Herdecke. Gemeinschaft ist für die Herdecker nicht nur ein Wort, sondern etwas, das gelebt werden muss – während der Corona-Krise, davor und danach.

Gemeinschaft? Darüber könnte Barbara Degenhardt-Schumacher ins Philosophieren geraten. Beschränkt sich die Sozialarbeiterin jedoch aufs Wesentliche, dann formuliert sie es so: „Gemeinschaft macht menschliches Leben aus, ohne sie kann der Einzelne nicht existieren.“ Seit über 30 Jahren dient sie selbst der Gemeinschaft in Herdecke - als unermüdlicher Motor und hauptamtliche Mitarbeiterin des Vereins zur Förderung christlicher Sozialarbeit in Ende.

In der Stadt Herdecke sieht Barbara Degenhardt-Schumacher die Gemeinschaft „ziemlich gut aufgestellt“. Gezeigt habe sich das erst kürzlich, als Corona manche Herdecker in eine echte Notsituation gebracht habe. „Der Aufruf zur Nachbarschaftshilfe geschah über eine Facebook-Gruppe. Aber ich habe gesagt, es gibt auch Leute ohne Facebook. Also habe Telefondienst gemacht, und was da so auf allen Kanälen an Rückmeldung kam, war super. Es hat gezeigt, wie groß das Zusammengehörigkeitsgefühl hier ist“, so die Herdeckerin. Sie habe sich obendrein immer bemüht, wenn jemand aus Kirchende um Unterstützung bat, einen Ehrenamtlichen aus genau diesem Stadtteil dort einzusetzen, „um die nachbarschaftlichen Beziehungen zu stärken“.

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Und wie war das vor Corona? „Wir haben immer schon Wert auf Gemeinschaft gelegt. Viele unserer Angebote dienen dazu, Menschen in Kontakt zu bringen - vom Internationalen Frühstück über das Trauercafé bis hin zur Lebensbank und zu unserem neuen Projekt, dem ,cafemitgefühl’, das vom Diözesan-Caritasverband Paderborn gesponsert wird. Den Begriff kann man übrigens ganz unterschiedlich betonen und dadurch eine jeweils andere Bedeutungen hervorheben. Es ist ein Angebot zum Kaffeetrinken und mit Beratungen, damit Menschen sich kennenlernen können, um sich im Alltag nicht allein zu fühlen“, so Barbara Degenhardt-Schumacher.

Vorzeigeprojekt ZWAR

Ein großes und zudem überaus erfolgreiches Projekt, das Gemeinschaft in verschiedensten Facetten gefördert habe, sei auch ZWAR - das steht für „Zwischen Arbeit und Ruhestand“. Die Herdeckerin erinnert sich: „Ein Jahr lang hat der VCS das am Anfang begleitet. Damals habe ich die Moderation gemacht und Leute zu Moderatoren ausgebildet, damit die Mitstreiter nach einem Jahr in die Selbstständigkeit entlassen werden konnten. Dieses Projekt hat für Herdecke einen enormen Schub gebracht. Ich kenne Menschen, die auswärts arbeiten, abends zurückkamen und sich auf einmal hier zuhause fühlten, weil sie Menschen kennengelernt hatten und hier gegrüßt wurden. Irgendwann sagte mal jemand: Wenn es ZWAR nicht gäbe, müsste man es erfinden. So ist es. Und bei den vielen Aktivitäten ist wirklich für jeden ein Interessensgebiet dabei.“

Gemeinschaft - das wollen auch die Ehrenamtlichen des VCS anbieten, die zwei Mal in der Woche mit Kaffee und Keksen vor dem Friedhof in Kirchende zum Gespräch einladen. Wer einen lieben Menschen verloren hat und darüber sprechen oder einfach nur über Gott und die Welt reden möchte, ist eingeladen, auf der Lebensbank unterm lauschigen Baum Platz zu nehmen. „Das ist ein niederschwelliges Angebot, um auch einsamen Menschen schrittweise wieder in den Alltag zu helfen. Die Ehrenamtlichen informieren dort auch, welche Angebote es sonst noch gibt.“

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Was wichtig ist, um die Gemeinschaft zu stärken? Barbara Degenhardt-Schumacher weiß: „Man braucht Begegnungsmöglichkeiten, um Gemeinschaft erleben und sein Gegenüber kennenlernen zu können.“ Das habe die Corona-Krise ganz deutlich gemacht. „Durch die mangelnden Kontaktmöglichkeiten hat man erst mal gemerkt, wie wichtig Gemeinschaft ist. Es ist zwar gut, dass es die Technik gibt, um sich auszutauschen, aber eigentlich muss man sich wenigstens ansehen können. Und überhaupt ist es ganz wichtig, nicht über Gemeinschaft zu reden, sondern sie zu erleben, sie zu machen.“ Das habe sie bereits vor über 30 Jahren gesagt, als der VCS zum allerersten Internationalen Frühstück einlud: „Mir war klar: Wir können noch so viele Vorträge halten über andere Länder und Sitten. Wir müssen einfach mit den Menschen zusammenkommen und mit ihnen essen, um sie kennenzulernen und sie zu verstehen.“

Seit Dezember 1986 arbeitet Barbara Degenhardt-Schumacher beim VCS, nachdem sie sich dort bereits drei Jahre lang ehrenamtlich engagiert hatte: „Aus den ersten drei Jahren sind über 30 geworden. Aber ohne Begegnung und ohne Gemeinschaft wäre diese Arbeit nicht möglich. Und auch nicht ohne den großen Kreis von Ehrenamtlichen.“