Wetter/Herdecke. Die Kinder sitzen und stehen dicht an dicht. Mundschutz muss reichen, so die Vorschrift. Reicht das in Corona-Zeiten, fragen Eltern.
Die ersten beiden Schultage hat Gabriele Langer die Enkeltochter ihres Lebensgefährten noch im Bus von der Schanze in Herdecke zur Sekundarschule in Wetter begleitet. Dann musste Melissa (10) allein ins Gedränge steigen. Gabriele Langer schildert ihre Angst im Bus: „Die Kinder hingen mir alle im Nacken.“ Wenn du dich hier ansteckst, musst du dich nicht wundern, dachte sich die 64-Jährige – und verzichtete schweren Herzens auf die Begleitung.
Volle Busse zu den Schulanfangszeiten, großes Gedränge an den Haltestellen beim Warten und erst recht beim Einsteigen – die Schülerbeförderung zu Corona-Zeiten findet vor aller Augen statt. „Mit Entsetzen habe ich heute morgen einen überfüllten Schulbus in Wengern gesehen“, schreibt ein Leser in einer Mail an die Redaktion. „Die Kinder tragen alle brav ihre Masken, stehen im Bus aber dicht gedrängt. Ich bin fassungslos, dass die Behörden nicht mehr Schulbusse zur Verfügung stellen“, fährt der Leser fort.
Schon in der Schulausschusssitzung in Herdecke vorige Woche wusste Realschulleiterin Anke Lohscheidt von „massiven Beschwerden wegen überfüllter Schulbusse“ zu berichten. „Die Kinder standen eng an eng in diesen Bussen“, wusste sie aus Gesprächen mit den Eltern zu berichten. Abstand halten sehe anders aus. Aber wie ist das überhaupt mit den Regeln im Bus und an der Haltestelle oder mit den Fahrzeugreserven zu Stoßzeiten?
Ordnungsamt macht Kontrollen
Gabriele Langer jedenfalls kann nicht verstehen, wie viel Wert auf Schutz vor Corona in der Schule gelegt wird, wenn auf dem Weg dahin die Schüler eng wie Sardinen in der Büchse transportiert werden. Die Pressestelle der Bogestra, die in Herdecke fährt und auch für die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER) spricht, bestätigt, dass die Busse aktuell genau so voll sein dürfen wie vor Corona-Zeiten: „Es gibt keine neuen Vorgaben für unsere Verkehrsmittel, daher ist das Tragen einer Alltagsmaske zwingend notwendig, um sich und andere zu schützen.“
Die meisten Kinder tragen im Bus brav ihren Mundnasenschutz, kann auch Gabriele Langer bestätigen. Aber sie hat auch eine ganze Rückbank voller Jungs ohne Maske gesehen und fragt sich nun: „Wer kontrolliert das überhaupt?“ Das Busunternehmen jedenfalls verweist auf andere: „Kontrolle sowie die Aussprache einer Ordnungswidrigkeit obliegt den Ordnungsämtern der beteiligten Städte, beziehungsweise der Polizei.“
Das Ordnungsamt in Herdecke hat auch schon stichprobenartig kontrolliert, „so wie es die Auslastung zulässt“, heißt es auf Nachfrage: „Bis jetzt wurde noch kein Bußgeld wegen Verstoßes gegen die Maskenpflicht in Bussen ausgesprochen.“ Auch an stärker frequentierten Bushaltestellen weise der Außendienst auf die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung hin. Gerade am Umsteigepunkt der Linien 518 und 553/555 an der Hengsteyseestraße sei das besonders geboten, sagt Gabriele Langer.
„Die Kräfte des Ordnungsamtes können nicht überall sein“, bittet Dennis Osberg, Pressesprecher der Stadt Herdecke, um Verständnis. „Wir wären zwar gerne mehr auch an den Umsteigepunkten“, sagt er, aber gerade zu den entscheidenden Umsteigezeiten seien die Kräfte des Ordnungsamtes bereits woanders im Einsatz: Vor den Grundschulen unterstützten sie die Polizei bei der Schulwegsicherung. Und die habe nun mal oberste Priorität.
Keine Anzeichen für erhöhte Gefahr
Auf den Einsatz von mehr Bussen, damit sich die Zahl der Fahrgäste besser verteilt, sollte Gabriele Langer nicht setzen. Kurzfristig seien die Kapazitäten im Öffentlichen Personennahverkehr nicht auszubauen, heißt es bei der Pressestelle der Bogestra. Selbst wenn ausreichend Finanzmittel zur Verfügung gestellt wären, erfordere „die Personalrekrutierung und die Fahrzeugbeschaffung entsprechende zeitliche Vorläufe von mindestens einem halben bis zu einem Jahr.“
Schneller wirken könnte eine Staffelung der Schulanfangszeiten im Kreis. Schon vor Corona hat das Verkehrsunternehmen das Gespräch mit den Städten über eine solche Staffelung gesucht, weil sich so Fahrzeuge und Fahrer sparen lassen. Jetzt liefert ein besserer Infektionsschutz neue Argumente. „Hierzu sind wir mit allen Beteiligten im Gespräch“, so die Bogestra-Pressestelle.
Die Stadt Herdecke jedenfalls will den Bedarf von zusätzlichen Bussen zu den Schulzeiten in der am Mittwoch stattfindenden Telefonkonferenz mit dem Landrat und den Hauptverwaltungsbeamten der kreisangehörigen Städte ansprechen. Außerdem soll direkt Kontakt mit den Verkehrsbetrieben aufgenommen werden, um die Notwendigkeit deutlich zu machen.
Bei dem Verkehrsunternehmen sind durchaus Anfragen zum richtigen Verhalten in den Bussen und an den Haltestellen angekommen, darunter auch die von besorgten Eltern. Diese sollte beruhigen, dass es laut Verband deutscher Verkehrsunternehmen „in keinen Studien Anzeichen dafür gibt, dass die Ansteckungsgefahr im Öffentlichen Personennahverkehr höher ist als an anderen Stellen des öffentlichen Lebens.“ So die Bogestra.