Wetter/Herdecke. Das Stressniveau sinkt nachweislich ab, sagt Dr. Andreas Krombholz. Und auf Reisen legen wir Rollen ab und damit auch Verantwortung.

Beim Corona-Check rutschte das Reisen auf die Frage „Was vermissen Sie besonders?“ an Position 3. Darüber haben wir mit dem Psychologen Dr. Andreas Krombholz gesprochen, im Berufsbildungswerk der Evangelischen Stiftung Volmarstein Leiter des Psychologischen Dienstes.

Warum ist Reisen für uns so wichtig?

Andreas Krombholz: Reisen spielt für uns aus verschieden Gründen eine wichtige Rolle. Da entdecken wir Neues, sei es die Landschaft, die Sprache oder die Kultur. Und so weiter. Neues ist für unser Gehirn immer spannender als Dinge, die wir jeden Tag sehen oder erleben. Daher verändern sich die Wahrnehmung und die Wertigkeit für das Erlebte: Die alte Kirche am Urlaubsort wird beispielsweise spannender und interessanter eingeschätzt als die alte Kirche am Heimatort. Die Wertigkeit der Dinge am Urlaubsort erhöht sich dadurch, dass sie nicht immer ohne Weiteres zu erleben sind. Der Tag am Strand ist für jemanden, der nicht dort wohnt, eine Ausnahme, daher wertvoller. Reisen stellt für uns insgesamt eine Belohnung dar – vielleicht hat man drauf gespart, zumindest hat man drauf hin gearbeitet. Ebenso gibt es im Urlaub viele kleine und auch größere Belohnungen, man geht häufiger essen, achtet nicht unbedingt auf das Geld. Unser Belohnungssystem im Gehirn wird also häufiger angesprochen.

Besonders stark vermissen Frauen und die 41- bis 60-Jährigen das Reisen. Sind diese Gruppen durch Mehrfachbelastung (Job, Haushalt, Kinder, pflegebedürftige Eltern) besonders erholungsbedürftig?

Die Erholungsbedürftigkeit spielt sicher eine Rolle, allerdings dürfte sie auch in anderen Altersklassen zu finden sein. Ein weiterer Aspekt kann sein, dass man in dieser Altersklasse den Urlaub unbeschwerter genießen kann, da sich beruflich und privat ein sicherer Status erarbeitet worden ist. Die finanzielle Situation erlaubt möglicherweise die Art von Reisen, die vorher nicht möglich waren, zum Beispiel aufgrund von Kindererziehung etc.

Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen freier Zeit daheim und freier Zeit in der Ferne?

Wenn wir uns auf Reisen begeben, legen wir damit auch bestimmte Rollen ab, die wir im Alltag im häuslichen Umfeld übernehmen. Damit geben wir einen Teil der Verantwortung ab, die mit den Rollen verknüpft sind. Bleiben wir zuhause, erinnert uns allein die gewohnte Umgebung permanent an unsere Rollen und die damit verbundene Verantwortung. So fällt es uns zuhause deutlich schwerer, nicht erreichbar zu sein als im Urlaub an fremden Orten. Man hat sozusagen eine sozial akzeptierte Auszeit, man ist nicht greifbar. Zuhause nicht ans Telefon zu gehen, fällt deutlich schwerer als am Urlaubsort. Das Stressniveau sinkt nachweislich ab. Erinnerungen an die Reise, Bilder oder Souvenirs lassen sich auch nachträglich immer wieder nutzen, um die mit der Reise verbundenen Emotionen zu aktivieren. Der Effekt ist also nachhaltig.elihttp://Hier_gibt_es_mehr_Artikel_und_Bilder_aus_Herdecke_und_Wetter{esc#225921229}[teaser]