Herdecke. Das Kollegium der Friedrich-Harkort-Schule steckt voller Ideen und Energie. Nicht nur deshalb hat ein besonderes Schuljahr begonnen.

Das neue Schuljahr ist für die aktuellen Fünft- und Sechstklässler das erste mit wieder 13 Jahren bis zum Abitur. Auch sonst bewegt sich viel an der Friedrich-Harkort-Schule. Wir haben mit Andreas Joksch, dem Leiter des Gymnasiums in Herdecke, gesprochen.

Wird die Arbeit für Sie mit G9 jetzt wieder leichter?

Andreas Joksch: Das ist nicht die Frage. Entscheidender ist, ob dadurch der Alltag für unsere Schülerinnen und Schüler leichter wird. G9 bezieht sich ja ausschließlich auf die Sekundarstufe 1. Da bekommen wir jetzt das Schuljahr wieder hinzu, die Klasse 10, das uns vorher genommen worden ist. Dadurch haben wir es an der FHS in den neu erarbeiteten Stundentafeln erreicht, dass die Klassen 5, 6 und 7 ohne Nachmittagsunterricht auskommen.

Beim Wechsel von G9 zu G8 hat es lange gedauert, bis Unterrichtspläne und Schulbücher angepasst waren. Ist das diesmal besser vorbereitet?

Ich habe schon den Eindruck, dass Landesregierung und Ministerium zeitlich Meilensteine gesetzt haben, die dafür sorgen sollten, dass es besser wird. Das Ergebnis ist allerdings, dass wir für die Stufen 5 und 6, die ja jetzt in G9 sind, die Lehrbücher in großen Teilen noch nicht haben, weil die Verlage sich erst jetzt umstellen. Die Kernlernpläne sind erst kurz vor der Sommerpause verabschiedet worden. Daher können wir erst in diesem Monat damit anfangen, auch die schulinternen Lehrpläne zu erarbeiten. Ich bin da relativ gelassen, weil die neuen Kernlernpläne auch nicht alles neu erfinden.

Wird man später über die G8er sagen, sie hätten nur ein „Schmalspurabi“ gemacht?

Nein. Die Gesamtstundenanzahl ist ja vergleichbar, weil in der Sekundarstufe 1 mehr Nachmittagsunterricht erteilt worden ist und die Stunden „nach unten“ geschoben worden sind. Und die Oberstufe ist eigentlich identisch.

Ist die Lehrerversorgung im neuen Schuljahr besser als im abgelaufenen?

Bei uns an der Schule ist sie identisch gut im Sinne der Vorgaben. Wir können den Unterricht zu 100 Prozent erteilen. Auch im letzten Schuljahr hat schon alles stattfinden können. Wünsche gibt es natürlich trotzdem.

Ist ein Teil der vielen neuen Lehramtsstudenten schon an den Schulen angekommen?

Zunächst einmal ist der Pool der Bewerberinnen und Bewerber kleiner geworden. Der Markt ist im Grunde leer. Besonders war das zu spüren bei den Vertretungslehrkräften. Für das Gymnasium gilt allerdings, dass grundsätzlich genügend Lehrkräfte da sind und auch da sein werden.

Es gibt den Standpunkt, was Schule zu vermitteln habe, brauche keinen PC und kein Tablet im Unterricht. Ist eine Schule ohne digitale Elemente heute noch vorstellbar?

Schule, die bei der Bildung ohne digitale Medien auskommen will, ist meiner Meinung nach weltfremd. Man kann auf diese Medien nicht verzichten, und man sollte das auch nicht tun. Zum Ende des Schuljahres wird vom Ministerium von den Schulen in NRW erwartet, ihr Medienkonzept zu überarbeiten und den sogenannten Medienkompetenzrahmen NRW umzusetzen. Dabei wird auch festgelegt, welche Kompetenzen bei den digitalen Medien die Schüler erworben haben sollen. Das ist für uns an der FHS ein großer Arbeitsschwerpunkt geworden. Wir haben also unseren eigenen Anspruch, aber auch der politische Druck ist gewachsen.

Auf einer Skala von 1 bis 10 – wo steht die FHS mit ihrer digitalen Ausstattung?

Wenn man den Stand der Schulen in NRW nimmt, dann würde ich uns bei einer 7 oder einer 8 einschätzen. Ich kann das auch begründen: Wir haben in jedem Unterrichtsraum Whiteboards mit interaktivem Beamer, wir haben seit diesem Schuljahr ein flächendeckendes Wlan, wir haben einen halben Klassensatz an iPads für Gruppenarbeiten, und es steht aus, dass die Lehrkräfte mit iPads ausgestattet werden. Dazu kommt unser Lernmanagementsystem, das schulorganisatorisch und kommunikativ, aber auch im Unterricht eingesetzt wird. Da ist sicherlich noch viel Luft nach oben.

Wie läuft die FHS als „Schule des gemeinsamen Lernens“ auch mit Schülern mit Behinderungen aus?

In den letzten drei Schuljahren hat es keine Nachfragen mehr gegeben für die Aufnahme von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Im letzten Schuljahr hatten wir sechs Kinder in den Klassen 8 und 9, die eine Schulpflicht von zehn Jahren haben. Die ehemaligen Neuntklässler sind nun als „Lerngruppe Schuljahr 10“ in den aktuellen Jahrgang 9 integriert worden, damit am G8-Gymnasium das 10. Schuljahr absolviert werden kann.

Wäre statt dem Angebot zum Ausstieg nicht auch eine deutlich bessere Unterfütterung mit zusätzlichem Personal denkbar gewesen, um Inklusion auch am Gymnasium zu halten?

Es hätte auch gelingen können. Bei uns ist das gar nicht schlecht gelaufen, auch weil wir das Glück hatten, eine Sonderpädagogin ins Team aufnehmen zu können. Im Grunde hätte es aber eine Diskussion über das Schulsystem in NRW geben müssen. Vom Aufgabenformat her ist die Schulform Gymnasium am weitesten davon entfernt, sonderpädagogisch agieren zu können – nicht weil wir nicht wollen, sondern weil wir nicht dafür ausgebildet sind.

Die Raumnot ist groß - kommt eine Verbesserung noch bevor die Schülerzahlen zurück gehen?

Laut frischer Schulentwicklungsplanung aus dem letzten Jahr wird die Friedrich-Harkort-Schule eher – natürlich unter G9-Bedingungen gerechnet – die Tausendergrenze bei den Schülerinnen und Schülern wieder durchbrechen. Unter G8 hatten wir meist um die 800 bis 850 Schülerinnen und Schüler gehabt. Wenn da noch mal drei bis vier Klassen zusätzlich unterrichtet werden müssen, haben wir auf jeden Fall zusätzlichen Raumbedarf.

Wie denken Sie über die Aufstockung der Mensa?

Ich finde die Idee zunächst einmal sehr charmant, weil die Standortsuche nicht ganz so einfach ist. Der Standort Mensa ist erreichbar für uns und die Realschule, die ja den größeren Anteil bekommen würde, weil deren Raumnot ja auch jetzt schon ganz, ganz groß ist.

Rückkehr zu G9, technischer Ausbau, neue Raumkonzepte – wird zu viel experimentiert an den Schulen oder zeigt das nötige Bewegung in der Bildung an?

Rückblickend wird man sicherlich G8 als Experiment betrachten, das auch nicht mit Beifall der Schulen gestartet wurde. Ich glaube, dass unterschätzt worden ist, was schulkulturell gewachsen ist in diesem Bundesland. Auch die Ganztagsschule setzt sich hier ja nicht so durch wie mitunter gewünscht, einfach weil wir ein ganz anderes Freizeitverhalten haben mit Vereinen oder Musikschulen mit Angeboten für die Zeit nach der Schule. Raumkonzept und auch die Digitalisierung dagegen sind schon Ziele, die wir als Schule angestrebt haben, aus eigener Kraft, aus einer gewissen Innovationsfreudigkeit heraus. Wenn wir auf das Land mit einer Digitalisierungsinitiative gewartet hätten, wären wir sicher noch nicht so weit. Wir gehen da deutlich voran.