Wetter. In Praxen und Altenheimen fehlt es an Schutzmasken und -kleidung. Ein Wengeraner Unternehmen stellt diese Medizin- und Hygieneprodukte her.

In vielen Kliniken, Praxen und Altenheimen fehlt es derzeit an Schutzmasken und -kleidung. Solche und viele andere Medizin- und Hygieneprodukte stellt das Unternehmen Nobamed aus Wengern her. Über den Produktmangel in der Corona-Krise und andere Aspekte der aktuellen Situation sprach die Lokalredaktion mit Nobamed-Vorstand Dr. Anja Danz.

Überall fehlen Schutzmasken und -kittel, so dass das Gesundheitsministerium nun im Open-House-Verfahren versucht, Material mit Mindeststandards irgendwo auf der Welt zu besorgen. Kann das gut gehen?
Dr. Danz: Das Gesundheitsministerium hat klare Vorgaben an normativen Anforderungen für Schutzausrüstung und Zertifizierungen gegeben. Die Nachweisdokumente richtig einzuordnen, erfordert allerdings eine sehr detaillierte Fachexpertise.


Kann die schnelle Materialbesorgung gut gehen, oder wird dann so etwas passieren wie in Holland, wo aus China importierte Masken zurückgerufen wurden, weil sie offenbar nicht den Qualitätsstandards entsprechen?

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Trotz der genauen Vorgaben tauchten plötzlich sehr viele Produkte im europäischen Markt auf, die nicht die Kriterien für sogenannte PSA (Persönliche Schutzausrüstung) erfüllen. Die erleichterte Marktöffnung forciert durch die Bundesregierung führte dazu, dass viele branchenfremde Händler und Importeure auf dieses Geschäft aufgesprungen sind, mit unvorhersehbaren Folgen. Kaum noch eine Aufsichtsbehörde oder ein Klinikeinkäufer kann die Produktflut der nicht verkehrsfähigen Produkte überblicken- zum möglichen Schaden für die Anwender. Die NOBAMED Paul Danz AG entwickelt seit über 15 Jahren PSA zusammen mit ihren strategischen Partnern. Der Zulassungsprozess ist sehr umfangreich, und die Produktion muss durch eine benannte Stelle überwacht werden, die für diesen Bereich in Europa zugelassen ist.

Da gibt es verschiedene Zertifikate...
Als Expertin erkenne ich daher schon an der Kennzeichnung der Produkte und den Zertifikaten, ob es sich um Produkte handelt, die den Prüfprozess durchlaufen haben und damit auch den hohen Anforderungen an Schutzausrüstung der Kategorie III genügt. Diese Kategorie umfasst ausschließlich die Risiken, die zu sehr schwerwiegenden Folgen wie Tod oder irreversiblen Gesundheitsschäden führen können. Auch mit den erleichterten Vorgaben, müssen die Produkte sicher schützen.

Haben Sie als mittelständisches Unternehmen in Anbetracht des riesigen Bedarfs Ihre Produktion hochgefahren? Wenn ja, wie gestaltet sich die Mehrarbeit? Gibt es zusätzliche Schichten? Zusätzliche Mitarbeiter?
Wir entwickeln, produzieren und vertreiben hauptsächlich Medizinprodukte. Die Schutzprodukte unterliegen einer weiteren europäischen Verordnung und bilden in unserem Portfolio ein schmales, aber wichtiges Segment. In unserem Reinraum in Wetter und an unserem im Januar neu eröffneten Standort in Solingen können wir lokal mit insgesamt ca. 130 Mitarbeitern in zwei Schichten produzieren. Die Auslastung kann nicht beliebig hochgefahren werden. Ein Unternehmen am Produktionsstandort Deutschland arbeitet in der Regel immer mit hoher Auslastung, da sich dies sonst auf Dauer nicht trägt.

Die Preise für Schutzartikel schnellen derzeit in die Höhe...

In Kliniken unterliegen Medizinprodukte und eben die Schutzausrüstung, die beide dazu beitragen, Menschenleben zu retten, immer schon einem harten Preiskampf. Noch nie wurde diesen Produkten eine so hohe Aufmerksamkeit gezollt. Damit ist auch klar, dass bestimmte Produktionen in den letzten Jahrzehnten aus Europa verschwunden sind. Gerade die notwendigen Materialien für Masken kommen schon seit Jahren überwiegend aus Übersee (China und USA). Ebenso stehen dort die leistungsfähigsten Maschinen für diese Produkte.

Sie stellen dennoch solche Produkte her...

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Ja. Und die Pandemie offenbart, was wir als Hersteller bisher geleistet haben, um globale Lieferketten Ressourcen schonend und effizient zu entwickeln und auch solche in Europa niedrig bepreisten Produkte ordnungsgemäß und normgerecht bereitzustellen. Wir waren bei Ausbruch der Pandemie Ende Januar im Bereich FFP-Masken und MNS (Mund-Nasen-Schutz) so gut bevorratet, dass wir unter normalen Umständen unsere Kunden hätten ein Jahr beliefern können. Nach acht Wochen waren wir bereits ausverkauft. Selbst die Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel, die wir in unseren Reinräumen für die Produktion benötigen, sind knapp. An dieser Stelle ist es mir ganz wichtig, unserem gesamten NOBA-Team in Wetter, Herne und Solingen hier öffentlich Danke zu sagen. Trotz all der Umstände und Sicherheitsvorkehrungen stellen sich unsere Mitarbeiter täglich verantwortungsvoll den Herausforderungen, um ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit für unser Gesundheitswesen zu leisten.

Als Herstellerin von Medizinprodukten sind Sie ja Expertin. Welchen Schutz erachten Sie für einen Normalbürger als sinnvoll?

Zur Erklärung vorab: Persönliche Schutzausrüstung der Kategorie III wie FFP 2 und FFP 3 Masken, erkenntlich an dem CE mit der Nummer der in Europa dafür zugelassenen Überwachungsstelle, schützen den Träger. Die Masken ohne Ventil schützen auch das Gegenüber. Sie sind allerdings dem medizinischen Personal vorbehalten in direktem Kontakt mit Erkrankten. Aber auch wenn jemand immunsupprimiert – zum Beispiel nach einer Organtransplantation – oder sich in onkologischer Behandlung befindet, machen diese Masken Sinn. Das Medizinprodukt Mund-Nasen-Schutz (OP-Maske) ist so getestet, dass es den Patienten sicher vor dem Atemstrom des Operateurs im Krankenhaus schützt. Da allerdings bei einem MNS die Seiten offen sind, können sie nicht den Schutzgrad einer FFP-Maske für den Träger erreichen. Auch hier herrscht bei Fachkreisen noch immer ein Mangel. Medizinische Masken setzen ebenfalls immer die korrekte Handhabung und Entsorgung voraus.


Kommen wir damit zu den Behelfsmasken, die selbst genäht werden oder von Nähereien angeboten werden...

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Hier ist trotzdem der nötige Abstand zu wahren, da kein zusätzliches Filtermedium eingearbeitet ist. Die Stoffmaske kann gebügelt oder gewaschen werden. Die Verwendung von Einmalhandschuhen ist im Alltag nicht notwendig, sofern die Hände nach dem Berühren von Gegenständen und vor dem Essen und Trinken mehrmals täglich mit Seife gründlich gewaschen werden. Auch hier ist es bereits zu Ausfällen der Lieferketten gekommen.

Sie haben ja tagtäglich durch ihre Firma mit dem Thema Gesundheit und Gesundheitswesen zu tun. Hätten Sie eine solche Pandemie für möglich gehalten, und wenn ja, warum war dann unser Gesundheitssystem so unvorbereitet bzw. lückenhaft vorbereitet auf solch einen Ausbruch?
Im Gegensatz zu 2003 war unser Gesundheitssystem schon viel besser vorbereitet, und der Informationsfluss lief schneller an. Zudem haben wir als Medizinprodukte-Hersteller einen sehr aktiven Industrieverband den BVMed, der uns tagesaktuell umfassend mit Informationen versorgt.