Hagen-Mitte. . Die große Eröffnung der Rathaus-Galerie in Hagen ist gescheitert. Doch der Elektronikmarkt Saturn durfte öffnen und erlebte eine großen Ansturm. Unser Reporter Mike Fiebig war mittendrin.
„Lass nachher mal FIFA.“ Der Satz ist so dermaßen verkürzt, dass man vor allem um 5.51 Uhr etwas länger braucht, um zu verstehen, was der junge Mann meint. Erweitert um zwei entscheidende Worte heißt das: „Lass uns nachher mal FIFA spielen.“ Das dazugehörige Computerspiel will er gleich kaufen. Wenn er nicht an der Eingangstür zerdrückt wird oder den Schwächeanfall erleidet, den ein noch jüngerer Kunde einige Reihen vor ihm gerade erlitten hat. Die Galerie blieb dicht, Saturn eröffnete am Dienstag trotzdem. Der ganz normale Wahnsinn und was währenddessen passierte.
Körperliche Härte angewendet
1000 Menschen. In Worten: eintausend. Alle mit vollem Portemonnaie. Alle mit angespitzten Ellbogen. Und alle mit diesem aus ihren Augen funkelnden Morgen-Motto: Ich gebe hier heute keinen Millimeter her, ich habe ein Anrecht auf mein Schnäppchen.
Dass dieses Anrecht notfalls auch mit körperlicher Härte durchgesetzt wird, erfährt der Reporter, als er beim Hindurchquetschen durch die schmale Eingangstür mit der Stirn voran Bekanntschaft mit dem Rahmen des Portals macht. Hat der Schubser gerade „Entschuldigung“ gesagt oder habe ich nur gehofft, dass er das gesagt hat, um der Szene wenigstens etwas Höflichkeit abzugewinnen? Er hat’s wohl nicht gesagt. Wie ungehobelt.
Ein Zettel weist auf die gescheiterte Eröffnung hin
Die wartenden Kunden füllen den ganzen Bereich an der Ecke Mittelstraße/Marienstraße. Dass die Rathaus-Galerie ihre Eröffnung verschieben musste – relativ unwichtig hier. Ein Zettel an der Seitenfront des Gebäudes weist zwar darauf hin. Wichtiger finden aber alle den Nebensatz, dass die Saturn-Filiale als einzige eröffnet und über den Eingang Mittelstraße zu erreichen ist.
Buntes Trüppchen. Was das so für Menschen sind, die hier ganz heiß darauf sind, die im Prospekt angepriesenen Schnäppchen abzugreifen, kann man eigentlich gar nicht richtig sagen. Es gibt eine Zocker-Ecke, wo Computerspieler warten. Die Fernseher-Fraktion ist groß. Die Waschmaschine für 290 Euro und das Tablet für 199 Euro wollen viele. Vom Studenten bis zur Hausfrau alles dabei.
Eröffnung der Rathaus-Galerie geplatzt
Mit 24-minütiger Verspätung geht die Tür auf. Unser Fotograf wird die Szene wenige Meter weiter von der Rolltreppe so durch seine Linse sehen, als ob der Berlin-Marathon beginnt. Die Sprinter werden vom Sicherheitsdienst direkt abgebremst. Den Joggern raunt ein „Laaaangsam“ entgegen.
Ausgang nur Richtung Potthoffstraße
Und überhaupt: Bewegt wird sich nur auf der Hauptachse. Kurz warten vor der Rolltreppe hinauf in den ersten Stock. Einkaufen bei Saturn. Und raus über die steile Nottreppe an der Potthoffstraße. Sich hier mit dem neuen Flachbildfernseher auf die Nase zu legen, kann richtig böse enden. Nicht nur für den Fernseher.
Seinen Namen will er nicht verraten, der Herr, der sich wie ein Football-Spieler zu den Bügeleisen durchgebügelt hat. Wohlgemerkt: Bei seinem harten, aber zu keiner Zeit unfairen körperlichen Einsteigen ging es um ein Bügeleisen. Nicht um den 35 000 Euro teuren, größten, tollsten, breitesten, farbreichsten Fernseher, den Privatleute erstehen können und der ganz hinten in der TV-Ecke steht. Jürgen Klopp hat sich so einen gekauft. Aber nicht gestern Morgen. Und auch nicht in Hagen. War klar.
Kommt rein, bringt Geld herein
Wer schon mal in den Sommerferien in einem Freizeitpark an einer Achterbahn angestanden hat, kennt die Hinweisschilder „ab hier noch 20 Minuten.“ Hier stehen zwar keine davon, wer sich mit seiner Beute aber an einer der Kassen anstellt, bemerkt schnell, dass er dabei noch vier Anrufe und drei Preisvergleiche schaffen kann. Lob an die Saturn-Mannschaft, die ackert als gäbe es kein Morgen. Mit Applaus hatten sie die zahlungswilligen Kunden in den neuen Räumlichkeiten empfangen. Kommt rein, bringt Geld herein. Bizarre Situation.
„Eine Atmosphäre, als ob es alles geschenkt geben würde“, sagt ein Kunde. Vor ihm wollte gerade einer fast zehn mal das gleiche Playstation-Spiel kaufen, was nicht geklappt hat, weil er auf die Fairness gegenüber anderen Kunden hingewiesen wurde. Was er wohl mit den ganzen Spielen wollte? Doch nicht etwa weiterverkaufen?
Eine Schlange ist etwas kürzer als die anderen. Hier wird auch bezahlt, aber in kleineren Schritten. Es ist die Finanzierungs-Schlange. Manche haben Fernseher auf dem Arm. Manche ein Bügeleisen.
Der „Lass-mal-FIFA-Mann“ muss übrigens schnell wieder verschwunden sein. Im Gewusel war er nicht mehr auffindbar. Er wird schnell nach Hause gefahren sein. Zum Zocken. Hoffentlich war er vorsichtig auf der Nottreppe.
