Wetter. Kinder seien keine Infektionsherde, so Kinderarzt Götz Büttner aus Wetter. In seiner Praxis tragen sogar Sechsjährige die Maske. Klaglos.
Maske tragen, Abstand halten, Oma nicht in den Arm nehmen oder kaum Freunde treffen – macht Corona eigentlich etwas mit Kindern und Jugendlichen? Und wenn ja, was? Die Lokalredaktion hat mit Götz Büttner, Arzt für Kinder- und Jugendmedizin in Wetter, über mögliche Auswirkun gen der Pandemie auf den Nachwuchs gesprochen.
Viele weisen gar keine Symptome auf
„Aus medizinischer Sicht sind Kinder von Corona-Infektionen eher wenig betroffen. Viele weisen gar keine Symptome auf; nur sehr wenige haben Halsschmerzen, grippale Symptome oder die typischen Geruchsstörungen. Generell sind die Verläufe bei Kindern und Jugendlichen mild; da deckt sich unsere Erfahrung hier in Wetter mit den allgemeinen“, sagt der Mediziner. Auch dass Kinder als Infektionsherde Erwachsene anstecken, sei bislang nicht aufgefallen. Götz Büttner: „Wir haben bislang kein Kind hier in der Praxis gehabt, das wegen Corona stationär ins Krankenhaus musste – im Gegensatz zu Eltern.“ So hätten viele Eltern, Lehrer und Erzieher für einen Abstrich seine Praxis aufgesucht; besonders auch viele Reiserückkehrer. Mit Kindern dagegen kämen sie eher selten zum Testen.
Psychosoziale Auswirkungen
Schwer zu taxieren, so Götz Büttner, seien psychosoziale Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Nachwuchs. Sehr wohl habe er dagegen eine Verzweiflung bei Müttern von jungen Kindern festgestellt – besonders im April und Mai, als Kitas und Schulen noch geschlossen waren. In dieser Zeit seien Mütter bzw. Väter schon stark belastet gewesen. „Und darüber ist hier auch viel geredet worden. Es war eine starke soziale und psychische Belastung für die Eltern, von denen sich viele mit der Situation auch allein gelassen fühlten“, berichtet Götz Büttner. So sei die Wieder-Eröffnung der Kitas ein ganz wichtiger Schritt und für viele Mütter und Väter eine große Entlastung gewesen.
Die Angst der Erwachsenen
Und wie sieht es mit den Auswirkungen von Corona, Masken und mehr auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen aus? „Es ist wohl eher die Angst der Erwachsenen, dass ihre Kinder psychische Traumatisierungen erfahren könnten.
Wenn, dann sind es auch eher ältere Kinder, die sich Gedanken über Leben und Sterben machen. Aber psychisch gesunde Kinder, die wegen Corona Angststörungen bekommen, kenne ich nicht. Kinder haben eine natürliche Widerstandsfähigkeit, mit schwierigen Situationen gut umzugehen“, weiß der 48-Jährige. Und, so ergänzt er, es hänge viel davon ab, wie Eltern die aktuelle Situation prägen.
Befreiung von der Maskenpflicht
„So ist nach den Ferien von Eltern an uns oft der Wunsch herangetragen worden, das Kind von der Maskenpflicht zu befreien, weil es schlecht Luft holen könne oder an Kopfschmerzen und Schwindel leide. Da gab es viele Anfragen, und wir mussten uns tatsächlich oft beschimpfen lassen, weil wir angeblich nicht auf der Seite der Kinder stehen“, sagt der Mediziner. Und ergänzt: „Das Tragen der Maske ist lästig und eine Einschränkung unserer Bequemlichkeit, aber es ist eine sinnvolle und notwendige Maßnahme, um uns und andere zu schützen. Wenn wir das vermitteln, dann verstehen und akzeptieren Kinder das auch.“
In seiner Praxis, die Götz Büttner gemeinsam mit Dr. Armin Lökenhoff führt, gibt es eine Maskenpflicht für Kinder ab sechs Jahren. „Das wird von den Kindern in aller Regel auch klaglos akzeptiert“, berichtet Büttner. Für ihn ist das Maskentragen ein „Akt der Solidarität, zu dem jeder seinen Beitrag leistet, und das kann man Kindern und Jugendlichen auch zumuten“.
Soziale Einschränkungen
Er betrachte die sozialen Einschränkungen, die mit der Schließung von Kitas, Schulen und Spielplätzen verbunden waren bzw. teilweise wieder sind, als weitaus einschneidender. „Die Kinder leiden vor allem unter dem Entzug der sozialen Kontakte. Und: Wenn Eltern leiden, überträgt sich das auch auf die Kinder. Die Maske ist da eher ein würdiger Akt, den wir schon unterstützen. Es gibt übrigens auch atmungsaktive Masken, die man sich im Internet besorgen kann“, sagt Büttner, selbst Vater von drei Kindern, die weiterführende Schulen besuchen.
Andere Ursachen
Kinder bzw. Jugendliche in Bezug auf Corona vermehrt mit psychosozialen Belastungsstörungen in Zusammenhang zu bringen, halte er für Alarmismus: „Die Pandemie rückt natürlich Dinge in den Fokus – zum Beispiel soziale Probleme von alleinerziehenden Müttern und vielen armen Familien, die abgehängt werden von der Teilhabe. Corona spült Dinge an die Oberfläche, die sowieso schon da waren, aber ganz andere Ursachen haben.“
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