Herdecke. . SPD-Politikerinnen haben in Herdecke zurück auf das Wahlrecht geblickt und nach vorn geschaut auf die mögliche Wirkung einer Quote.

Nach Jahrzehnten des Kampfes der Frauenbewegung für ein Stimmrecht war es am 19. Januar 1919 das erste Mal so weit: Vor genau 100 Jahren durften Frauen in Deutschland das erste Mal wählen und strömten mit einer Wahlbeteiligung von 80 Prozent zu den Urnen. Und doch, in den einhundert Jahren, die seit diesem historischen Ereignis vergangen sind, gab es noch nie ein paritätisch besetztes deutsches Parlament, weder auf Bundesebene noch auf Landesebene. Ein Grund für SPD-Politikerinnen in Herdecke in die Vergangenheit zu blicken und Bilanz zu ziehen, genauso wie sich Gedanken über die Zukunft zu machen.

Am Samstagnachmittag wurde dafür ins Onikon eingeladen, zu einem Podiumstalk mit Nadja Büteführ, der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Herdecker Rat und Mitglied des Landtags, Karin Strippen, der stellvertretenden Bürgermeisterin und Kreistagsvorsitzenden, und Pia Blothe, der Vorsitzenden der Jusos in Herdecke.

Von Frauen wird mehr erwartet als von Männern

Martina Riezler, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, leitete das Gespräch ein, und schnell waren sich alle vier Frauen auf der Bühne einig: Es sei noch viel zu tun. Ein Problem sei vor allem, in der Politik nicht ernst genommen zu werden, da sind sich die Frauen einig. „Wir Frauen müssen den Männern ja immer erst beweisen, dass wir was draufhaben“, so Nadja Büteführ.

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Hauptthema der Diskussion wurde, wie man in Zukunft den Frauenanteil in der Politik erhöhen könnte, und alle drei Politikerinnen brachten ihre Ideen und Vorstellungen, wie das Geschehen könnte ein. „Politik muss attraktiver für Frauen und junge Mädchen werden“, sagt Pia Blothe. Auch über eine Quote beziehungsweise gesetzliche Maßnahmen wird diskutiert. Ein Vorschlag zum Paritätsgesetz, wie es gerade diskutiert wird, sei, in Anlehnung an das französische Modell, Kandidatenduos bestehend aus einem Mann und einer Frau aufzustellen. Karin Striepen ist sich bei diesem Modell nicht sicher, ob es verfassungsrechtlich möglich ist, so ein Gesetz umzusetzen. Sie sagt aber auch: „Parität kann wahrscheinlich nur so erreicht werden.“ Und auch Nadja Büteführ spricht sich für Quoten aus. Sie habe zwar lange Zeit daran festgehalten, dass Quoten nicht notwendig seien, aber sie ist sich mittlerweile auch sicher, dass Quoten funktionieren. Als Beispiel dafür führt sie an, dass in den Parteien in denen es freiwillige Quotenregelungen für die Wahllisten gebe, mehr Frauen im Parlament vertreten sind als bei Parteien die nicht einer solchen Selbstverpflichtung nachgingen.

Die Jüngste und die Lauteste

Büteführ fordert außerdem mehr Unterstützungsmechanismen für Frauen, damit ihnen der Einstieg in die Politik leichter fällt. Darunter falle vor allem die Möglichkeit der Kinderbetreuung und das Ablassen von der Kindererziehung als Frauensache genauso wie die Möglichkeiten, die das Home-Office für Frauen mit Kindern mit sich bringt. Es hätte zwar schon viel Entwicklung in diese Richtung gegeben, aber es sei trotzdem noch viel zu tun. „Engagement für Frauenrechte ist und kann noch nicht beendet werden.“, sagt sie schließlich.

Zustimmung bekommt sie unter anderem von der erst 19-jährigen Pia Blothe, die noch am Anfang ihrer politischen Karriere steht und oft das Gefühl hat, von den älteren und männlichen Mitgliedern ihrer Partei nicht ernstgenommen zu werden. Sie möchte vor allem zeigen, dass Frauen und auch junge Mädchen in der Politik einen Platz haben und gehört werden sollen. Sie möchte frischen Wind in ihre Partei bringen und ihre Generation animieren, sich mehr für Politik zu interessieren. „Als zeitweise jüngstes Mitglied meiner Partei habe ich trotzdem manchmal das Gefühl, die Lauteste zu sein“, sagt Blothe.

Film über die Suffragetten

Die Politikerinnen ernteten nach der Diskussion viel Zuspruch von den Anwesenden und standen noch für weitere Gespräche bereit, bevor der Film „Suffragette“ gezeigt wurde, in dem es um den Kampf der Frauenbewegung um 1900 geht.