Herdecke/Witten. Bald wird die Entscheidung fallen, ob Witten einen Psychiatrie-Neubau bekommt. Im Herdecker Krankenhaus schütteln viele ob dieses Plans den Kopf.
Mit Verwunderung, gelegentlich auch kopfschüttelnd haben Vertreter des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke (GKH) in den vergangenen Wochen die Debatte um eine neue Psychiatrie in Witten verfolgt. In der Nachbarstadt warben Politiker und andere offensiv für einen Neubau mit 79 vollstationären und 21 Tagesklinik-Plätzen auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses. Verantwortliche in Westende rechnen in den nächsten Tagen mit einer Entscheidung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums in Düsseldorf.
Angesichts der vielen Vorteile, die die Wittener auf ihrer Seite sehen, stellt sich die Frage nach den Argumenten für eine Ausweitung des bestehenden Systems. Wie berichtet, teilen sich im Ennepe-Ruhr-Kreis das GKH und das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen-Niederwenigern die vollstationäre Betreuung psychiatrischer Patienten.
Hinzu kommen die zwei Tageskliniken: Jene in Gevelsberg ist in Trägerschaft der Mülheimer Fliedner-Stiftung, die Einrichtung in Witten betreibt das GKH. Das müsste dieses Haus dort aufgeben, sollte es an gleicher Stelle den umstrittenen Neubau geben. Bekanntlich hatten die Kliniken in Hattingen und Herdecke zuvor selbst eine Ausweitung ihrer Behandlungsmöglichkeiten bei der zuständigen Behörde angemeldet, das GKH hatte für Westende 40 vollstationäre und für seine Wittener Tagesklinik 18 Plätze beantragt.
Mehrbedarf unstrittig, Umsetzung umstritten
Laut Krankenhausplan 2015 gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Mehrbedarf für erwachsene Patienten in der Abteilung Psychiatrie/Psychosomatik. Daraufhin stellte das GKH 2016 einen Antrag zur Aufstockung seiner Plätze.
Das GKH ist für die psychiatrische Pflichtversorgung in den Städten Herdecke, Wetter, Gevelsberg, Breckerfeld und einem kleinen Teil von Witten zuständig.
Die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie umfasst neben der Institutsambulanz und der Tagesklinik Witten (18 Plätze) fünf Stationen mit rund 70 Betten in Westende.
Das GKH müsste durch einen Psychiatrie-Neubau in Witten keine Plätze in Ende reduzieren, aber seine Tagesklinik in der Nachbarstadt schließen. Die feiert 2019 ihr 20-jähriges Bestehen.
Die bisherige Struktur ausbauen und stärken wollen auch Hattingens St.-Elisabeth-Klinik und die Bezirksregierung.
Zumal das Gemeinschaftskrankenhaus sich in Sachen Psychiatrie selbst gut aufgestellt sieht, wie GKH-Sprecherin Julia Chafik auf Anfrage sagte. Sie verweist auf die sowohl ambulante wie auch stationäre Versorgung in Westende, hier behandeln Ärzte Patienten ab dem sechsten Lebensjahr. Eine von vielen Besonderheiten sei die enge Zusammenarbeit von Stationen: Die interdisziplinäre Kooperation mit somatischen Fachabteilungen erfolge bedarfsgerecht und zeitnah, da alle zusammen in einem Haus verortet sind.
„Eine offene Psychiatrie ist ein dauerhafter Motivator“, meint Julia Chafik. Alle möglichen Modifikatoren zur Verhütung von Eskalationen werden demnach täglich überprüft und umgesetzt, damit Zwangsmaßnahmen schon im Vorfeld verhindert werden könnten. Selbstredend achte das GKH auch in dieser Abteilung auf seine Werte (Persönlichkeit, Zuwendung, gegenseitige Wertschätzung des Personals). Das betreffe auch die Behandlungen mit anthroposophischen Aspekten sowie therapeutischen und pflegerischen Anwendungen als Zusatz zur Schulmedizin.
Kooperationen bei Notfallversorgung
„Zur Pflichtversorgung findet eine überregionale Notfallversorgung statt, das geschieht in enger Zusammenarbeit mit örtlichen Trägern“, so Chafik. Die Weiterentwicklung und Ausrichtung der Behandlungsangebote beinhalte bewährte und innovative Konzepte, die auch an Veränderungen angepasst werden. Kurzum: „Bei uns steht der Patient in seiner Gesamtheit im Mittelpunkt des Geschehens, das betrifft natürlich auch sein seelisches Befinden.“ Abgestimmt darauf, setze das GKH auf eine kreative Pflege und stelle sich auf jeden Patienten individuell ein.
Ob sich das NRW-Gesundheitsministerium von diesen Argumenten überzeugen lässt, wird sich zeigen.