Volmarstein. . Die Evangelische Stiftung Volmarstein blickt zufrieden auf das Geschäftsjahr 2016. Allerdings gab es erstmals betriebsbedingte Kündigungen.

  • Viele Erfolgsmeldungen aus den fünf Geschäftsbereichen
  • Vor allem in der Medizin und Seniorenhilfe ging es aufwärts
  • Essen-Umstellung führt zu harten Einschnitten für zehn Mitarbeiter

Die Strategie scheint aufzugehen: Zufrieden blickt der Vorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein (ESV) auf die Jahresbilanz 2016. Im Vergleich zu 2011 gab es ein Umsatzwachstum von mehr als 70 auf 252,6 Millionen Euro. Stolz sind Pfarrer Jürgen Dittrich und Markus Bachmann als kaufmännischer Vorstand, dass in diesem Zeitraum das interne bzw. organische Umsatz-Plus bei mehr als 50 Millionen Euro liegt. Heißt: Dieses Geld kam ohne externe Aktivitäten wie den Zukauf zweier Krankenhäuser in Dortmund herein, von denen heute bekanntlich nur noch die Ortho-Klinik in Hörde unter ESV-Trägerschaft läuft. Hier ein Überblick der Geschäftsfelder.

Medizin

Das laufende Jahr ist nach den Erfolgen und Wachstumsmeldungen aus 2016 (Grund: kontinuierliche Qualifizierung und Weiterentwicklung) für Bachmann wirtschaftlich sehr spannend. „Könnten wir all unsere Leistungen refinanzieren, hätten wir sogar ein Umsatzplus von mehr als 20 statt 16,4 Prozent gegenüber 2015 bilanzieren können.“ Der Vorstand beklagt bürokratische Hürden, dadurch werde die Stiftung gewissermaßen bestraft für die zusätzlichen Angebote.

Nach der Übernahme zweier Krankenhäuser in Dortmund und der Kurskorrektur sei vor allem die Gewinnsteigerung von 40 Prozent in Hörde sehr erfreulich. Aber auch im „Mops“ in Hagen und auf dem Volmarsteiner Gelände sei der Zuspruch in den orthopädischen Kliniken weiter hoch, was zu OP-Wartezeiten von zwei/drei Monaten führt. Der Austausch innerhalb der drei Häuser funktioniere, die Modernisierungen in Haspe und hier an der Lothar-Gau-Straße gehen weiter.

Die neue Komfortstation in der Orthpoädischen Klinik auf dem Gelände der Evangelischen Stiftung Volmarstein ist bereits fertig.
Die neue Komfortstation in der Orthpoädischen Klinik auf dem Gelände der Evangelischen Stiftung Volmarstein ist bereits fertig. © Andre Loessel Photography

Noch im Aufbau befindet sich die plastische Chirurgie, die unter Federführung eines neuen Oberarztes vom Wuppertaler Helios-Klinikum am 1. April angefangen hat. Intensive Verbindungen soll es zur Rheumaorthopädie und nach Haspe geben (Handchirurgie, Adipositas).

Übergreifend aktiv sind die Therapiedienste Volmarstein. „Wir bauen seit 2016 die Reha-Technik wieder auf und aus“, sagt Bachmann. Hilfsmittel für die Rehabilitation, Sanitätshaus-Utensilien, orthopädische Schuhe oder Orthopädie-Technik gibt es in drei Therapiezentren mit rund 120 Mitarbeitern, jenes in Volmarstein besticht demnach durch neue und moderne Trainingsgeräte. Dort ergänzt seit 2016 die Logopädie-Praxis die Physio- und Ergotherapie. „Für uns gehört all das zusammen, daher wollten wir die Verknüpfung Hilfsmittel-Therapie stärker gewichten“, so Dittrich.

Behindertenhilfe

In diesem Geschäftsbereich, zu dem auch die Jugendhilfe und schulische Bildung zählen, verzeichnete die ESV 2016 einen großen Sprung. „Von uns wird diesbezüglich immer mehr erwartet“, sagt Dittrich und denkt an die Politik. Dabei gehe es für die ESV um die Weiterentwicklung ambulanter Wohnangebote wie seit 2016 im Neubau an der Wittener Kesselstraße und die Spezialisierung in der stationären Behindertenhilfe. Die Strategie: Auf dem Stiftungs-Gelände verbleiben in Abstimmung mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Kostenträger) Pflegebedürftige mit speziellen Anforderungen. Wie etwa im 50 Jahre alten Oscar-Funcke-Haus, das Dutzende Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen beherbergt. Zwei neue Kinderheime sollen 2018 (mit 26 Plätzen, zwei für Kinder aus problematischen Familienverhältnissen) und 2019 fertig sein.

Berufliche Rehabilitation

Die ESV ist mit der Entwicklung des Berufsbildungswerks (BBW), beim Bau vor 41 Jahren das zweite seiner Art in Deutschland, sehr zufrieden. Das liegt sowohl an vielen Kooperationen als auch an neuen Angeboten wie der Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer.

Besonders erfreulich sei die Entwicklung bei der Qualifizierung von jungen Langzeitarbeitslosen, worum sich die Stiftung seit 2015 in enger Absprache mit dem Jobcenter EN kümmert. In Wetter, Witten und Schwelm erhält manch einer dank verschiedener Programme oder der Zusammenarbeit mit Streetworkern eine Art letzte Chance für eine Arbeitsstelle. „In unserem Unternehmen gab es dazu auch kritische Stimmen, warum wir uns darum kümmern“, berichtet Bachmann. „Wir können dank unserer Ressourcen helfen, dabei bieten wir keine Umschulungen im großen Stil an.“ Und Dittrich ergänzt: „Wir wurden motiviert mit den Worten: Wenn einer das schafft, dann doch ihr.“

Seniorenhilfe

Nach dem hohen Kostendruck und wirtschaftlichen Problemen freut sich die ESV über gestiegene Belegungszahlen in allen Häusern auf konstant 98 % und damit im Schnitt ein Zuwachs von zwei Prozent. Das beschere ihr höhere Einnahmen und ein Umsatzplus von sechs Prozent. „Dafür mussten wir aber viel optimieren. Wir sind da auf einem guten Weg, aber noch nicht ganz glücklich“, sagt Bachmann und verweist sowohl auf vermehrte Kooperationen mit Kirchen oder Vereinen als auch auf Umstrukturierungen bei der Materialbeschaffung, Reinigung oder Speisenversorgung.

Dabei setzt die ESV seit 2014 auch zwecks Kosteneinsparung auf ein dezentrales Angebot über das Tiefkühl-Aufwärmverfahren „cook & freeze“. Auch angesichts der veränderten Wohnstrategie mit Kochstellen in einzelnen Häusern und veränderter Logistik bedeutet das: Die BBW-Großküche wird nicht mehr benötigt und nur zur Vorbereitung bzw. als Zwischenstation genutzt. Von den derzeit 65 Mitarbeitern können das 40 übernehmen. Da Ende 2017 hier nicht mehr klassisch Essen zubereitet wird, fallen 25 Stellen weg. Für 15 Angestellte gab es sozialverträgliche Lösungen. Zehn Köche erhielten aber betriebsbedingten Kündigungen. „Wir wollen diese Leute nicht im Stich lassen und führen Gespräche mit anderen Großküchen“, sagt der ESV-Vorstand, der beim Blick auf diesen Arbeitsmarkt einigermaßen optimistisch sei. Die freigestellten Mitarbeiter erhalten demnach auch Unterstützung über Bewerbungstraining und ähnliches.

Beratung/Dienstleistungen

Mit knapp 30 Millionen Euro Umsatz ist das Rechenzentrum Volmarstein die größte Säule in diesem Geschäftsfeld. Dort sei der Zuwachs 2016 stabil gewesen, bundesweit könne sich dieses sehen lassen, berichtet Bachmann. „Das Thema Digitalisierung wird uns weiter beschäftigen.“ Was mit Blick auf den Datenschutz nicht immer einfach sei, vor allem in der Kombination Krankenhaus-Arzt-Patient. Um solche Herausforderungen zukunftsfähig angehen zu können, hat die ESV mit dem renommierten Fraunhofer-Institut ein umfangreiches Projekt vereinbart.

Ausblick

In fünf bis acht Jahren soll es auf dem Volmarsteiner Stiftungs-Gelände noch die Klinik, Förderschule, Therapiedienste, Kinder- und Wohnheime mit Spezialpflege geben. Unter dem Stichwort Ambulantisierung sollen Erwachsene dezentral bzw. extern unterkommen und mit Unterstützung ein selbstbestimmtes Leben führen.

Diese Veränderung sei für Betroffene nicht immer einfach, gibt Dittrich zu. Für die ESV hingegen soll dadurch ein weiterer Vorteil entstehen, nämlich kaum noch Verkehr auf den Straßen der Stiftung.