Wetter. Seit einem halben Jahrhundert gibt es die Stadt Wetter. Warum Jochen Stich und Klaus Gürster das immer noch für eine gute Idee halten.
Klaus Gürster saß schon im Rat von Alt-Wetter, als Jochen Stich mal gerade als Gast in den Fraktionssitzungen der SPD im Volmarsteiner Gemeinderat mitmischen durfte. Beide waren Wegbereiter der Stadt Wetter (Ruhr), die vor gut einem halben Jahrhundert zusammen gefügt worden ist. Auch wenn der Impuls von außen kam: Ein Zusammengehen von Alt-Wetter, Volmarstein, Esborn und Wengern hat Gürster und Stich von Anbeginn überzeugt. Und auch aus heutiger Sicht sind Beide zufrieden mit ihren früheren politischen Weichenstellungen.
Der Bildung der neuen Stadt Wetter waren jahrelange Diskussionen voraus gegangen. Jochen Stich, damals Anfang 20 und Jungsozialist, kann sich noch gut erinnern „an die Altvorderen in Volmarstein“. Viele von ihnen hielten wenig von den Ideen, durch den Zusammenschluss von Gemeinden überlebensfähige Städte zu bekommen. Jochen Stich und der spätere Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Uli Schmidt dagegen waren offen für die Veränderungen.
Traglufthalle fürs Freibad geplatzt
Aus heutiger Sicht kleinstteilig waren die Strukturen. Im Bereich Volmarstein allein gab es vier Ortsteile, Haus Hove, das Dorf Volmarstein, Schmandbruch und Grundschöttel. Ein stadtweiter Verbund auch der SPD war das Gebot der Stunde. Auch hier wuchsen Alt-Wetter, Volmarstein, Wengern und Esborn zusammen.
Der erste Rat der neu gebildeten Stadt war noch gar nicht gewählt, da standen schon wichtige Entscheidungen auf der Agenda. Sollte über das Freibad am See eine Traglufthalle gestülpt werden? Technisch war das damals dann doch nicht machbar. Stattdessen wurde eine Heizungsanlage für die Umkleiden gebaut. Die Traglufthalle blieb eine Wunschvorstellung. Das ist nicht die einzige Zeitungsgeschichte, die Jochen Stich in zwei prall gefüllten Leitz-Ordnern aus den Anfangstagen der Stadt Wetter (Ruhr) gesammelt hat.
Vor über 50 Jahren schon haben Jochen Stich und Klaus Gürster politisch an einem Strang gezogen. Jetzt sitzen sie im Parteibüro des Stadtverbandes an der Königstraße in Alt-Wetter und erinnern sich an die Erwartungen, die mit dem Zusammenschluss 1970 verbunden waren. Gut 38.000 Einwohner waren das angepeilte Ziel für eine zeitgemäße Stadt. Alt-Wetter kam mal gerade auf 10.000. „Wo sollte da gebaut werden“, fragt Jochen Stich und freut sich, dass Volmarstein damals „ein Vermögen“ einbringen konnte - ein Vermögen an Flächen für Wohnungen wie für die Ansiedlung von Gewerbe.
Noch andere Vorteile liegen für Klaus Gürster auf der Hand. Neben dem Stadtverband der SPD wurde auch der „Stadtverband für Leibesübungen“ ins Leben gerufen. „Heute sprechen die Sportvereine mit einer Stimme“, sagt Gürster über den von ihm mitgegründeten SfL. Als geregelt war, dass die ganz großen Vereine in der Stadt die kleineren nicht unterbuttern können, sei es gut gelaufen mit der Interessenvertretung für den Sport in der ganzen Stadt, erinnert sich der Polit-Pensionär.
Das Wir-Gefühl musste erst wachsen
Jochen Stich sieht weitere Vorzüge und nennt den Austausch der Kindergärten untereinander. Weil es „einen Riesenbedarf“ gab, wurden stadtweit Kitas gebaut. Die geballte Finanzkraft der zusammen gerückten Stadtteile machte auch die Ansiedlung von zusätzlichem Gewerbe möglich. Und doch: Aus einem Zentrum mit Rathaus in Oberwengern ist nichts geworden. Der Rat sei mehrheitlich dafür gewesen, aber „überorts wegen der Umleitung der B 234 ausgebremst worden“, erinnert sich Jochen Stich.
Dafür wurde in Oberwengern das Schulzentrum gebaut, eigentlich gedacht für eine Gesamtschule. Aber das Projekt scheiterte. Vier Hauptschulen gab es damals noch im Stadtgebiet von Wetter. In Oberwengern wurden sie zusammengefasst, mit einer Realschule unterm gemeinsamen Dach. Bis es für die Gymnasiasten am See und dem Zweitstandort im Schöntal endgültig zu eng wurde. Ein Schultausch musste 1986 her. Da war der Ex-Juso Jochen Stich schon längst Dezernent bei der Stadtverwaltung in Wetter.
„Die Zusammenführung hat viele Vorteile gebracht“, ist Klaus Gürster überzeugt. Schnell bringt er als Beleg noch die Lichtburg und die Musikschule mit dem Angebot für die ganze Stadt im Gespräch unter. Und die Vorteile würden auch von der Mehrheit der Wetteraner längst gesehen. „Das mit dem Wir-Gefühl war schwer“, sagt Gürster, „aber irgendwann hat es sich eingebürgert.“ Ein bisschen Nachhilfe war nötig: Jochen Stich zieht aus seinem Leitz-Ordner einen Aufkleber von 1974. „Ein starkes Stück Wetter. SPD“ steht über einer Silhouette der neuen Stadt mit Rathaus, Burgruine Volmarstein und Fachwerk in Wengern.
Von Geburt her sei er „ein richtiger Volmarsteiner Esel“, scherzt Jochen Stich unter Hinweis auf das Wappentier der Volmarsteiner. Längst ist er in der Stadt Wetter (Ruhr) angekommen, ohne dafür Volmarstein verlassen zu haben. Klaus Gürster hat es da etwas schwerer. Aber nur mit der Herkunft: Mit einem „Makel“ sei er behaftet, sagt er scheinbar streng - „ich bin in Hagen geboren.“ Aber das liegt weit zurück. Noch weiter als die Neugründung der Stadt vor 50 Jahren. Und so kann der frühere Ratsherr in Alt-Wetter heute glaubwürdig sagen: „Ich bin ein Wetteraner.“
Auch interessant