Herdecke/Wetter. Der 23. März 1945 war der Tag, der vielen Senioren in den Ruhrstädten noch besonders in Erinnerung ist. Die letzten Bomben fielen.

Der 23. März 1945 war, so schildern es Zeitzeugen, ein sonniger Freitag. Bis dato hielten sich die Kriegsschäden in Herdecke im Vergleich zu umliegenden Großstädten in Grenzen, die Ruhrstadt stand nicht auf der Zielliste der Alliierten. Die hatten an jenem Tag damals auch den Verschiebebahnhof Hagen-Hengstey im Visier. Als die US-Luftflotte mit zahlreichen Langstreckenbombern Verkehrswege und damit den Nachschub deutscher Truppen ins Rheinland zerstören wollte, erhielt sie in der Mittagszeit auch Flakbeschuss vom Herdecker Bahnhof.

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Eine Fliegerstaffel reagierte darauf und ließ laut Geschichts-Professor Gerhard E. Sollbach in „Teppichabwürfen“ rund 39 Tonnen Sprengbomben auf den Bahnhof, die Oberstadt und die Wittbräucke nieder. Mindestens 15 oder 16 Personen starben dabei in Herdecke, das kurzfristig als Gelegenheitsziel galt. Viele Ruhrstädter wurden verletzt, einige waren verschüttet, 600 bis 700 verloren ihre Wohnung.

Während die Amerikaner Herdecke am Ende des Zweiten Weltkriegs quasi nebenbei bombardierten, blieb Wetter von Luftangriffen weitgehend verschont. Wobei auch in der Harkortstadt Menschen während dieser schlimmen Zeit starben.

Kriegschronik und Zeitzeugenberichte

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All das ist nun 75 Jahre her. Und somit Anlass, an das Kriegsende und den Einmarsch der Amerikaner sowie die letzten Tage der grauenvollen Nazi-Herrschaft zu erinnern.

Bis zum 8. Mai, bekanntlich der Tag der Befreiung und offizielles Kriegsende, will die Redaktion in den nächsten Wochen die Ereignisse in beiden Ruhrstädten aus dem Frühjahr 1945 abbilden. Dazu gibt es regelmäßig Tagebuch-Einträge (heute vor 75 Jahren) auf der zweiten Lokalseite. Hilfreich sind dabei die Herdecker Blätter des Heimat- und Verkehrsvereins sowie die von Dietrich Thier herausgegebene Kriegschronik der Stadt Wetter. Zudem lassen die Zeitungsreporter Zeitzeugen zu Wort kommen, greifen markante Kriegsgeschehnisse in längeren Artikeln auf oder erinnern mit Fotos u.a. an die Brückensprengungen der Wehrmacht. Auch Gastautoren wollen sich einbringen.

Da die Nationalsozialisten Fotografierverbote – vor allem Zerstörungen sollten Privatleute nicht ablichten – erlassen hatten, gibt es aus jener Zeit wenige Bilder. Auch das Quellenmaterial sei übersichtlich, so die zwei Stadtarchiv-Verantwortlichen. Während in Wetter laut Stephanie Pätzold keine Statistik über Schäden oder Kriegstote vorliegt („Dafür gibt es eine sehr ausführliche Schilderung des Einmarsches der Amerikaner und der Übergabe der Stadt“), teilt Oliver Rost mit: Herdecke hatte, so ist es auch in der Sekundärliteratur zu lesen, im Zweiten Weltkrieg 275 Gefallene und 66 Ziviltote zu beklagen, weitere 600 Herdecker befanden sich in Gefangenschaft der Siegermächte.

„Christbaum am Himmel“

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„Die Liste der Kriegssterbefälle wurde bis in die 1960-er Jahre weiter geführt. 1946 gab es eine Veröffentlichung über Zahlungen wegen Kriegsschäden“, so Rost. 54 Häuser waren 1945 völlig zerstört. Dazu liegt eine lange Liste mit Adressen und Namen vor, die jeden einzelnen Hausschaden nach jeweiligen Einschüssen oder Angriffen beinhaltet.

Zurück zum 23. März 1945. Laut Kriegschronik waren auch in Wetter ruhraufwärts „weiß-rötliche Sprengwolken“ zu sehen. Zeitzeuge Walter Klisch, der 2014 verstorbene Herdecker Heimatforscher, schilderte den US-Angriff wie folgt: „Es war etwa 13.30 Uhr, als zahlreiche Bombenflugzeuge über uns flogen. Das war nichts Besonderes, sondern tägliche Praxis. Doch plötzlich stand am wolkenlosen Himmel ein sogenannter Christbaum. Das war das Angriffszeichen des Leitbombers. Sofort wussten wir, dass dieser Angriff unserer unmittelbaren Umgebung galt.“ Das sollte sich bewahrheiten. Das einzig Gute: An jenem Tag hatten die Herdecker das Schlimmste des Zweiten Weltkriegs überstanden. Auch das wird ein Thema in der Serie zum Kriegsende.