Herdecke. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke nimmt einmal mehr eine Vorreiterrolle ein. Die Perinatalklinik erhielt eine ganz besondere Auszeichnung.

Eigentlich sollte davon ausgegangen werden, dass Geburts- und Kinderkliniken generell babyfreundlich sind. Umso erstaunlicher ist, dass es in NRW nur drei Kliniken gibt, die das Siegel tragen dürfen – unter anderem das Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke. Aber dort geht es sogar noch einen Schritt weiter. Das Krankenhaus erhielt als erste Perinatalklinik Deutschlands die Zertifizierung.

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Und bis dahin war es ein schwerer Weg, wie Vera Hesels, Geschäftsführerin der Initiative Babyfreundlich, erklärt. „Die Zertifizierung erhält man nicht nebenbei. Sie ist sehr zeitintensiv“, erläutert sie. Regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter sind dabei grundlegend. „Wir schulen alle unsere neuen Mitarbeiter und jeder, der die Basisschulung schon erfolgreich absolviert hat, der bekommt regelmäßig eine Auffrischung“, erläutert Annika Scheel, eine der Projektleiterinnen am Gemeinschaftskrankenhaus. Prof. Dr. Alfred Längler, Ärztlicher Direktor und Leiter der Kinderklinik, fügt stolz hinzu: „Und wir schulen Hausintern, weil unsere Mitarbeiter so qualifiziert sind, dass wir niemand Externen brauchen.“

Rezertifizierung geglückt

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Bereits seit drei Jahren sind die Geburtsklinik und die Kinderklinik als babyfreundlich zertifiziert. So war es für Längler, der auch stellvertretender Vorsitzender der WHO-/Unicef-Initiative ist, ein konsequenter Schritt, der nun folgen musste. „Vor, während und nach der Geburt arbeiten unsere Teams jetzt noch enger zusammen, um Müttern und ihren Neugeborenen einen bestmöglichen Start zu ermöglichen“, sagt er.

Ein bestmöglicher Start bedeutet am Gemeinschaftskrankenhaus, dass die Mütter bereits im Kreißsaal ungestörten Hautkontakt mit ihrem Nachwuchs haben. So kann die Bindung, die im Bauch entstanden ist, gleich weitergeführt werden. Das Kind wird auch auf dem Bauch der Mutter liegend betreut. Zu einem bestmöglichen Start gehört für die Klinik aber auch ein guter, aufgeklärter Stillbeginn. Unabhängig von künstlicher Säuglingsnahrung soll bei den Babys so ein besseres Immunsystem geschaffen werden. Und die Zahlen belegen den Erfolg. „Wir arbeiten derzeit an einer Studie zur Stillrate“, berichtet Prof. Dr. Längler. Die sei zwar noch nicht abgeschlossen, zeige aber, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder gesünder sind und bleiben, auch mit dem Stillen zusammenhängt.

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Um eine Zertifizierung zu erreichen, werden sogenannte Audits, also Anhörungen, durchgeführt. Dafür befragte Vera Hesels die Mütter in der Klinik. Neben der unheimlich guten Stimmung und Atmosphäre, die ihr direkt auffiel, ist ihr ein Gespräch besonders in Erinnerung geblieben. „Da war eine Mutter, die strahlte und erzählte mir, dass die Geburt und alles drum herum wahrscheinlich sehr stressig war, aber sie es gar nicht so empfunden habe. Erstmal sei das nicht ungewöhnlich, doch die Frau sagte, sie wäre schon drei Wochen im Krankenhaus und das lässt auf Komplikationen schließen. Aber dennoch empfand sie es als nicht stressig“, berichtet Hesels.

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Prof. Dr. Längler ist nicht ein anderer Fall im Gedächtnis geblieben, bei dem eine junge Frau in der 29. Schwangerschaftswoche ein leichtes Ziehen im Bauch spürte. Da sie am nächsten Tag in den Urlaub fliegen wollte, fuhr sie ins Krankenhaus, um das Ziehen untersuchen zu lassen. Es kam, wie es kommen musste. „Die Wehen hatten eingesetzt und die junge Frau brachte ein Frühchen mit rund 1000 Gramm zur Welt. Aber das war das schönste Bonding (Mutter-Kind-Bindung), das ich miterlebt habe“, erinnert er sich.

Das Team ist wichtig

All das sei natürlich nur mit einem Team möglich, das die Leitsätze jeden Tag aufs Neue umsetzt. „Wir sind dankbar und glücklich, dass unsere Mitarbeiter das Konzept babyfreundlich so engagiert und kompetent mit Leben füllen“, sagt Dr. med. Annette Voigt, Leiterin der Geburtsklinik und Ärztliche Direktorin. „Die Babyfreundlichkeit hört bei uns nicht an der Kreißsaaltür auf. Bei uns ist alles aus einem Guss“, so Prof. Dr. Längler. „Wer sein Baby schon im Kreißsaal spüren durfte, der geht viel sicherer auch mit schwierigeren Verläufen um“, weiß Annika Scheel zu berichten. Und auch, wenn Mutter und Kind die Klinik gesund und munter verlassen haben, können sie sich weiter an das Gemeinschaftskrankenhaus wenden, denn es gibt eine Stillberatung, die auch von Frauen genutzt werden kann, die schon Zuhause sind.