aus. Zweite Aufgabe muss die Wettbewerbsfähigkeit unseres Kreises sein. Ich würde mir wünschen, dass die Redaktion irgendwann titeln kann: „Herdecker Startup entwickelt neue Technologie im Kampf gegen den Klimawandel“.
Der Joker: Fragen an den Nachbarn
Carl-Dietrich Korte an Anna Neumann: Wie denkt sie über Thüringen, wo die AfD einen Ministerpräsidenten der FDP mitgewählt hat, der dann aber gleich wieder zurück getreten ist?
Anna Neumann: Wenn eine in Teilen misogyne, antisemitische, homophobe Partei durch solche Spielchen versucht, sich in das bürgerliche Milieu zu verschieben, ist das peinlich. Mir ist das unangenehm, immer noch. Ich finde es vollkommen richtig, dass das rückgängig gemacht wurde.
Anna Neumann an Hartmut Ziebs: Gibt es mit ihm Steuererhöhungen oder nicht?
Hartmut Ziebs: Ich kann zusagen, dass es mit der CDU keine Steuererhöhungen geben wird. Es ist Teil der Demokratie, dass auch ein Kanzlerkandidat einmal etwas anderes sagen kann.
Hartmut Ziebs an Axel Echeverria: Kann er sich eine neuerliche große Koalition mit der CDU vorstellen?
Axel Echeverria: Nein. Die Gemeinsamkeiten auf beiden Seiten sind aufgebraucht. Nur einen einzigen Grund für ein Bündnis mit der CDU kann ich mir vorstellen -- dass die AfD keine Macht in diesem Land bekommt.
Axel Echeverria an Ina Gießwein: Die Grünen sprechen oft von Fonds – warum sagen sie nicht gleich Schulden?
Ina Gießwein: Wir nehmen das Wort Fonds. Einen Klimafonds haben wir, bei dem wir Schulden für diesen Bereich machen. Wir haben es umschrieben: Dafür wollen wir die Schulden einsetzen.
Ina Gießwein an Carl-Dietrich Korte: (verkürzt) Wie ist es mit der AfD und dem Klimawandel?
Carl-Dietrich Korte: Es ist nicht richtig, dass meine Partei den Klimawandel leugnet. Richtig ist, dass meine Partei die Dinge etwas anders sieht. Dieser Klimawandel ist nicht so dramatisch, wie er meistens dargestellt wird.
Kanzler, Kanzlerin? Und welche Koalition?
Hartmut Ziebs: Der nächste Bundeskanzler heißt Armin Laschet, und vermutlich bekommen wir Schwarz-Grün mit Gelb.
Axel Echeverria: Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließe ich grundsätzlich aus. Eine Koalition? Am liebsten mit den Grünen. Wenn es nicht reicht, müssen wir mal mit der FDP reden, oder auch mal mit der Linkspartei. Und: Der nächste Kanzler heißt Olaf Scholz. Die Aufholjagd zeigt es.
Ina Gießwein: Es wird bei einer Kanzlerin bleiben. Sie heißt Annalena Baerbock. Man muss dann ausloten, wie ist der Wählerwille, wie passt es am besten?
Carl-Dietrich Korte: Ich erwarte, dass Armin Laschet Kanzler wird. Für Deutschland wäre am besten eine Koalition mit SPD und FDP.
Anna Neumann: Ich habe keinen Favoriten. Am Ende werden sowieso die Inhalte erst mal das Wichtige.
Wahlarena auch im Netz
Die Bewerberrunde bestand aus Axel Echeverria (SPD, Witten), Ina Gießwein (Grüne, Schwelm), Carl-Dietrich Korte (AfD, Ennepetal), Anna Neumann (FDP, Hattingen) und Hartmut Ziebs (CDU, Schwelm). Clemens Jost (Linke, Hattingen) musste kurzfristig absagen.Moderiert wurde von Redaktionsleiterin Yvonne Held und SIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Ralf Geruschkat.Im Netz gibt’s die Aufzeichnung unter wp.de/wahlarena-herdecke