Herdecke. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke im Stadtteil Ende wird dieses Jahr schon 50 Jahre alt. Zeitzeugen erinnern sich an die Anfänge.
Recherche zu 50 Jahren Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke (GKH) – wer könnte wohl etwas aus der Anfangszeit erzählen? Anruf bei Wolfgang Kessler. Der ehemalige Mitarbeiter des städtischen Bauamts und Planungsamt-Leiter ist bereit für ein Treffen. Dann erhält die Redaktion dankenswerterweise noch von einem Leser einen Hinweis: Kürzlich hätten sich die erste Empfangsdame und der erste Zivildienstleistende vom Krankenhaus zufällig getroffen. Auch Inge Micklisch und Walter Klotz sagen zu, von ihren Erinnerungen zu berichten. Also dann.
Inge Micklisch
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„Als das Krankenhaus gebaut wurde, habe ich zu meinem Mann gesagt: Da will ich arbeiten“, erzählt Inge Micklisch. „Als dann das Wort anthroposophisch fiel, konnte ich mit dem Begriff zunächst nichts anfangen.“ Viele Herdecker seien vor dem Bau und den großen Plänen skeptisch gewesen, Tenor: Das wird nie was. Zehn Jahre lang saß die kaufmännische Angestellte aber nach der Eröffnung am 11. November 1969 an der Pforte des GKH. Zum Startschuss kamen „Leute von Rang und Namen“, besonders Konrad Schily und Initiator Gerhard Kienle („eine beeindruckende Persönlichkeit, der hatte immer viel im Kopf und vergaß auch schon mal was, war aber ein prima Kerl“) stachen hervor. In der ersten Zeit sei im Betrieb vieles durcheinander gegangen, ehe sich Abläufe einspielten.
Angesichts guter Arbeitsbedingungen und netter Menschen um sie herum fühlte sich Micklisch, die 1930 geboren wurde, schnell wohl. Als sie 1979 schwanger wurde, endete diese „traumhafte Zeit“ am GKH. Wo die Tochter problemlos zur Welt kam, ist nicht schwer zu erraten.
Walter Klotz
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Beim zweiten Wiedersehen innerhalb weniger Monate erinnert sich auch Walter Klotz aus Hagen an Inge Micklisch, erst recht nach einem Blick auf ein früheres Foto. Mit deren Mann konnte sich der Hasper gut über klassische Musik unterhalten. Keineswegs klassisch war sein Weg zum GKH. „Das Projekt ging damals durch fast alle Medien, darüber wurde im Fernsehen oder auch im Spiegel berichtet“, erzählt Klotz (Jahrgang 1949). Er hatte damals gerade die Anerkennung als Wehrdienstverweigerer erhalten und bewarb sich daraufhin einfach beim Krankenhaus in Ende. „Ich wollte dieses spannende Projekt von innen kennenlernen, obwohl ich mit Medizin nichts am Hut hatte.“ Nach einem Gespräch mit dem Mitbegründer und langjährigen Geschäftsführer Peter Meister richteten die Beiden dann die erste Stelle für einen Zivildienstleistenden ein.
Am 1. Oktober 1971 konnte der junge Mann aus der Nachbarstadt beginnen. Den ersten Tag nach einer kleinen Weltreise aus Hagen mit der Straßenbahn und dem Bus werde er nie vergessen. „Ich musste auf Station 1 Betten machen, auch Konrad Schily lief da ‘rum.“ Schnell habe Klotz gemerkt, dass er für manches nicht geeignet war. Vor allem, wenn es um das Thema Tod ging. Es folgte ein „gutes Gespräch mit Gerhard Kienle, der hatte ein offenes Ohr für alle, auch für ein kleines Licht wie mich.“ Also konnte sich der gelernte Kaufmann Klotz nach vier Wochen in die GKH-Verwaltung versetzen lassen. „Das war wie ein Sechser im Lotto und für beide Seiten gut.“ Fortan kümmerte er sich um Statistiken, zeichnete auf Millimeterpapier Kurven und fuhr mit dem Auto längere Strecken, um eine Farbkopie zu organisieren. Oder telefonierte halb Deutschland ab, um an passende Kerzen für einen Aufbahrungsraum zu kommen. „Die 18 Monate als Zivi haben Spaß gemacht, ich habe sogar noch verlängert und war dann drei Monate als Angestellter tätig.“ Auch bei seinen weiteren beruflichen Stationen in Stuttgart oder Dresden habe er nur positiv über das GKH berichtet. Schließlich sorgte dieses Haus beispielsweise für eine Revolution in der Klinik-Landschaft, als es die festen Besuchszeiten abschaffte.
Wolfgang Kessler
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Wolfgang Kessler begann 1963 bei der Stadt Herdecke im Bauamt. Aus deren Reihen freuten sich Verantwortliche über die Kontakte und Pläne der Kienle-Gruppe, schließlich brauchte es zur Eigenständigkeit als Kommune noch ein Krankenhaus. Zu klären waren aber noch Grundstücksfragen mit Landwirten in Ende. Schließlich schloss die Stadt verschiedene Kaufverträge für das 24.000 Quadratmeter große Areal ab. „Das hat die Verwaltung als Zuschuss für den Bau des GKH angesehen, ehe sie das Grundstück an die Mediziner übertragen hat“, so Kessler. Er erinnert sich an viele Gespräche vor allem mit Kienle, der auf vielen Ebenen aktiv war. Derweil waren auch Vorbehalte zu spüren. „Einig waren sich die Herdecker nicht, was sie von dem Vorhaben halten sollten. Man kannte aus der Gründungs-Gruppe ja auch nur den heimischen Arzt Dr. Gustav Brunk, alle anderen waren Fremde. Und die Anthroposophen waren in Deutschland bekannter als hier.“ Skeptisch war auch die Kreisverwaltung, da solch ein großes Projekt nicht in einen Außenbereich gehöre, auch wenn der Bebauungsplan das ermöglichte.
Als die Klinik fertig war, kippte laut Kessler die Stimmung in Herdecke. Frei nach dem Motto: Mensch, jetzt haben wir hier unser eigenes Krankenhaus. Er selbst musste Anfang der 1970-er Jahre wegen Frakturen zweimal operiert werden. Und konnte anschließend nichts Schlechtes über das GKH berichten.
Daher ist er sich mit Inge Micklisch und Walter Klotz einig: „Das Gemeinschaftskrankenhaus kann auf eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte zurückblicken. Ohne das Krankenhaus wäre Herdecke heute nicht das, was es ist.“