Herdecke/Ennepe-Ruhr. Um Corona-Zahlen richtig einzuordnen, fehlt es an einer Verhältnismäßigkeit. Das führt zu Schreckensmeldungen, sagt der Herdecker Peter Hamann.

Selten hat es derart viele Statistiken und Zahlen gegeben wie jetzt in Corona-Zeiten. Doch diese richtig einzuordnen, ist nicht leicht. Klar ist: Immer mehr Menschen infizieren sich mit dem Virus. Es fehlt aber beispielsweise an einer wichtigen Verhältnismäßigkeit, liegen doch keine Daten zu den insgesamt veranlassten Proben im Ennepe-Ruhr-Kreis vor. Überspitzt formuliert: Waren 1000 oder 10.000 Abstriche nötig, um auf ein Ergebnis von derzeit 119 bestätigten Fällen zu kommen? Einfacher: Wie viele Personen hatten zum Glück negative Tests?

Täglich neue Fallzahlen

Also beim federführenden Kreis nachfragen. Dessen Pressestelle berichtet täglich von Fallzahlen und Entwicklungen in den neun EN-Städten. Allerdings sind die Angaben nicht vollständig – und können es wohl auch nicht sein. Der Krisenstab im Kreishaus kennt natürlich die Menge der genommenen Proben von den mittlerweile vier Fahrzeugen, die in seinem Auftrag unterwegs sind. Die steuern täglich jeweils rund 15 Adressen an, also bis zu 60 Abstriche. Mit der stationären Diagnostik am Schwelmer „Drive in“ kommen nun weitere hinzu, maximal 100 pro Tag.

Bekämpfung des Virus hat Priorität

„Zu Beginn der Corona-Krise haben aber auch viele Hausärzte in den hiesigen Städten Proben genommen, weswegen wir dann ja zur Unterstützung die mobile Lösung eingerichtet haben“, erklärt Kreissprecher Ingo Niemann. Auch das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke (GKH) sowie weitere Kliniken an Ennepe und Ruhr haben bei Patienten Abstriche veranlasst. „Aus diesen genannten Quellen haben wir aber nur die Zahl der positiven Coronafälle erhalten, nicht jedoch die Summe der entnommenen Proben beziehungsweise der negativen Testergebnisse“, so Niemann. Das würde angesichts der Prioritäten zur Bekämpfung des Virus nach seiner Ansicht auch zu weit führen.

Neue Isolierstation mit 30 Betten

Im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke (GKH) verfügt die neu eingerichtete Isolierstation mit eigenem Zugang und Schleuse samt Infektionsambulanz über 30 Betten. Zudem wurde die Anzahl der Intensiv- und Überwachungsbetten im Krankenhaus deutlich aufgestockt.

Aktuell kann das Gemeinschaftskrankenhaus damit mehr als 20 Beatmungsplätze für Erwachsene sowie sechs für Kinder und Jugendliche vorhalten. Eine Aufstockung der Beatmungskapazitäten um weitere sechs, das heißt die hierzu erforderlichen Gerätschaften, wurden beim Land NRW beantragt.

Trotz aller Vorbereitungen auf den Ernstfall steht das GKH weiterhin für alle „Nicht-Corona-Patienten“ offen. Zwar wurden Operationen verschoben, gleichwohl gebe es notwendige Eingriffe und Behandlungen wie in „normalen“ Zeiten. Die Notfallambulanz ist rund um die Uhr besetzt.

Auf Anfrage teilt GKH-Sprecherin Alexandra Schürmann mit, dass das Ender Krankenhaus bisher ca. 30 Corona-Tests veranlasst habe, bei zwei Patienten gab es ein positives Ergebnis. „Dem Gesundheitsamt melden wir zudem noch begründete Verdachtsfälle.“ Dazu noch etwas Erfreuliches: Nach dem GKH-Aufruf in der letzten Woche, sich als freiwillige Helfer für den Notstandsfall registrieren zu lassen, stehen rund 200 Menschen bereit. „Dafür sind wir sehr dankbar! Wir hoffen natürlich, dass der Notstandsfall nicht eintrifft. Aber es ist beruhigend zu wissen, dass die Menschen in und um Herdecke so engagiert und hilfsbereit sind“, heißt es aus Westende. Zudem haben sich knapp 300 Medizin-Studierende der Uni Witten/Herdecke zum unterstützenden Einsatz gemeldet, die erste Gruppe von 70 hilft nun am GKH und andernorts mit.

Analyse großer Datenmengen

Unterdessen hat sich der Herdecker Peter Hamann mal die Zahlen der durch das Coronavirus bekannt gewordenen Johns-Hopkins-University angeschaut. Als Entwickler von Datenbankanwendungen beschäftigt er sich stets mit der Analyse großer Datenmengen. Anders als die täglich exorbitant ansteigenden Zahlen auf der interaktiven Weltkarte der genannten Universität blickt Hamann auf den zeitlichen Verlauf der Daten über Tage und Wochen. Die Werte für drei Länder seit den ersten Fällen am 22. Januar hat der Herdecker in eine Excel-Tabelle kopiert (als Basiszahl der Exponentialfunktion erhielt er 1,199 für Deutschland, für Frankreich 1,18030 und 1,24550 für Italien). Seine Voraus-Berechnungen damit ergaben demnach Ergebnisse, die nahe an der realen Zahl liegen.

Permanente Schreckensmeldungen

Hamann sieht die Gefahr, dass die Bürger sich mit permanenten Schreckensmeldungen sowie den immer größeren Infektionszahlen überfordert fühlen, all das führe eher zu Pessimismus und Defätismus. „Tatsächlich erleben wir nach einer Phase des rasanten Anstiegs vom 11. bis 20. März (von 1908 auf 19.848 Infektionen) mit täglichen Steigerungen von 25 bis 33 Prozent eine Verlangsamung.“ Seit dem 21. März gebe es „nur“ noch tägliche Zuwächse zwischen 12 und 17 Prozent. „Das ist immer noch viel, und es ist auf einem hohen Niveau von inzwischen über 40.000 Fällen. Aber die deutsche Basiszahl ist auf 1,15880 gesunken, die Kurve verläuft also weniger steil.“ Anders gesagt: Es gebe durchaus Anlass zu vorsichtigem Optimismus, und zwar in allen drei genannten Ländern.

Hier finden Sie unsere interaktive NRW-Karte mit allen aktuellen Fallzahlen https://interaktiv.wp.de/corona-virus-karte-infektionen-deutschland-weltweit/#regio