Hagen. . Die Gesundheitsämter in Südwestfalen ziehen zum Teil eine positive Bilanz der Einschulungsuntersuchungen: Kinder haben etwas weniger Sprach- und Motorikprobleme als in vergangenen Jahren. Doch das alte Niveau hat man noch längst nicht erreicht.

Jahrelang kannte die Entwicklung nur eine Richtung: Die Zahl der angehenden i-Dötzchen, bei denen die Amtsärzte vor dem Schulstart Auffälligkeiten feststellten, nahm stetig zu. Jetzt sieht man mancherorts zarte Anzeichen für „eine Trendwende“, zeigt sich Petra Winzer-Milo zuversichtlich, Leiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes im Kreis Unna.

„Der Gesundheitszustand der Jungen und Mädchen ist in einigen Bereichen besser geworden“, bestätigt Andrea Götz, Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Diensts im Märkischen Kreis.

Delfin-Test wirkt

So hat man im Kreis Unna bei den Einschulungsuntersuchungen nun erstmals seit Jahren weniger Sprachschwierigkeiten festgestellt. Im Jahr 2013 waren noch 42,5 Prozent der deutschsprachigen Kinder und 46 Prozent der Kinder mit ­Migrationshintergrund auffällig. In diesem Jahr hingegen waren es in beiden Gruppen „nur“ 37 Prozent. Jedes vierte der untersuchten ­Kinder lernte als Erstsprache nicht Deutsch. Aber nur 2,7 Prozent von ihnen verfügten über ­unzureichende Deutschkenntnisse. Gegenüber dem Vorjahr (3,5 Prozent) sei auch hier ein Rückgang zu verzeichnen.

„Der Anteil der Kinder mit Sprachentwicklungsverzögerungen nimmt nicht wie in den vergangenen Jahren weiter zu“, kann man auch beim Kreis Siegen-Wittgenstein in diesem Jahr erstmal wieder eine leicht positive Bilanz ziehen.

Die Sprachstandserhebungen in den Kindergärten, so vermutet man in beiden Kreisen, zeigten offenbar mittlerweile Früchte: Seit dem Jahr 2007 gibt es in NRW einen verbindlichen Sprachtest für alle Vierjährigen: Kinder, die dabei Schwächen zeigen, bekommen eine Sprachförderung. So seien Probleme zum Zeitpunkt der Einschulung mittlerweile oft erfolgreich behandelt, heißt es beim Kreis Siegen-Wittgenstein,

Dass sich Effekte erst jetzt zeigen und nicht bereits vor vier Jahren auftraten, als die ersten Kinder in die Schule kamen, die den Test absolviert hatten und gegebenenfalls gefördert worden waren, erklären sich die Experten damit, dass sich die Sprachprogramme in den Kindergärten erst etablieren mussten. So sieht man es in den Gesundheitsämtern auch nicht gern, dass die Landesregierung nun beschlossen hat, den Test, der vielfach auch kritisiert worden ist, wieder abzuschaffen.

Nicht nur bei der Sprache, sondern auch bei Motorik und Wahrnehmung stellten die Gesundheitsämter weniger Auffälligkeiten fest: So zeigten in diesem Jahr im Kreis Unna 10 Prozent der Kinder therapiebedürftige, grobmotorische Störungen, 2013 waren es noch 11,5 Prozent. Motorisch auffällig waren 2014 knapp 12 Prozent gegenüber 15 Prozent im Jahr 2013.

Kein Vergleich zu den 80er Jahren

Einen leichten Rückgang verzeichnet der Kreis Siegen-Wittgenstein: 3,6 Prozent der Kinder waren in diesem Jahr in Behandlung wegen Auffälligkeiten in der Grobmotorik (2012: 4,0); in 3 Prozent der Fälle wurde eine Abklärung auf Therapiebedürftigkeit empfohlen (2012: 3,6 Prozent). Ähnlich haben sich die Zahlen bei der Visuomotorik, also beim Malen, leicht verbessert.

Was für Michael Achenbach, Kinderarzt aus Plettenberg und Pressesprecher des Verbandes der Kinderärzte in NRW, längst kein Grund zum Jubeln ist: Die Durchschnittswerte, die Kinder in den 80er Jahren bei Motorik-Tests noch erzielt hätten, erreichte heute kaum ein Kind mehr, so der Mediziner kritisch. „Da hat es über Jahrzehnte hinweg eine Verschlechterung gegeben.2 Dies wieder rückgängig zu machen, erfordere noch gewaltige Anstrengungen, mahnt er.

„Wir sind jetzt wieder auf dem Niveau von 2009 angekommen“, räumt auch Petra Winzer-Milo ein, dass der Lichtblick bisher ziemlich fahl ist. Dennoch glaubt sie, dass es mittlerweile in der Gesellschaft ein viel stärkeres Bewusstsein dafür gebe, die sprachliche und motorische Entwicklung der Kinder zu fördern. „Die Eltern“, hat auch Andrea Götz im Märkischen Kreis festgestellt, „legen immer größeren Wert darauf, dass ihre Kinder gründlich durchgecheckt werden.“