Herdecke. Sie wollte hilfsbereit sein, doch das wurde einer 79-Jährigen zum Verhängnis. Zum Glück hatte sie im Ladendetektiv einen Schutzengel gefunden.

Dieser Ladendetektiv war für die betagte Kundin (79) zur rechten Zeit der rettende Engel.

Vorletzte Woche, 18. Juni, ein Donnerstag. Hedwig Krämer (Name verändert) schlendert gegen 11.45 Uhr mittags entlang der Regale bei ALDI in der Stiftsstraße. Sie macht schon Besorgungen für den nächsten Tag. Gerade, als sie ein Paket Graupen in den Einkaufswagen legen will, wird sie von zwei freundlichen Männern angesprochen. Die beiden Fremden können nur gebrochenes Deutsch und bitten die ältere Dame um Rat. Der jüngere von beiden (31) hält ein Päckchen Hagebutten-Tee hoch: „Mein Kind große Bauchschmerzen. Diese Tee gut?“ Die 79-Jährige zeigt sich hilfsbereit: „Nein, das ist roter Tee, Hagebutte. Der hilft dagegen nicht. Sie brauchen Kamillentee für ihr Kind.“ Nun wendet sich der andere Fremde (32) ihr zu: „Schwarztee?“ Dabei rückt er ganz nah an die alte Dame heran.

Abgelenkt durch Gutmütigkeit

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Hedwig Krämer bemerkt nicht, was in diesem Augenblick geschieht. Sie ist abgelenkt. „Nein“, antwortet sie gutmütig, „kein Schwarztee. Gelber Tee, Kamillentee.“ Längst hat der Mann mit dem angeblich kranken Kind unbemerkt ihre Handtasche geöffnet und blitzschnell ihr Portemonnaie herausgefingert. Was die beiden Profi-Trickdiebe aber selbst nicht bemerkt hatten: Sie wurden die ganze Zeit von einer Videokamera gefilmt und von Ladendetektiv Sari Al D. beobachtet.

Er tritt nun hinzu, gibt sich zu erkennen und fordert den Langfinger auf, mit ins Büro zu kommen. Der angesprochene Portemonnaie-Dieb wird aggressiv. Er schlägt mit Fäusten auf den Detektiv ein. Es kommt zu einer Rangelei im Laden, man stürzt zu Boden, kebbelt sich. Eine Scheibe klirrt und geht zu Bruch. Der Detektiv verletzt sich an den Scherben. Doch die beiden Trickdiebe können festgehalten werden, bis die Polizei eintrifft.

Haftbefehl am Folgetag

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Weil die Männer, die aus Rumänien stammen, in Deutschland keinen festen Wohnsitz nachweisen können, erlässt der Haftrichter am Folgetag einen Haftbefehl. Die Trickdiebe werden in Untersuchungshaft genommen. Bereits eine Woche später findet das beschleunigte Verfahren vor der Hagener Amtsrichterin Kathrin Krüger statt. Sie hält den beiden Angeschuldigten, die in Häftlingskleidung vorgeführt werden, entgegen: „Die Tat ist von vorne bis hinten aufgezeichnet worden. Man sieht auf dem Video das ganz bewusste Zusammenspiel. Das war alles genau geplant.“

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Die Männer leugnen nicht die Tat. Doch sie bestreiten, dass sie durch Taschendiebstahl ihren Lebensunterhalt finanzieren. Ihr Anwalt David Lakwa findet: „So etwas aus der Not heraus zu machen ist noch eine andere Kategorie, als wenn man stiehlt, obwohl man auf Rosen gebettet ist.“ Und Verteidiger Thorsten Merz betont: „Das war kein gewerblicher, also auf Dauer angelegter, sondern lediglich ein einfacher Diebstahl.“ Das sieht auch Richterin Krüger so. Sie verhängt gegen den jüngeren Angeklagten wegen Diebstahls, Körperverletzung und versuchter Nötigung vier Monate Haft, gegen den Mittäter wegen Diebstahls zwei Monate Haft. Beide Strafen werden zur Bewährung ausgesetzt.

Künftig vorsichtiger gegenüber Fremden

Nach zehn Tagen Untersuchungshaft sind die beiden Verurteilten froh, direkt nach der Gerichtsverhandlung in die Freiheit entlassen zu werden. Nur durch die Aufmerksamkeit des ALDI-Detektivs hat Hedwig Krämer ihre Geldbörse zurückbekommen. Sonst wäre sie für immer weg gewesen. Die alte Dame will zukünftig gegenüber Fremden vorsichtiger sein.