Wetter/Herdecke. Kurzarbeit, teils improvisierter Lieferservice, Überlebens-Kampf – das sind die Stichworte, die die Gastronomie in Corona-Zeiten prägen.
Gäbe es einen Wettbewerb, welche Branche am meisten unter dem Coronavirus zu leiden hat(te), wäre die Gastronomie weit vorne. Im Ennepe-Ruhr-Kreis verdienen laut Arbeitsagentur rund 4400 Menschen ihr Geld in Hotels, Restaurants oder ähnlichen Betrieben. Die Stichworte im Frühjahr 2020 lauteten: Kurzarbeit, teils improvisierter Lieferservice, Überlebens-Kampf. Im Frühsommer wechselten die Themen, seit den Wiedereröffnungen geht es um: Hygiene, Reinigungen, Abstandswahrung, Daten und viele Formalitäten.
„Das ist für die Mitarbeiter sehr anstrengend“, sagt Isabell Mura, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und auch für die Region mit Wetter sowie Herdecke zuständig. Erfreulich: Ihr sei aus diesen beiden Städten bisher nicht zu Ohren gekommen, dass eine hiesige Gastronomie im Zuge der Pandemie schließen musste. Experten gehen aber davon aus, dass die Krise in diesem Berufsfeld längst noch nicht überwunden ist.
Kaum Perspektiven für Minijobber
Isabell Mura spricht im Zusammenhang mit dem Neustart und den veränderten Bedingungen von einem „Aufatmen“ sowohl bei den Arbeitgebern wie auch bei den Angestellten. „Mit 60 oder 67 Prozent vom letzten Netto-Gehalt konnten viele die Kurzarbeit-Phase nur mit Mühe überbrücken.“ Zu den großen Verlierern zählt die NGG-Gewerkschafterin die Minijobber, die durch Corona ihre Stelle verloren hätten und angesichts des gebremsten Neustarts auch keine neuen Einstellungsangebote erhielten. „Diese Gruppe macht neben den Sozialversicherungsbeschäftigten die andere Hälfte in dieser Branche aus.“
Viele Festangestellte, die die Krisenzeit über Aushilfstätigkeiten in anderen Berufszweigen (zum Beispiel als Kassierer im Einzelhandel) bewältigen wollten, können aber auch noch nicht durchatmen. Mura: „Sie können oftmals noch nicht wieder zu 100 Prozent arbeiten, sondern zeitlich eingeschränkt mit entsprechenden Lohneinbußen.“
Höheres Trinkgeld
Während auch Studenten oder Jugendliche mit Nebenverdienstmöglichkeiten derzeit weiterhin in die Röhre gucken, sieht die Gewerkschaft auch Erfreuliches. „Viele unserer Mitglieder sind einfach nur froh, überhaupt wieder arbeiten und trotz der Widrigkeiten wie Arbeitsverdichtung Geld verdienen zu können“, sagt die hiesige NGG-Geschäftsführerin. Zwar habe wegen der Corona-Vorgaben der Aufwand (bei weniger Personal) zugenommen. Dafür reagieren zahlreiche Gäste auf angenehme Art: „Viele sind solidarisch und geben ein großzügigeres Trinkgeld.“
Nach zögerlichem Neustart haben sich die Abläufe demnach eingespielt, speziell bei gutem Wetter beobachte Isabell Mura vielfach ordentlich frequentierte Gaststätten. Pauschal lasse sich nicht beurteilen, wie die Branche durch die Krise komme. „Ein Großbetrieb wie etwa der Zweibrücker Hof hat andere Voraussetzungen als ein Imbiss. Der wiederum musste sich zum Beispiel in Sachen Liefer- oder Abholservice ja nicht umstellen.“
Grundsätzlich ist die Gewerkschaft zuversichtlich, dass es – sofern es keine zweite Infektionswelle gibt – bergauf gehe und weitere Lockerungen den Wirten zugute kommen. „Die verlorenen Einnahmen lassen sich aber nicht wieder kompensieren, das geht nur über Einsparungen“, meint Mura, die sich um „klassische Restaurants“ die größten Sorgen macht. Catering-Betriebe wiederum leiden unterschiedlich: Wer Firmen, Schulen oder Kindergärten beliefert, komme besser klar als jene, die sich auf private bzw. Familienfeiern konzentriert haben.
„Hygiene kostet Zeit“
Kurzum: Es sei weiter Geduld gefragt. „Wirte und Kellner freuen sich nach extrem harten Wochen auf Kundschaft. Jetzt zählt jedes getrunkene Bier“, sagt die NGG-Geschäftsführerin. Mit Blick auf Abstands- und Hygieneregeln sollten Gäste mehr Zeit mitbringen als sonst – und auch Verständnis für die Situation des Personals. Es gehe einerseits wieder um Genuss und Geselligkeit, andererseits um die Vermeidung von Infektionen.
Mura hat auch eine Empfehlung für die Gastronomen, die möglichst genug Personal einplanen sollten. „Wenn eine Gaststätte halb so lang offen hat, heißt das nicht, dass man nur die Hälfte der Service- und Küchenkräfte braucht. Im Gegenteil: Hygiene kostet Zeit.“