Wetter. Am Samstag gibts die Feier für Bürger zu 50 Jahren Stadt Wetter. Was denken Volmarsteiner, Wengeraner und Esborner über den Zusammenschluss 1970?
Letzte Woche schrieb der Autor dieser Zeilen bei einem Facebook-Beitrag zur Stadtkonstruktion Wetter, dass Volmarstein, Wengern und Esborn 1970 „eingemeindet“ wurden. Ein Fehler, handelte es sich doch vor 50 Jahren um einen Zusammenschluss auf der Grundlage der kommunalen Gebietsreform. Interessant war die Reaktion eines Lesers, der sich über den Begriff Eingemeindung beschwerte. Und das wie folgt begründete: „Als Volmarsteiner ist man halt sehr sensibel bei diesem Thema.“
Sicher kein Einzelfall. Auch Wengeraner oder Esborner interessieren sich bisweilen mehr für die Vorgänge in ihrem Stadtteil und schauen nur bedingt auf die andere Ruhrseite, also nach Alt-Wetter. Dort zeigt ein Bündnis aus fünf Einrichtungen an diesem Samstag zwei Ausstellungen mit vielen Fotos und Erläuterungen sowie dreimal einen Heimat-Film. Thema am 3. Oktober im Stadtsaal zwischen 10 und 20 Uhr: 50 Jahre Stadt Wetter. Wie aber steht es um die Einheit hier, was denken Menschen vor dem Tag der deutschen Einheit über das Zusammengehörigkeitsgefühl der Wetteraner? Hier der Versuch einer Annäherung. Ein Essay.
Der Zusammenschluss hatte damals auch den Zweck, eine Stadt mit 30.000 Einwohnern zu formieren. Daraus entstand auch die Entwicklung weiterer Gewerbegebiete, seit jener Zeit wurden neue Flächen für Betriebe ausgewiesen. In Volmarstein ist dieses Thema beispielsweise eng mit der Autobahnauf- und -abfahrt verknüpft. Dieser heutige Stadtteil hatte es gewissermaßen am schwersten: Bis zur Auflösung am 1. Januar 1970 gehörten zum Amt Volmarstein neben Esborn, Grundschöttel, Wengern noch Asbeck, Berge und Silschede.
Ruhr trennt
Es lohnt ein Rückblick. 2007 zitierte diese Zeitung Dr. Klaus Becker vom Heimatverein und dessen Meinung zu 1970: „Der damalige Regierungspräsident Ernst Schlensker konstatierte aber schon, dass durch diese kommunale Verwaltungsneugliederung noch kein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht. Die Volmarsteiner bezeichnen sich immer noch als Volmarsteiner, wie sich die Wengeraner Wengeraner nennen. Die Ruhr hat eben schon immer die Stadt geteilt, und sie tut es auch heute noch.“
Interessant auch der Blick auf einzelne Entwicklungen. Nach dem Zusammenschluss gab es schnell einen neuen Flächennutzungsplan für Wetter, ehe in den 1970-er Jahren die Suche nach einem neuen Stadtzentrum begann. Folge daraus: die rege Bautätigkeit in Oberwengern in jener Zeit (beispielsweise Schul-, Sport- und Freizeitzentrum), zumal dort der geographische Mittelpunkt lag bzw. liegt. Neuer Wohnraum war auch deshalb nötig, weil damals die Bevölkerungsprognose für Wetter 38.000 Bürger enthielt.
Oberwengern als Mittelpunkt
2017 sagte Dietrich Thier als damaliger Leiter des städtischen Fachbereichs Schule, Kultur und Sport dazu: „Man dachte damals, mit Oberwengern könnte man allen Bewohnern des Stadtgebietes gerecht werden.“ Der promovierte Historiker bezog sich in einem Interview auf den Sportplatz an der Hoffmann-von-Fallersleben-Straße. „Um das neue Zentrum in Oberwengern zu etablieren, wurde dort kräftig investiert.“
Mitarbeiter Valentin Dornis führte in seinem Artikel vor drei Jahren weiter aus: Doch die Vision der großen, vereinten Stadt Wetter wollte nicht so recht aufgehen. Denn was in der Verwaltung längst vollzogen war, setzte sich in den Leben der Menschen nie wirklich durch: das Verständnis Wetters als eine gemeinsame Stadt, eine gemeinsame Heimat. „Wenn Sie heute jemanden fragen, wo er herkommt, sagt er eher Volmarstein als Wetter“, meinte Dr. Thier 2017. Das Zentrum in Oberwengern erreichte deshalb nie seine richtige Blüte, und der Aschenplatz blieb „ein ungeliebtes Kind“, wie Thier es ausdrückte. Steht diese Sportstätte und ihr heute schlechter Zustand sinnbildlich für die Einheits-Bemühungen in Wetter?
Verdienste von Personen
Dabei hatten sich vor 50 Jahren einige Personen Meriten verdient. Wilhelm Weslowski zum Beispiel, Wetters erster Bürgermeister nach der kommunalen Neuordnung von 1970. Zu seinem Tod 2004 attestierten ihm viele große Verdienste beim Blick auf das Zusammenwachsen der früheren Gemeinden Wengern, Esborn, Volmarstein und Alt-Wetter zur neuen Stadt.
Ein weiterer Sozialdemokrat war Hans-Richard Hippenstiel. Zu dessen Tod 2006 schrieb seine Partei: „Unsere Anerkennung für alle Aktivitäten seit der ,Stunde Null’ des Zusammenschlusses zur neuen Stadt Wetter gilt ihm, dessen Wertebewusstsein sich mit phantasievoller Zukunftsorientierung ideal verband. Der von Hans-Richard Hippenstiel geleiteten Kommission der 1970 vereinigten Ortsvereine der SPD Wetter hat der Sozialdemokrat mit Sachverstand und Solidarität im Interesse seiner Heimatstadt den persönlichen Stempel aufgedrückt.“
Nicht zu vergessen Siegfried Stumpf, ebenfalls Sozialdemokrat. In seinem Nachruf 2008 hieß es über den Esborner, dass er maßgeblichen Anteil an der Debatte zur Zusammenlegung von Wetter, Volmarstein, Wengern und Esborn 1970 hatte. Interessant auch das hier: „Damals gab es eine große Diskussion bei den Esbornern, ob sie sich zusammen mit Wengern nach Bommern orientieren sollten.“
2019 startete die Stadtspitze im November einen Prozess, an dessen Ende eine Art Leitbild stehen soll. Unter dem Arbeitstitel „Zukunfts-Stadt Wetter 2035“ wollen Verantwortliche im Rathaus mit einer entsprechenden Bürgerbeteiligung klären, welche Themen hier in den nächsten Jahren von Bedeutung sind. Und zwar in allen Ortsteilen.
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Auf die schwierige Gemengelage gingen kürzlich auch Bürgermeister Frank Hasenberg (SPD) und Karen Haltaufderheide in der Online-Diskussion zur Stichwahl ein. Die Grünen-Politikerin äußerte bei der von der Lokalredaktion moderierten Debatte nach einer Leser-Frage den Eindruck, dass sich manche Anwohner in Randlagen abgehängt fühlen. Ihr Fazit: „Auch nach 50 Jahren ist kein Wir-Gefühl vorhanden.“ Selbst der Amtsinhaber räumte ein, dass es in Wetter nicht einen Stadtkern, „sondern viele Kerne“ gebe. Gleichwohl könnten und sollten sich alle hier als Wetteraner fühlen. Zugleich sei es wichtig, dass sich Bürger auch um ihren Ortsteil kümmern. Dabei schade ein gewisser Stolz keineswegs.
Was denken Sie über die Stadtkonstruktion? Fühlen Sie sich als Wetteraner oder doch eher als Volmarsteiner, Wengeraner und Esborner? Schreiben Sie uns Ihre Meinung: per Mail (wetter@westfalenpost.de) oder auf unserer Facebook-Seite (https://www.facebook.com/wp.wr.wetter.herdecke)